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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Pudor, Heinrich: Der Materialstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0336

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318

INN EN-DEKORATION

DER MATERIALSTIL.

Nach fünfzehn Jahren Kämptens und Ringens, nach
mancherlei Irren und Wirren, nach Überstehung
von Kinderkrankheiten mancherlei Art, beginnt sich
endlich aus der modernen Kunstbewegung der neue
Stil heraus zu kristallisieren, der einzige, der nicht Mode,
sondern Stil ist, der am nächsten liegende Stil, in ge-
wissem Sinne der Stil: der Materialstil.

Die Grundlage dieses Stiles lautet Ehrlichkeit und
Wahrhaftigkeit. Keine Materiallügen, keine Material-
fälschung, keine Imitation. Aber Betonung und Heraus-
arbeitung der charakteristischen Eigenschaften eines
jeden Materiales. Keine überflüssigen Dekore und
Ornamente, keine Überladung mit unsachlichem Zierrat,
aber Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit und tunlichste
Berücksichtigung des Gebrauchszweckes.

Mit dem Kampf gegen die Materialfälschungen hat
der Kampf für den neuen Stil eingesetzt. Gegen diese
Materialfälschungen bin ich seit mehr als fünf Jahren
in allen möglichen Zeitschriften und Zeitungen zu Felde
gezogen. Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende
gefochten. Noch immer erhebt sich wie das Haupt
der Hydra aller Orten die handelsmäßige Industrie und
versucht die Materiale der nächst höheren Industrie zu
imitieren. Das wird gehen, so lange als es Unehrlich-

keit in der Welt gibt, so lange als gewissenlosen
Händlern und Fabrikanten jedes Mittel zum Geldver-
dienen recht ist. Aber bedeutend besser ist es schon
geworden. Und das Ziel liegt klar vor uns: die Material-
ehrlichkeit, die Materialwahrhaftigkeit. Es ist eine
Sache, die heute in der Luft liegt. Von allen Seiten
her sind Steine zu dem Bau zusammengetragen worden,
jeder strebt dieser Sache entgegen, jedem klingt das
Wort in den Ohren — es braucht nur ausgesprochen
zu werden: da ist es — Materialstil. Es war das Ziel
unserer Wünsche und Hoffnungen, das Ziel, dem wir
alle entgegenstrebten, die Ästhetiker, die Künstler, die
Handwerker und vor allem die Industriellen.

Alle Gebiete des Kunstgewerbes und der Industrie
kommen hierfür in Betracht. Denn ob es sich nun um
Holz oder Metall, um Scherben oder Glas, um Papier
oder Leder, um Stoff oder Zeug handelt, immer kommt
es darauf an, die spezifischen Eigentümlichkeiten des
betreffenden Materiales zum Ausdruck zu bringen.

Außerordentlich interessant ist es nun hierbei zu
verfolgen, wie folgerichtig die Entwicklungsgeschichte
der kunstgewerblichen Stile diesem Ziele entgegensteuerte.
Es begann mit dem deutschen Empire. Die französischen
Königstile kannten nur Schönheitswerte an sich, Grazie,
 
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