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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Jaumann, Anton: Das "Passage-Kaufhaus" in Berlin: erbaut von Architekt kaiserlicher Baurat Franz Ahrens, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0396

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INN EN-DEKORATION

relativ gut gelöst. Diese Lösung kommt aber nur in
außergewöhnlichen Verhältnissen in Betracht, wenn sehr
bedeutende Kapitalien in einer Hand vereinigt sind.
Der kleinere Kaufmann hat nichts davon, und dem
städtischen Verkehr ist auch nicht gedient, denn das
Warenhaus lockt wohl viele Menschen an, es bildet
aber keine Verkehrs - Erleichterung. Die Menschen-
massen, die sich vor ihm stauen, sind eher ein Hindernis.

Das neueröffnete Passage-Kaufhaus scheint nun für
die berührten Fragen eine geradezu ideale Lösung dar-
zustellen. Als Kaufhaus verwertet es aufs intensivste
das ganze Gelände und Gebäude, lockt viel Publikum
an und führt es durch alle Abteilungen; als Passage
vermittelt es den Verkehr und vermeidet Stauungen der
MeDge auf der Straße; und schließlich ist es noch, wie
die Markthalle oder der orientalische Bazar, eine Ver-
einigung von Spezialgeschäften, sodaß auch der Mittel-
stand an den Vorteilen dieser großstädtischen Schöpfung
teilnimmt. Der Bau ist von einer großen Gesellschaft
errichtet und dann an verschiedene Detailgeschäfte ver-
mietet worden, die sich gegenseitig zu einem Waren-
haus ergänzen. Die Einzelgeschäfte bilden aber nicht
eine Genossenschaft mit selbstgewählter Verwaltung, die
Zentralleitung liegt vielmehr in der Hand der vorer-
wähnten Gesellschaft, die auch alle Nebenfunktionen,
Hausverwaltung, Expedition, Reklame usw. verantwort-
lich auszuüben hat. Der Abteilungsmieter braucht sich

also nur um Einkaut und Verkaut seiner Waren zu
kümmern. Die Organisation hat zur Folge, daß die Viel-
köpfigkeit des Betriebes nach außen kaum bemerkbar wird.

Das Passage-Kaufhaus hat nicht bloß den Vorteil,
vier wirksame Fronten zu besitzen, wenngleich diese
Vervierfachung der Zahl der Schaufenster nicht zu unter-
schätzen ist. Außerdem ist der Durchgang, der natür-
lich auf beiden Seiten Auslagen aufweist, so langgestreckt,
wie selten eine Fassade. Wichtiger ist, daß die Passage
an sich eine große Anziehungskraft ausübt. Als be-
queme, ungefährdete Verbindung wird sie natürlich von
jedermann gern benützt. Und die Auslagen können
da auch mit Ruhe und Muße betrachtet werden. Für
die oberen Geschosse ersetzt die weite, glasgedeckte
Passage den Lichthof vollkommen; die Räume erhalten
fast soviel Licht wie die an der Fassade.

Diese augenfälligen Vorzüge des Projekts für die
Praxis führten indessen zu schwerwiegenden Konflikten
mit den Vorschriften der Berliner Baupolizei und es
hat langer Verhandlungen und des einmütigen Zusammen-
wirkens aller in Frage kommenden Behörden bedurft,
um die Schwierigkeiten, die sich der Ausführung des
Projektes polizeilicherseits entgegenstellten, aus dem Wege
zu räumen. Für das Berliner Bauwesen wurde damit ein
wertvoller Präccdenzfall geschaffen. Die große Annehm-
lichkeit der direkten Verbindung zwischen Oranienburger-
und Friedrich-Straße (beide sehr belebt) und die Ent-
 
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