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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Widmer, Karl: Über den gedeckten Tisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0268

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250

INN EN-DEKORATION

ENTW. U. AUSFÜHRUNG: J. KELLER—ZÜRICH.

>HALL« MIT BILLARD. MERCHANTS-CLUB—ST. GALLEN.

ÜBER DEN GEDECKTEN TISCH.

LTnsere Eßtische sind durchschnittlich viel zu schmal.
J In England und in Frankreich messen sie bis zu
anderthalb Meter und darüber; bei uns gilt ein Meter
schon für eine normale Breite. Das erschwert natürlich
das Arrangieren um so mehr, wenn auch noch der Platz-
mangel dazu zwingt, die Gäste eng zu setzen. Aus dem-
selben Grunde soll man auch nicht zu viel Tischgerät aufs
Mahl aufsetzen. — Für die Eleganz der Tafel soll in erster
Linie die Qualität des Gebrauchsgeräts und nicht der deko-
rative Aufputz entscheidend sein. Auf eine Dekoration des
Tisches wird man jedoch um so weniger verzichten wollen,
je festlicher die Veranlassung ist. Hier gebührt natürlich
der Blume ihr Vorrecht als uralter, bei allen Kultur-
völkern unentbehrlicher Schmuck des festlichen Mahls.
Sache des guten Geschmacks ist es, auch hier das
rechte Maß zu finden. Der Eßtisch soll immer Eßtisch
bleiben und sich nicht in einen Blumentisch verwandeln.
Was von der Blume gesagt ist, gilt von jeder andern
Art von Tafelaufsatz, den Früchten, den Bonbon-Schalen
usw.: sie sollen den Tisch nicht überlasten und vor
allem nicht durch die Höhe den Blick versperren. Des-
halb sollen alle diese Dinge auch möglichst aus dem
Bereich der Hände und der Teller gerückt werden.

Wichtig ist sodann die Farbenfrage. Auf einem Eß-
tisch soll das Weiß als die Farbe der Reinlichkeit und
Appetitlichkeit vorherrschen. Das Weiß des Tischtuchs
soll nicht durch ein Farbengewirr übertönt werden.

Blumen wähle man deshalb möglichst von einer Farbe
und vermeide alles, bunte Gläser usw., was diesen vor-
herrschenden Haupteindruck überflüssigerweise stört.
Ist ein Tisch noch so schön gedeckt, so kann schließlich
vieles durch die Beleuchtung wieder verdorben werden.
Es ist verkehrt, den Raum so hell zu beleuchten, daß
der Blick in jedem Winkel des Zimmers herumirrt; das
Licht in einem Eßzimmer soll die Ruhe und Behaglichkeit
der Stimmung erhöhen, nicht stören: es muß deshalb
auf den Tisch konzentriert sein. Am stimmungsvollsten
ist es immer, wenn die Hauptbeleuchtung vom Tisch
selbst ausgeht: von Lampen oder Leuchtern, die auf
den Tisch gesetzt werden, und gedämpft durch kleine
Lampenschirme; echtes Wachslicht wird immer das Vor-
nehmste bleiben. "Stellt man elektrische Lämpchen auf,
so sollen die Leitungsdrähte unsichtbar von unten her-
aufgeführt sein, nicht sichtbar von der Decke herab
und durch sogenannte Medeolaranken und dergl. verziert.

So viel über die Festtafel. Der Kern dieser Grund-
sätze wird sich auch lür den alltäglichen Familientisch
aufrecht erhalten lassen — wie weit, das ergibt sich
von selbst aus den Ansprüchen, die eben der Einzelne
auch an den Luxus des täglichen Lebens stellen darf.
Je weniger aber hier im eigentlichen Sinn Aufwand ge-
trieben werden kann, desto mehr sollte gerade darum
auf den besten Schmuck jedes Eßtisches - - auf Sauber-
keit und Gediegenheit, gehalten werden. — karl widmer.
 
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