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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Koch, Alexander: Rückblick und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0011

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RÜCKBLICK UND AUSBLICK

ZUM BEOINN DES 27. UHRGANOES.

Unter denkbar ungünstigen Verhältnissen ist der eben beendete »Kriegsjahr-
gang« unserer Zeitschrift zustande gekommen. Deutschland und seine getreuen
Bundesbrüder stehen seit anderthalb Jahren unter dem ehernen Zwange eines mörde-
rischen Ringens mit nahezu allen anderen Militärmächten Europas. Es geht in dem
uns aufgedrungenen Kampfe um Sein oder Nichtsein der Völker.

Da bleibt naturgemäß wenig Sinn übrig für unsere Werke der Kunst und des
Kunstgewerbes, die doch niemals gedeihen können, wenn sie nicht im Mittelpunkt
der öffentlichen Pflege und des Volkswohlergehen stehen. Hinzukommt, daß einer
nach dem anderen von unseren Mitarbeitern, von unseren Lesern zu den Waffen ge-
rufen wurde. Ist es da nicht geradezu ein Wunder, daß eine Zeitschrift, die aus-
schließlich den vom Kriege am stärksten betroffenen Kreisen dient, bestehen und ohne
Wertminderung, regelmäßig und noch sogar in steigendem Umfange
erscheinen kann? Meinen ausharrenden Lesern kann ich für diese in schwerster
Zeit bewiesene Treue nicht warm genug danken! Gerne übernahm ich unter solchen
Umständen die nicht geringen Opfer, die hier den Kulturgütern unseres Volkes gebracht
werden mußten. Niemand von uns hätte wohl je gedacht, daß wir einen Krieg von
solcher Ausdehnung und Heftigkeit und von solcher Länge ertragen würden und
könnten! Selbst die häuslichen Schwierigkeiten wären uns unüberwindlich erschienen,
hätten wir ihr riesenhaftes Anwachsen vorher geahnt. Aber der Kampf hat uns ge-
stählt und mit der Schwere des Ringens unsere Kräfte wachsen lassen. - Auch wir
wollen durchhalten! Wer jet$t den feldgrauen Rock angezogen hat und nach dem
Friedensschluß in sein unversehrtes Heim, in die gewohnten Verhältnisse zurückkehrt,
und an seinem Pult, in seiner Fabrik oder Werkstatt die Arbeit fortsetzt, der soll dann
auch seine Zeitschrift ungeschmälert wieder vorfinden, die ihm in all den lahren die
besten Werke der Wohnungskunst getreulich vorgeführt hat, und ihm dadurch zur
vertrauten Helferin und Freundin geworden ist!

Nicht minder große Aufgaben stehen uns für die kommende Friedenszeit bevor!
Die veränderten Verhältnisse stellen ungeheure Forderungen an das Kunstgewerbe.
Es kommt hinzu, daß wir nach dem Kriege manches mit anderem Auge ansehen
werden; nicht nur die aus dem Felde zurückgekehrten Krieger haben den anderen Blick
gewonnen, auch wir zuhause sind andere Menschen geworden. Diese innere Läuterung
und Festigung muß so oder so auch in unserem Kunstgewerbe, in der Kultur des
Hauses — mag sie nun einfach oder reicher sein — zum Ausdruck kommen. Wen
monatelanger Dienst im Schützengraben abgehärtet hat, der ist darum keineswegs
kulturloser geworden. Mit geschärften Sinnen tritt er der ihm nun neu erstandenen
Welt gegenüber, und es gibt niemand, der auch für die geringste Schönheit, zuhause
oder in der Kunst, dankbarer wäre. Aber, wer aus der Nähe des Todes kommt,
bringt auch einen äußerst empfindlichen Widerwillen mit gegen alles Unechte und
Schwache. Manche faule Kulturblüte wird dann welken müssen.
 
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