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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Mittenzwey, Kuno: Von der Räumigkeit der Farben
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0177

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INNEN-DEKORATION 151

ARCHITEKT FERDINAND GÖTZ —MÜNCHEN »TISCH AUS VORSTEHENDEM PRIVATKONTOR«

VON DER RÄUMIGKEIT DER FARBEN

Die Welt aller sichtbaren Dinge ist aus Farben ge- fast erheblicher erscheint als der Unterschied der ver-
webt, und alle Gegenstände, die zu unseren Augen schiedenen Farben. Wie groß ist nicht der Bewegungs-
sprechen, sprechen irgendwie durch Farben zu uns. Man Spielraum vom lautesten Zinnober bis zum sonoren Rot
sollte darum füglich erwarten, daß nichts so wohl er- alter Brokate. Angesichts solcher Unterschiede muß man
forscht wäre als wie die Wirkung der Farben. Sieht man fast daran verzweifeln, etwas über »das Rot« aussagen
näher zu, so bemerkt man, daß das Gegenteil der Fall zu wollen, und dabei ist Rot wahrscheinlich noch die
ist. Die physikalischen Eigenschaften der Farben sind geschlossenste Farbe. Es kommt dazu, daß in jeder
allerdings gut bekannt. Was aber die psychischen Eigen- Farbe die Stofflichkeit ihres Materials irgendwie mitent-
schaften der Farben betrifft, so liegt außer dem Abschnitt halten ist. Dasselbe Rot, das in einem Damast würdig
über »die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben« in und tief wirkt, wirkt auf einen Kattun gedruckt, sofort
Goethes Farbenlehre und einigen ausgezeichneten Be- flach und ordinär. Der ganze farbige Reiz der alten japa-
merkungen in Kandinskys Buch über »das Geistige in der nischen Holzschnitte ist dahin, wenn dieselben Schnitte
Kunst« fast nichts vor. So ist der Allgemeinbesitz un- mit modernen Farben nachgedruckt werden usw.
seres Wissens über die psychischen Eigenschaften der Angesichts solcher Schwierigkeiten (die mit den ge-
Farben heute noch ungefähr auf die alte und so frag- nannten nicht erschöpft sind) mag es scheinen, als ob
würdige Unterscheidung der warmen und kalten Farben man wohl endgültig darauf verzichten müsse, über die
beschränkt. — Farben jemals zu allgemeinen erkenntnismäßigen Fest-
Dieser merkwürdige Zustand hat natürlich seine Stellungen zu gelangen. Jede Farbe, jeder Farbenklang
Gründe. Der erste ist, daß sich überhaupt schwer mit sei eben eine Welt für sich und müsse in ihrer Einmalig-
Begriffen etwas über Farben ausmachen läßt, weil näm- keit von uns aufgenommen und empfunden werden,
lieh für die psychische Wirkung der Farben der Unter- Und doch sind wir überzeugt, daß hier objektive Ge-
schied der verschiedenen Nuancen innerhalb einer Farbe setzlichkeiten zu gründe liegen. Der Künstler, der Farben

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