Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

DOI Artikel:
Jaumann, Anton: Die dekorative Ausstattung unserer Wohnräume
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0267

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXVII. JAHRGANG.

DARMSTADT

1ULI-AUGUST 1916.

DIE DEKORATIVE AUSSTATTUNG UNSERER WOHNRÄUME

VON A. JAUMANN-BERLIN

I. DAS DEKORATIONS-GEWERBE ALS BERUF.

Eine undankbare Aufgabe steht mir bevor. Ich
will hier eine Lanze brechen für einen Beruf,
auf den zu schelten noch immer zum guten Ton
zu gehören scheint. Architekten, Schriftsteller,
alle Reformer, die sich um die Erneuerung unserer
Einrichtungskunst bemühten, hatten die Gepflogen-
heit, die Hauptlast der Schuld an dem tiefen
Geschmacksverfall, den das deutsche Heim in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlitt,
dem Dekorateur zuzuschieben. Er soll ver-
antwortlich sein für die Sucht nach hohlem Prunk,
für das Imitationswesen, für die muffigen Räume,
für die Staubfänger, für die künstlichen Palmen
und Makartbukette, die japanischen Schirme, die
verhängten Fenster und Türen, für die bronzierten
Gipsbüsten und Stuckornamente, für all das Über-
ladene, Eitle, Gefälschte, Verschnörkelte, Miß-
verstandene, für all die Scheußlichkeiten, die nun
hoffentlich mit dauerndem Erfolg bekämpft und
verjagt worden sind. Es ist soweit gekommen,
daß der Ausdruck »Dekorateurgeschmack« zum
Schimpfwort geworden ist. Man hat einen einst
geachteten Stand in Verruf erklärt, das Recht
der Initiative, der Selbstbestimmung ist ihm ge-

nommen worden, er ist zum Handlanger herab-
gedrückt und muß froh sein, wenn ihn Architekt,
Kunstgewerbler, Möbelhändler und Hausfrau zu
untergeordneten Diensten heranziehen. —

Das ist umsomehr zu bedauern, als bisher dem
Dekorationsgewerbe die geschicktesten Hand-
werker anzugehören pflegten, die eine Unmenge
von praktischen Künsten beherrschten. Was muß
der Dekorateur nicht alles verstehen! Er schrei-
nert und nagelt, er streicht, er ist ein Virtuose
im Nähen, er klebt die Tapeten, macht die Mar-
kisen, er legt Linoleum und Teppiche, fertigt die
Vorhänge, er polstert die Stühle und bespannt
die Wände; was ferner Theater- und Festdeko-
rationen fordern an technischem Können, ist ganz
ungeheuer. Und dazu kommt nun noch die so-
viel Geschmack und Geschick heischende Ar-
beit des Einrichtens, der Aufstellung der Möbel,
der Pflege und Verteilung der Kunstwerke, der
Pflanzen, Käfige, Musikinstrumente. Dieser eine
Beruf vereinigt reichlich zehn Gewerbe in sich,
er verlangt eine Universalbegabung. Solche
vielseitig geschickten Menschen haben wir immer
gehabt, sie haben sich dem Dekorationsgewerbe
mit Vorliebe zugewandt. Die jetzige Mißachtung

1*16. V1I./VIII. 1
 
Annotationen