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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Lübbecke, Fried: Gegen die masslose Reklame
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0468

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432

INNEN-DEKORATION

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ARCHITEKT EDUARD PFEIFFER-BERLIN »EMPFANGSRAUM« VON A. PÖSSENBACHER

GEGEN DIE MASSLOSE REKLAME

Zwei deutsche Herren, aus Berlin der eine, unterhalten mag zum Eisenbahnfenster hinausschauen — überall drängt
sich in einem Schweizer Kurort über den Krieg. sich das Arbeitsangebot in aufdringlicher, quälender Form
»Was wird der Unterschied zwischen der Zeit vor dem in Tausenden von Aufschriften, Reklamen jeder Art
Kriege und nach ihm sein?« »Sehr einfach,« meinte der entgegen. Firmen mit wenigen Ladenfenstern schreien
Berliner, »vor dem Kriege ham wa von achte bis siebene uns zwanzig- bis dreißigmal ihren Namen entgegen, der
jearbeetet, nach dem Krieg wem wa von siebene bis kleinste Budiker bekommt zwei bis drei Riesenschilder
achte arbeeten.« So Stands in einer großen deutschen seiner Brauerei ans Haus fest verschraubt, über Säulen,
Zeitung, der es viele deutsche und auch ausländische nach- Balkone, übers Dach, selbst in die Nacht hinein, klettern
druckten. Ich wurde dabei an ein Wort eines ehemaligen die Reklameaufschriften, vor jedem Kino, je kleiner es
Studiengenossenerinnert.deresinzwischenbiszumAttache ist, desto größer drängen sich die Plakattafeln mit den
einer uns heute feindlichen Macht gebracht hat. »Mit schauerlichsten Hintertreppen-Darstellungen, an die La-
vielen Titeln, aber wenig Mitteln«, wie er mir noch kurz denwände, bis an die Vorgartengitter krallen sich die bun-
vor dem Ausbruch des Krieges aus Belgrad schrieb, ten Emailleschilder der großen Konsumfabriken (Schoko-
Er liebte Deutschland fast mehr als seine Heimat. Auf lade, Seife, Zigaretten, Suppenwürzen, Waschmittel usw.).
einer Fahrt durch das westfälische Kohlenrevier meinte Schon nach einer halbstündigen Großstadtwanderung ist
er traurig: »Wie schön war auch einst dieses deutsche das Auge wie betäubt. Die Industrie arbeitet mehr und
Herzogtum mit seinen großen Höfen und seiner stillen mehr nach dem Rezepte des vor kurzem gestorbenen Odol-
Kleininduslrie.« Ich versuchte philosophisch diese äußere Lingners: Die Reklame muß derartig ein Schlagwort in
Wandlung mit den Gesetzen des Fortschrittes der mensch- das Gehirn des Publikums hineinhämmern, daß es wie
liehen Gesellschaft und des in der Arbeit ruhenden Segens unter einer Suggestion nur noch auf diesen einen Artikel
zu verteidigen. »Ja,« meinte er bitter, »Ihr Deutschen sich besinnen kann. Hat aber wirklich die Allgemeinheit
werdet noch solange arbeiten, bis alle anderen über Euch an den Fabriken eines Herrn ein solches Interesse, daß
wie über den Streber in der Schulklasse herfallen werden.« es von ihnen bis zum letzten Trunk vorm Schlafengehen
Das war im Sommer des Jahres 1906. Ich hatte bald im Hotel aus dem »Odolglase« Kenntnis nehmen muß?
das Wort vergessen. Jetzt werden manche, die gewiß Gehört nicht die Stadt mit ihren Straßen der Allgemein-
nicht zu den schlechtesten Patrioten gehören, angesichts heit, in denen leider schon der größte Teil unseres Volkes
der uns umgebenden Kette von Haß und Mißgunst mit sein Leben hinbringen muß! Versuchte bisher der Hei-
ähnlicher Erkenntnis auf unsere Art, zu arbeiten, geblickt matsschutz, der Kunstfreund auch nur die schlimmsten
haben. Man braucht nur durch die Straßen unserer großen, Auswüchse zu beschneiden, so durften sie mit Gewißheit
ja auch kleineren und kleinsten Städte zu gehen, man die lächelnd vorgetragene Antwort hören: »Ihre Bestre-
 
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