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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Müller-Wulckow, Walter: Villenbauten des Architekten Ludwig Bernoully
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0339

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XXVII. JAHRGANG.

DARMSTADT

SEPTEMBER 1916.

VILLENBAUTEN DES ARCHITEKTEN LUDWIG BERNOULLY

VON DR. W. MÜLLER-WULKOW

Bei der Pendelbewegung zwischen Gegensätzen,
in der sich der geschmackliche Wandel zu
vollziehen scheint, ist neuerdings ein Gegensatz-
paar am deutlichsten in Erscheinung getreten.
Auch den Laien, die in das Wesen der Erschei-
nungen einzudringen sich nicht die Mühe nahmen,
war vor nun zehn Jahren auf der Dresdener Aus-
stellung die Schlichtheit, die Schmucklosigkeit
der neuen Werke aufgefallen. So wenig damit
gesagt war von dem, was an Zweckmäßigkeit,
Materialgemäßheit und schließlich auch schon
Formschönheit des Ganzen erreicht war, so kenn-
zeichnet dies landläufige Urteil gerade am deut-
lichsten das entgegenstehende Extrem, von dem
die Pendelbewegung hergekommen war, die
Überladenheit der Gründerzeit. Diese bekam
damals den diametralen Gegensatz entgegenge-
stellt, und dabei spürte die zähe, am gestrigen
klebende Menge, daß sie hier dem Pendelschwung
nicht nur träge nachzuströmen habe, sondern daß
sie eine Umformung im Innern durchmachen müsse,
wollte sie nicht durch Ablegen des äußerlichen
Schmuckreichtums einfach nackt und nüchtern
dastehen. Gegen die psychische Disziplinierung,
die eben doch das Wesen der modernen Kunst

ausmacht, sträubten sich die geistig Armen, und
viele bequemten sich nur scheinbar, nur im Äußer-
lichen diesem Zug zur Natürlichkeit an. Es gibt,
darüber darf man keine Illusionen hegen, eine
ebenso schlimme Lüge der Schlichtheit, hinter
der sich Schwulst und Verworrenheit zu ver-
bergen sucht, wie es die genugsam beschrieene
Lügenhaftigkeit der Prunksucht war, die umge-
kehrt eine Fülle vortäuschen wollte, wo wenig
dahinter stand. Die Reaktion nun aber, die grund-
sätzlich jegliche Schlichtheit ablehnte, hat unter-
dessen das Pendel längst wieder in die kaum ver-
lassene Bahn zurückgelenkt, und schon bei der
Werkbund-Ausstellung war es offenbar, wohin das
Kunstgewerbe aufs neue treibe. Nicht als ob eine
Schmuckbereicherung, auf die gerade die kraft-
vollsten Künstler wie Obrist, Pankok und Billing
nie hatten verzichten brauchen, nicht durchaus
folgerichtig im Gang der Entwicklung gelegen
wäre, nein, wir waren drauf und dran, wieder
aufgeklebten Schmuck und Farbenfülle zu be-
kommen ohne innere Gestalt und Harmonie.

Unter den Folgen des Krieges scheint nun
eine endgültige Spaltung einzutreten. Ohne ver-
mittelnde Übergänge schwingt sich ein noch nie-

1916. IX. 1.
 
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