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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Vogdt, Adolf: Von der Ausdruckskultur
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Schwindt, Adolf Metus: Über Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0383

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INNEN-DEKORATION

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architekt ernst may —frankfurt a. m. »himmelbett« aus der wohnung des künstlers

VON DER AUSDRUCKSKULTUR

Das Tiefste werden wir stets nicht ausdrücken können.
In schmerzlichster Trauer, im höchsten Glück sagt
die Andeutung mehr als Worte, Gesten, Formen vermöch-
ten. Die Betonung des Ausdrucks führt nur zu einer
Deutlichkeit, die beleidigt, die eitel zur Schau trägt, was
zu heilig sein sollte, um damit zu prunken. Athena Lemnia
spricht zum innersten Menschen, die Niobiden kokettieren,
die Heroen Pergamons donnern ein lächerliches Bühnen-
pathos. Je mehr die Künstler bemüht waren, auf den
Ausdruck hinzuarbeiten, desto äußerlicher wurde ihre
Kunst. Geradezu verhängnisvoll wäre die Forcierung
des Ausdrucks in der Architektur. Auch das ist versucht
worden. Säulen, die sich ducken undaufschnellen, Rahmen,
die umkrallen, Wände, deren Masse hin- und herzuwogen
schien; wir kennen die Urnen, die ihren Deckel mit
saugenden, packenden, pressenden Polypenarmen fest-
hielten, — die Stühle, die mit athletischer Pose ihre beschei-
dene Arbeit vollführten. Ja, zur Pose wird unweigerlich
der Ausdruck, den wir absichtlich steigern und aufblasen.
Um noch einmal die Griechen heranzuziehen: In ihrer
besten Zeit haben sie als bisherige Höchstleistung der
Architektur die dorische Säule geschaffen; ein Mehr an
Kraftausdruck in Stein zu geben ist unmöglich. Aber
wie steinern, zurückhaltend, in Statik verhüllt ist dieser

Ausdruck geblieben, und wie ist er gerade dadurch in reinste
Architektur übergegangen! Sobald wir den Ausdruck
zum Prinzip erheben, werden flinke Hexenmeister bald
das Rezept auffinden, die chemische Formel darstellen,
nach der jeder unverfrorene Spekulant Kraft, Wehmut,
Heldentum, deutsche Sehnsucht, deutsche Traulichkeit
vorführen kann. Dann wird die Kunst zum Trick, und
der ahnungslose Laie ist der Geprellte, wenn er sich von
dem geschickt aufgemachten »Ausdruck« für einen Mo-
ment täuschen läßt. Nein, das kann nicht Beruf der Kunst

sein, mit »Effekten« zu handeln...... adolf vogdt.

*

UBER MÖBEL. Würde sich einer einen Diener halten,
der stets eine eigene Meinung haben, sich selbst in
den Vordergrund drängen will? — Und doch schafft
mancher sich solche Möbel an, die stets die Aufmerk-
samkeit zuerst und ständig auf sich ziehen.

#

Wir wollen nicht ständig von Theorien umgeben sein,
unser Schreibtisch soll nicht als holzgewordenes Dogma
unsere Gemütlichteit stören — wir wollen Stühle, in
denen man behaglich ausruhen kann nach des Tages
Mühen — die einem mit wohltuender Ruhe umgeben.
— Bei unserem eigenen Stuhl interessiert uns viel
weniger »seine persönliche Note«, als das viel Wich-
tigere: wie es sich darin sitzt........ a. m. schwindt.
 
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