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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Lux, Joseph August: Ein Haus, wie ich es mir wünsche, [2]
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Utitz, Emil: Eine Gefahr für unsere Kunst und unser Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0117

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INNEN-DEKORATION 91

ARCH. LUC1AN BERNHARD. ECKE AUS EINEM DAMENZIMMER. »DEWE-MÖBEL« DER DEUTSCHEN WERKST. - DRESDEN

herum, von der man in den Vorsaal hinuntersieht. Hier EINE GEFAHR FÜR UNSERE KUNST UND
oben sind die Schlafzimmer und Gastzimmer. Das Schlaf- UNSER KUNSTGEWERBE

zimmer der Herrschaft liegt über dem Gartensalon. Es (Schluß)

weicht etwas zurück, so daß ein Balkon für Luft- und 'TVJicht nur ein Velasquez oder Rembrandt sind klassisch
Sonnenbad oder auch für einen Frühstückstisch frei wird. J_\| zu nennen, sondern in weiterem Sinne auch ein Bie-
Die Kletterrosen, der Jungfernwein und der kleinblättrige dermeiertisch, eine Alt-Wiener Tasse, ein böhmisches Ru-
Efeu, die die Hauswände überspinnen, ranken bis übers binglas, ein alter englischer Stich usw. Das sind alles
Gitter und die Rosen hängen zur Zeit in dichten Büscheln. feste Werte, deren Kaufpreis zwar erheblichen Schwan-
Hier ist es schön zu sitzen in der Frühe und über die kungen unterliegt, deren sachliche Bedeutung jedoch
klingenden Linien der Wald- und Rebenhöhen hinüber- aiiem Streit entrückt ist. Töricht, ja unverständlich wäre
zusehen, wo der Strom blau aufblitzt. es, irgendeinem die Vorliebe für die Klassiker verübeln
Ein solches Haus wünsche ich mir — ob ich es je zu wollen; aber die Literaturgeschichte endet nicht mit
haben werde? Ja, wissen Sie nicht, daß ich es längst »Goethes Tod«. Und dafür, daß sie nicht endet, müssen
bewohne, daß ich es mit mir trage, wie die Schnecke ihr wir sorgen. Natürlich kann nicht jeder »dichten«, aber
Haus, allerdings unsichtbar, daß ich in Gedanken darin jeder kann »Dichtung« unterstützen. Da ihm dabei die
herumspaziere und seine köstlichen Besonderheiten ge- Auswahl freisteht, nimmt er mittelbar auch Einfluß auf
nieße und die neuen, die ich immer wieder darin entdecke? den Gang der Entwicklung. Vielleicht mag man darüber
Oh, man wird nie fertig mit einem solchen Wunderbau, streiten, ob Dichtung oder Malerei im Verborgenen
das ist das Schöne daran, das Glück, ein Stück träum- »blühen« können ohne größere Anteilnahme des Pu-
schöner Sehnsucht. Aber Gedanken sind Kraft und blikums, obzwar ich meine, daß dieses Aschenbrödel-
werden Holz und Stein und Haus und Garten. Denket dasein immer seine schweren Schäden zeitigt, aber ganz
sie und die Schönheit wird um Euch sein! jos.aug. lux. gewiß bedürfen Architektur und Kunstgewerbe weit-
rem die Natur ihr offenbares Geheimnis zu enthüllen gehendster Förderung seitens des Publikums, und ein Stil
anfängt, der empfindet eine unwiderstehliche Sehn- ist ohne das geschlossene Wollen bedeutender Volks-
sucht nach ihrer würdigsten Auslegerin, der Kunst. Goethe, kreise überhaupt nicht möglich. Das sind Selbstverständ-

W

1910. ii. 4.
 
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