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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Mittenzwey, Kuno: Die Lehren des Hurrakitsches, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0424

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396 INN EN-DEKORATION

BLUMENGARTCHEN DR. TH. REINHART IN MAUR AM GREIFENSEE. »SCHATTIGER SITZPLATZ« ENTW: G. AMMANN, AUSF: FROEBELS ERBEN

DIE LEHREN DES HURRAKITSCHES

In den ersten Kriegsmonaten traf man überall auf
Zeitungsaufsätze mit Überschriften wie »Der Krieg
und die Kunst« oder dergleichen, darinnen mehr oder
minder pathetische Betrachtungen angestellt wurden, wie
von der großen Welle der Kriegsbegeisterung recht viele
befruchtende Gewässer auf die stillen Gefilde der Kunst
übergeleitet werden könnten. Angesichts der großen
Ungewißheit des Krieges waren solche Betrachtungen,
die vornehmlich aus einem Bedürfnis geistiger Selbst-
behauptung entsprungen waren, sicherlich berechtigt.
Je mehr sich der Krieg aus etwas unbekanntem Kommen-
den zu etwas nur zu bekanntem Gegenwärtigen aus-
gewachsen hat, ist es mit solchen programmatischen
Verkündigungen stiller geworden. Wir wissen jetzt, daß
der Schützengraben nicht der Ort ist, wo neue Formen
gefunden werden. Was an Leistungen der Kriegsmaler
usw. bekannt geworden ist, erhebt sich nicht über das
Niveau darstellender Journalistik. Dabei erlebt man
immer wieder die Bestätigung, daß dieser Krieg merk-
würdig unbildhaft ist. Das Wort von der »Leere des
Schlachtfeldes« ist gewissermaßen bezeichnend für das
gesamte Schauspiel des Krieges. Das, was diesem Kriege
sein individuelles Gesicht gibt, sind Dinge der Massen-
entfaltung, der Organisation, Dinge, die sich nur abstrakt
vorstellen lassen. Aber das Phänomen, daß dieser Krieg,

so sehr er uns ergreift, künstlerisch doch merkwürdig
ertraglos ist, beschränkt sich nicht auf das bildnerische
Ausdrucksgebiet. So ungeheuer viel Kriegslyrik produ-
ziert worden ist, so ist doch kein Gesang vernommen
worden von der packenden Gewalt etwa auch nur der
»Wacht am Rhein« oder des »König Wilhelm saß ganz
heiter«. Von der dramatischen Dichtung ganz zu schweigen.
Alle diese Erscheinungen haben wieder ihre tieferen
Gründe, und man sollte über diese Dinge nicht schelten
und vorschnell auf eine Unfähigkeit unserer Künstler
zurückschließen, unserer Zeit ihren Ausdruck zu geben.
Ganz im Gegenteil spricht es in unseren Augen für
unsere Kunst, daß sie, nach einem Augenblick des Atem-
anhaltens, zu ihren früheren Aufgaben zurückgekehrt ist
und ihre Arbeit dort fortsetzt, wo sie vor dem Kriege
stand. Denn in der Kunst wird nichts geschenkt, und
jede Entwicklung muß Schritt für Schritt erarbeitet
werden. Wenn aus dem ungeheuren Erleben dieses
Krieges wirklich ein Gewinn für die Kunst abfällt, so
könnte er nur in einer veränderten Gesinnung, in einer
Veränderung der ganzen geistigen Atmosphäre bestehen.
Der Ausdruck einer solchen Veränderung könnte nur
nach und nach in die Erscheinung treten und müßte, wie
gesagt, Schritt für Schritt erarbeitet werden. Jedenfalls
hat er nichts zu tun mit einer journalistischen Auswertung
 
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