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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Engelhard, W.: Die Ausbildung der Dekorateure und die Kunstgewerbeschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0316

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288

INNEN-DEKORATION

DIE AUSBILDUNG DER DEKORATEURE UND DIE KUNSTGEWERBESCHULEN

Tm Dekorateurgewerbe kommt es im wesentlichen darauf
J. an, Verständnis für gute Grundtypen zu haben, um,
unterstützt durch guten Farben- und Formensinn, unab-
hängig von den vielfach unzweckmäßigen Entwürfen der
Fachzeitungen, geschmackvolle Arbeiten erdenken und
ausführen zu können. Diese Forderung wird nur von sehr
wenigen Dekorateuren erfüllt. Daß einzelne Persönlich-
keiten da sind, die sehr wohl obigen Forderungen gerecht
werden, das beweist nur, daß diese Herren durch per-
sönliche Intelligenz nach und nach vom einfachen Gehilfen
zum verantwortlichen Leiter großer Betriebe aufgerückt
sind. Jedem strebsamen Tapezierergehilfen ist ein solcher
autodidaktischer Werdegang aber nicht möglich, und
wenn er noch so gute Anlagen hat. Es muß neben her-
vorragender Tüchtigkeit und Energie auch etwas Glück
dabei sein. Wenn es schon nicht leicht ist, überhaupt in
einer Qualitätswerkstatt anzukommen, so ist es aber sicher
noch sehr viel schwieriger, ohne wesentliche Schulnach-
hilfe bildende Stellungen in solcher Reihenfolge einzu-
nehmen, daß die so erworbenen praktischen, künstlerischen
und kaufmännischen Kenntnisse und Fertigkeiten sich
gegenseitig derartig ergänzen, daß sie vereint mit guten
Umgangsformen und guter Allgemeinbildung die Grund-
lage für ein gedeihliches Fortkommen geben können.

Wo soll sich der Polsterer und Dekorateur, der die
Grundbedingungen zu einem erfolgreichen Studium, so-
weit es ihn betrifft, sehr wohl erfüllen würde, eine kunst-
gewerbliche Fachbildung aneignen? — Behördlicherseits
würde man wahrscheinlich auf unsere Kunstgewerbe-
schulen aufmerksam machen, ohne sich darüber klar zu
sein, daß hier ganz und gar nicht der rechte Nährboden

für das Polsterer- und Dekorateurgewerbe sein kann.
»Aber weshalb denn nicht? Gerade diese Institute för-
dern doch alle Kunsthandwerker.« Gewiß, bedingt trifft
das auch in unserem Falle zu. Der Polsterer und Deko-
rateur eignet sich wohl einige Zeichenfertigkeiten in den
Tischlerklassen, in die man ihn mangels einer eigenen
Fachklasse steckt, an. Dort lernt er auch einiges vom
Aufbau der Tischlermöbel. Doch in dieser Halbheit liegt
der Krebsschaden für das Tapeziererhandwerk. Weshalb?
Die jungen Leute, die in den Tischlerklassen Unterricht
nehmen, sind fast alle für ihr eigentliches Handwerk ver-
loren. Die Lehrer in diesen Fachklassen entstammen wohl
alle aus dem Tischler- oder Baugewerbe. Es fehlt die
fachliche Werkstattarbeit, die dem Schüler nötig ist, wenn
er für das Handwerk erhalten bleiben soll. Unseres leider
so früh verstorbenen Alfred Messels Worte »die Kraft
und der Nährboden der Kunst war und ist zu allen Zeiten
das Handwerk«, dürften auch in unserem Falle zutreffen.

Weshalb sind nun die oben erwähnten jungen Leute
für das Tapeziererhandwerk verloren? Die Antwort auf
diese Frage erhalten wir, wenn wir sehen, was diese
Herren beginnen, wenn sie die Kunstgewerbeschule ver-
lassen. Sind sie längere Zeit Schüler gewesen, dann
werden es wohl durchweg Zeichner; die, weil sie ihr
praktisch erlerntes Gewerbe nur erst wenig beherrschten,
in der eigentlichen Dekorateur- und Polstererarbeit eher
verflacht als gefördert worden sind. Der größte Prozent-
satz der Kunstgewerbeschüler aus dem Tapeziererhand-
werk ist aber nur 1—2 Halbjahre anwesend. Was mögen
diese jungen Leute wohl nachher anfangen? Einige kom-
men ohne wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten in die
 
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