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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Lux, Joseph August: Ein Haus, wie ich es mir wünsche, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0068

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42

INNEN-DEKORATION

EIN HAUS, WIE ICH ES MIR WÜNSCHE

Ein alter Herzenswunsch steht in meinen Träumen auf.
Ein Haus wünsche ich mir, das die Züge meiner
Heimat trägt. Dort schlingt der Wein seine Reben an
Hügeln empor, weiße Winzerhäuschen blicken auf die
Donau hin, die Rosen duften in den Gärten, Beethoven
und Schubert lauschten hier im Grünen der Stimme ihres
eigenen Genius und des Genius loci, und Grillparzer
prägte den Sinn in die Worte: »Wenn Du vom Kahlenberg
das Land Dir rings besehen, dann wirst Du was ich bin
und was ich schrieb verstehen.« Hier ist das ganze Herz
in einer Zeile. Ein klassischer Boden, der soviel Eigen-
gewächs getragen, sollte der nicht auch seinen Eigenbau
hervorgebracht haben? Freilich hat er das. Ich meine
nämlich ein Familienhaus, kein Miethaus; ein Landhaus,
wie es vor der Stadt, in ländlichen Gassen, inmitten von
Gärten, im Weingelände, oder ganz im Grünen entstanden
ist. Es trägt ererbte vornehme Züge, wie alles hier in der
Heimat, aber es ist darum nicht veraltet; nur vergessen
ist es und will wieder entdeckt sein. Ich aber habe das
Haus der Heimat nie vergessen gehabt, sein treues Ge-
sicht stellt sich ungerufen wie eine liebe Jugenderinnerung
immer wieder ein und dann ist eine neue Schönheit er-

wacht, die uns nie hätte verloren gehen dürfen. Von
dieser Schönheit laßt mich reden wie von einer Sehnsucht;
man wird verstehen, warum ich mir gerade ein solches
Haus wünsche und kein anderes.

Ich will erzählen, wie der Genius loci mir eine erste,
klare Vorstellung von meinem Hause gab. Das war in
jungen Jahren im Wiener Rathaus und zwar in jenem
Teil der städtischen Sammlungen, die die Gedächtnis-
zimmer des Dichters Franz Grillparzer enthalten. Dort
befindet sich unter vielen Möbeln, Porträts und Erinne-
rungen auch ein kleines Aquarell von bescheidenem Kunst-
wert und dennoch vom allerhöchsten Liebreiz. Fein
säuberlich gemalt in der Art der Brüder Alt, die sorg-
fältig tupft und nichts vergißt. Ein altwienerisches Gar-
tenzimmer. Die weißen Flügeltüren stehen offen und
lassen auf die fliesenbelegte Terrasse hinausblicken, von
der ein Paar bequeme Stufen in das Gartenparterre führen.
Die Sonne liegt in dem Zimmer und auf den Blumen, die
seitlich der Glastüren in den Zimmerecken auf staffei-
förmigen Gestellen stehen. Nichts als dieser Türblick
des Zimmers ist in dem Bildchen, soweit ich mich erinnere,
die weiche, duftige Stimmung eines Frühlingsmorgens,
 
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