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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Utitz, Emil: Eine Gefahr für unsere Kunst und unser Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0050

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INNEN-DEKORATION

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ARCHITEKT HEINRICH STRAUMER —BERLIN HAUS SCHOLTZ IM GRUNEWALD »HOFANSICHT«

Wir verfallen nicht in die Barbarei italienischer Futuristen, sunden Weiterentwickelung, deren Prinzip wir eben dar-
die am liebsten alle Museen zerstören würden, sondern gelegt haben. Ein Mißverständnis liegt aber vor, wenn
wir forschen in der Vergangenheit nach Ahnen der Gegen- das Publikum nun ganz auf das Alte schwört, weil schein-
wart. Uns erscheint nicht die Gegenwart als Feindin der bar die Künstler selbst zu diesem Alten zurückkehren.
Vergangenheit, vielmehr als ihr Erbe, der die gesammel- Die Künstler kehren ja in Wahrheit nicht zurück, son-
ten Schätze nun in seiner Weise verwertet und ver- dem sie gehen von dem Alten aus: es ist ihnen Ansatz-
größert. Dieser natürliche Tatbestand wird in Zeiten stelle, nicht Ziel. Und dieser Gesichtspunkt sollte auch
verdunkelt, wo ganz neue Tendenzen stürmisch um An- das Publikum leiten! unverwehrt seien alle antiquarischen
erkennung ringen; er hellt sich aber wieder auf, wenn Interessen, die der Kultur der Vergangenheit dienen, aber
diese neuen Tendenzen genügend Boden gewonnen haben, Hand in Hand muß mit ihnen das Bewußtsein gehen, daß
um nicht von der Last des Alten erdrückt zu werden. eine Verpflichtung besteht, die Kultur der Gegenwart zu
Und auf dieser Stufe scheinen wir jetzt zu stehen: die fördern. Banal ist es, darauf hinweisen zu müssen, daß
führende neue Kunst der Architektur und des Gewerbes alle lebenden Dichter verhungern müßten, wenn wir nur
kann ihre Kampfstellung aufgeben; die Schlacht ist ge- Klassiker kaufen wollten. Gewiß gehören sämtliche
schlagen und der Sieg errungen. Nun gilt die Arbeit der Klassiker in jede gute Bibliothek, aber an diesen eisernen
ruhig reifenden Weiterführung, und dabei gewinnt sie Bestand müssen nun die neueren und neuesten Dichter
Anschluß an die Vergangenheit. Darin liegt an sich keine angereiht werden. Vollständigkeit kann natürlich in gar
Gefahr, aber dieses Bestreben kann nun falsch ausgenützt keiner Weise verlangt werden, und so muß jeder eine
oder mißverstanden werden. Und da fruchten nur Auf- Auswahl treffen. An der Art dieser Auswahl erkennt
klärung und Kritik! Um eine falsche Ausnützung han- man nun den Grad seines Kunstverständnisses: stehen
delt es sich dort, wo Möbelfabrikanten ihre Zeichner da nur lauter Modelieblinge oder hat er selbständig seine
wieder sklavisch alte Vorlagen kopieren lassen, oder ein Entscheidung getroffen. Jede Bibliothek zeigt uns deut-
Porzellanunternehmen unter Verzicht auf alle neuen For- lieh, ob der Besitzer mit ihr lebt, oder ob sie für ihn eine
men lediglich die alten immer wieder erzeugt. Ganz ab- lediglich äußere, repräsentative Bedeutung hat. Was nun
gesehen davon, daß jede Technik allmählich erstarren von der Bibliothek gilt, das trifft auch für das gesamte
und absterben muß, die sich vor keine neuen Aufgaben Heim zu, mögen auch die Verhältnisse hier etwas kom-
gestellt sieht, bedeutet ein solches Vorgehen den abso- plizierter liegen. Den Klassikern entspricht da die alte,
luten Stillstand und eine völlige Verkennung jener ge- vornehme, wohl beglaubigte Kunst. (Schluß foi8t im nächnen Heft.)
 
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