INNEN-DEKORATION
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ENTWURF: ARCHITEKT GOTTFR. CZERMAK —BRÜNN. ACHTECKIGER KNÜPFTEPPICH. AUSFÜHRUNG: BRÜDER KLEIN —B1L1N
mehr Bewegungsfreiheit, so viel mehr Bildungsmöglich- DIE VORBILDUNG DES MÖBELZEICHNERS
keilen, zumal in großen Städten werden so viel Gelegen- _ - . ^ haben schätzungSweiSe jährlich etwa 500 Ab-
heilen zu unentgeltlicher Weiterbildung geboten, daß \\ solventen von Kunstgewerbe- und anderen Fach-
dieser Zustand allein schon glücklichste Entwicklung der schu]en jn Deutschland, die im Entwerfen von Möbeln
neuen deutschen Raumkunst gewahrleistet. ausgebildet sind. Dazu tritt noch eine Anzahl an tech-
Wenn die neue deutsche Wohnungskunst die Fürsten njschen Hochschulen ausgebildete Architekten. Je mehr
gewinnen soll, muß sie diesen besser dienen lernen als nun die Typisierung im Möbelbau fortschreitet, desto
bisher. Der Gelehrte, der Maler kann höchste Bedeutung weniger neue Entwürfe werden gebraucht. Der Bedarf
erlangen und doch ein ziemlich abgeschlossenes Leben nimmt ab, während die Zahl der Zeichner zunimmt. Ist
führen. Aber der Kunstgewerbler, der Erfolg in den es nicht hohe Zeit, dieser Wandlung Rechnung zu tragen?
höchsten Kreisen, also den maßgeblichsten, haben will, |7S werden unstreitig schon jetzt viel zu viel überflüssige
muß nach feiner, weltmännischer Bildung trachten, muß Möbelentwürfe geboren. Die Auslagen der Einrichtungs-
sich befähigen, in den Kreisen verkehren zu können, für geSchäfte gleichen sich mehr und mehr, auf Ausstellungen
die er schaffen will. sind die gleichen Schrank- und Stuhlformen dutzendfach
Das ist heute leichter als je — wenn der enge, ein- anzutreffen. Wozu diese Arbeitsverschwendung? Der
seitige Schulweg verlassen wird, der bisher — mit wenigen Nachwuchs auf den Schulen muß rechtzeitig darauf vor-
Ausnahmen — betreten wurde. Zuletzt empfehle ich bereitet werden, daß der Bedarf an Möbelentwürfen
jedem jungen Kunstgewerbler, sich in das Leben des immer mehr abnehmen wird, je mehr gute Typen sich
erfolgreichsten Kunstgewerblers der Zeit Louis XIV. zu herauskristallisieren. Raumdarstellungen (nicht »Innen-
vertiefen: Charles Lebrun. Durch Tüchtigkeit in seiner architekturen«) werden natürlich immer gebraucht, auch
Jugend erwarb er sich den Zutritt zu allen Schlössern — Entwürfe für Stoffe, Tapeten usw. Aber gerade in
erwarb er sich die unvergleichliche Fähigkeit, jene Schlös- Möbelentwürfen dürfte, wenn nicht vorgebaut wird, bald
ser im neuen Geschmack zu bauen und bis ins Kleinste eine Überproduktion eintreten. Den Zeichnern bleibt bald
auszugestalten, die Vorbild wurden für ganz Europa. Und nichts anderes übrig, als immer und immer wieder Va-
unsere neue deutsche Wohnungskunst muß Vorbild für rianten desselben Typus zu ersinnen. Wird sich die Mühe
ganz Europa werden. Das ist unser Ziel. e. w. bredt lohnen? Werden sie dafür Käufer finden? adolf vogt
Der Himmel hat seine Gaben unter die großen Künstler \Z unst ist etwas, was nie ein einzelner Mensch aus
der Erde so verteilet, daß wir durchaus genötigt wer- Ix. sich allein machen kann, was auch nie ein einzelner
den.voreinemjeglichenstillezustehen.undjeglichemseinen Mensch für sich allein gemacht hat; Kunst ist eine
Anteil unserer Verehrung zu opfern, g. w. wackenroder soziale Erscheinung............Friedrich Naumann
1916. III. 1
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ENTWURF: ARCHITEKT GOTTFR. CZERMAK —BRÜNN. ACHTECKIGER KNÜPFTEPPICH. AUSFÜHRUNG: BRÜDER KLEIN —B1L1N
mehr Bewegungsfreiheit, so viel mehr Bildungsmöglich- DIE VORBILDUNG DES MÖBELZEICHNERS
keilen, zumal in großen Städten werden so viel Gelegen- _ - . ^ haben schätzungSweiSe jährlich etwa 500 Ab-
heilen zu unentgeltlicher Weiterbildung geboten, daß \\ solventen von Kunstgewerbe- und anderen Fach-
dieser Zustand allein schon glücklichste Entwicklung der schu]en jn Deutschland, die im Entwerfen von Möbeln
neuen deutschen Raumkunst gewahrleistet. ausgebildet sind. Dazu tritt noch eine Anzahl an tech-
Wenn die neue deutsche Wohnungskunst die Fürsten njschen Hochschulen ausgebildete Architekten. Je mehr
gewinnen soll, muß sie diesen besser dienen lernen als nun die Typisierung im Möbelbau fortschreitet, desto
bisher. Der Gelehrte, der Maler kann höchste Bedeutung weniger neue Entwürfe werden gebraucht. Der Bedarf
erlangen und doch ein ziemlich abgeschlossenes Leben nimmt ab, während die Zahl der Zeichner zunimmt. Ist
führen. Aber der Kunstgewerbler, der Erfolg in den es nicht hohe Zeit, dieser Wandlung Rechnung zu tragen?
höchsten Kreisen, also den maßgeblichsten, haben will, |7S werden unstreitig schon jetzt viel zu viel überflüssige
muß nach feiner, weltmännischer Bildung trachten, muß Möbelentwürfe geboren. Die Auslagen der Einrichtungs-
sich befähigen, in den Kreisen verkehren zu können, für geSchäfte gleichen sich mehr und mehr, auf Ausstellungen
die er schaffen will. sind die gleichen Schrank- und Stuhlformen dutzendfach
Das ist heute leichter als je — wenn der enge, ein- anzutreffen. Wozu diese Arbeitsverschwendung? Der
seitige Schulweg verlassen wird, der bisher — mit wenigen Nachwuchs auf den Schulen muß rechtzeitig darauf vor-
Ausnahmen — betreten wurde. Zuletzt empfehle ich bereitet werden, daß der Bedarf an Möbelentwürfen
jedem jungen Kunstgewerbler, sich in das Leben des immer mehr abnehmen wird, je mehr gute Typen sich
erfolgreichsten Kunstgewerblers der Zeit Louis XIV. zu herauskristallisieren. Raumdarstellungen (nicht »Innen-
vertiefen: Charles Lebrun. Durch Tüchtigkeit in seiner architekturen«) werden natürlich immer gebraucht, auch
Jugend erwarb er sich den Zutritt zu allen Schlössern — Entwürfe für Stoffe, Tapeten usw. Aber gerade in
erwarb er sich die unvergleichliche Fähigkeit, jene Schlös- Möbelentwürfen dürfte, wenn nicht vorgebaut wird, bald
ser im neuen Geschmack zu bauen und bis ins Kleinste eine Überproduktion eintreten. Den Zeichnern bleibt bald
auszugestalten, die Vorbild wurden für ganz Europa. Und nichts anderes übrig, als immer und immer wieder Va-
unsere neue deutsche Wohnungskunst muß Vorbild für rianten desselben Typus zu ersinnen. Wird sich die Mühe
ganz Europa werden. Das ist unser Ziel. e. w. bredt lohnen? Werden sie dafür Käufer finden? adolf vogt
Der Himmel hat seine Gaben unter die großen Künstler \Z unst ist etwas, was nie ein einzelner Mensch aus
der Erde so verteilet, daß wir durchaus genötigt wer- Ix. sich allein machen kann, was auch nie ein einzelner
den.voreinemjeglichenstillezustehen.undjeglichemseinen Mensch für sich allein gemacht hat; Kunst ist eine
Anteil unserer Verehrung zu opfern, g. w. wackenroder soziale Erscheinung............Friedrich Naumann
1916. III. 1