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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Corwegh, Robert: Die individuelle und die typische Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0159

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INNEN-DEKORATION

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professor josef hoffmann —wien schreibschrank in dem wohn- und arbeitszimmer m.

zeit mit, er übernimmt aus dem englischen Einfamilien- jedes Möbelstück hatte für diese Lebensäußerung seine
haus die Diele usf. Auch die äußeren Formen dieser ausgesprochene Bestimmung und einen bestimmten Platz,
fremden Sitten läßt er sich überliefern. Es ist sehr be- Ein Typus umkleidete eine typische Lebensform. Auch
greiflich, daß er für eine nicht eingewurzelte Lebensweise wir besitzen trotz aller Künstlerproteste für Gebrauchs-
nicht gleich den passenden Rahmen finden kann. Das gegenstände des täglichen Lebens meist die typische
macht die meisten Dielen in unseren Häusern so unruhig. Form, die sich nur in Einzelheiten variieren läßt, und bei
Sie bilden in Deutschland noch immer ein Zwischending gewaltsamer Umformung in kurzer Zeit, nachdem die
zwischen Hausflur, Vorsaal und Wohnraum. Sehen wir Mode verflogen ist, wieder zum Typus zurückkehrt. Selbst
uns einmal die bei der Aussprache in der Werkbund- die geschmackvollen Koeppinggläser aus der Zeit des
tagung beteiligten Personen an, da redeten neben Deut- Jugendstils mögen wir nicht mehr. Wir lehnen sie als
sehen und Österreichern, deren Kultur aus einer Ver- unpraktisch, zu leicht zerbrechlich ab.
Schmelzung slavischer und deutscher Elemente erst ganz Darum kann in unsere Wohnung der Typus nur in
im Beginn des Werdens steht, der Belgier van de Velde, den Gebrauchsgegenständen schon jetzt Einzug halten,
der Ungar Jözsef Vägö. Und sie alle sprachen in ehr- Solange alle unsere Lebensäußerungen und unsere Ge-
licher Überzeugung für »deutsche« Form. selligkeit individuell eingestellt ist, solange müssen für
Wir werden in Deutschland, so lange es noch im die besonderen Bedürfnisse des Einzelnen besondere
Aufwärtsschreiten ist — (und das wird hoffentlich noch Räume und Möbel geschaffen werden. Nur der Prole-
lange dauern) ■— keine einheitliche Form der Lebens- tarier in Deutschland, dessen Leben mit dem Verlassen
führung finden, weil dem Strebenden Arbeit Leben heißt, der Arbeitsstätte erst beginnt, hat als Stand die gleiche
und weil die Arbeit in ihrer Wirkung schon ihre Form Lebensauffassung. Für Kleinbürgerwohnungen und Möbel
sich schafft, also nicht der künstlerischen Hülle bedarf gibt es daher schon, so lange ich denken kann, in Deutsch-
wie die gesellige Muße. Ausgesprochene Stile, z. B. der land den Typus, der freilich auf einer recht tiefen Stufe
Louis seize, verbinden gleich dem Wort »Kunstgewerbe« stand. Hier veredelnd einzugreifen, das ist die erste Auf-
Typus und Individualität in sich. Jedem Stück dieser gäbe eines Bundes, der die Qualität heben will. Allein wer
Zeit merkt man seine Entstehung an, aber jeder Meister hier helfen will, muß die Bedürfnisse kennen, muß dem
gab dem Stil bestimmte Modulation, wie Künstlerhände Milieu des kleinen Mannes entwachsen sein, darum werden
auf gleichem Instrument so verschieden zu spielen wissen, nie Künstler diesen Typus veredeln, sondern Handwerks-
Dem Louis seize lag auch eine vom Hofe ihr Vorbild meister, in denen eine Künstlerseele schlummert, wie zu
nehmende Lebenshaltung zu gründe. Jeder Raum und den Zeiten der Meistersänger. dr. robert corwegh.
 
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