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Zu den Möbeln von Architekt Ernst May
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0384
ZU DEN MÖBELN VON ARCHITEKT ERNST MAY
Möbel sollten auf den ersten Blick erkennen lassen, blümter Seide überzogener Stuhl wird uns auch ohne
welchen Zwecken sie dienen, nur dann ist ihre Be- daß wir ihn vor Augen sehen, als ausgesprochenes Damen-
stimmung erfüllt, ihre Form und ihr Material gerecht- möbel erscheinen, ein lederüberzogener, massiver Eichen-
fertigt. Der Zweck allein bestimmt jedoch den Charakter stuhl als männlich anmuten. Möbelstücke, die der gemein-
eines Möbels insofern noch nicht letzten Endes, als die samen Benutzung beider Geschlechter dienen, z. B. alle
Wohnbedürfnisse verschiedener Klassen verschiedenartig Wohn- und Speisezimmermöbel werden anderseits keine
sind. Das Wohnzimmer eines kleinen Bürgers wird einen Geschlechtsmerkmale bevorzugen dürfen,
wesentlich anderen Charakter haben als zum Beispiel Die letzten Jahrzehnte unserer Kunstentwicklung gaben
der Wohnraum eines gutsituierten Fabrikanten. uns Schritt für Schritt wieder die Erkenntnis des Wertes
So müßte also die Aufgabe für einen Möbelarchitekten der Materialechtheit, sowie stoffgerechter Materialbe-
nicht nur darin liegen, die Art ihrer Benutzung zu cha- handlung; was sie uns aber noch nicht endgültig wieder-
rakterisieren, sondern zum mindesten zugleich auch zum brachten, waren die feinen Differenzierungen über die
Ausdruck bringen, ob es sich um ländliche, bürgerliche Zweckbestimmung der Möbel. Weder die besonderen
oder Luxusmöbel handelt. Auch das Geschlecht der Eigenarten bestimmter Klassen, noch die Unterscheidung
Möbel sollte ohne weiteres zu erkennen sein, denn es zwischen eleganten Frauenmöbel einerseits und kraft-
liegt auf der Hand, daß man wohl mit Berechtigung von vollen schweren Herrenmöbel anderseits wurde genügend
einem solchen reden kann, da je nach Farbe und Form- hervorgehoben. Man hatte sich allmählich an eine mehr
gebung ein Möbelstück männlich oder weiblich erscheinen neutrale, im allgemeinen weiche Formengebung gewöhnt,
kann. Ein weiß lackierter, schlankfüßiger, mit hellge- die geeignet war, allen vorerwähnten Kategorien zu dienen,
ARCHITEKT
ERNST MAY
FRANKFURT
BÜCHERSCHRANK MIT SCHNITZEREI FÜR EIN WOHN- u. MUSIKZIMMER. POLIERTES NUSSBAUMWURZELHOLZ
Möbel sollten auf den ersten Blick erkennen lassen, blümter Seide überzogener Stuhl wird uns auch ohne
welchen Zwecken sie dienen, nur dann ist ihre Be- daß wir ihn vor Augen sehen, als ausgesprochenes Damen-
stimmung erfüllt, ihre Form und ihr Material gerecht- möbel erscheinen, ein lederüberzogener, massiver Eichen-
fertigt. Der Zweck allein bestimmt jedoch den Charakter stuhl als männlich anmuten. Möbelstücke, die der gemein-
eines Möbels insofern noch nicht letzten Endes, als die samen Benutzung beider Geschlechter dienen, z. B. alle
Wohnbedürfnisse verschiedener Klassen verschiedenartig Wohn- und Speisezimmermöbel werden anderseits keine
sind. Das Wohnzimmer eines kleinen Bürgers wird einen Geschlechtsmerkmale bevorzugen dürfen,
wesentlich anderen Charakter haben als zum Beispiel Die letzten Jahrzehnte unserer Kunstentwicklung gaben
der Wohnraum eines gutsituierten Fabrikanten. uns Schritt für Schritt wieder die Erkenntnis des Wertes
So müßte also die Aufgabe für einen Möbelarchitekten der Materialechtheit, sowie stoffgerechter Materialbe-
nicht nur darin liegen, die Art ihrer Benutzung zu cha- handlung; was sie uns aber noch nicht endgültig wieder-
rakterisieren, sondern zum mindesten zugleich auch zum brachten, waren die feinen Differenzierungen über die
Ausdruck bringen, ob es sich um ländliche, bürgerliche Zweckbestimmung der Möbel. Weder die besonderen
oder Luxusmöbel handelt. Auch das Geschlecht der Eigenarten bestimmter Klassen, noch die Unterscheidung
Möbel sollte ohne weiteres zu erkennen sein, denn es zwischen eleganten Frauenmöbel einerseits und kraft-
liegt auf der Hand, daß man wohl mit Berechtigung von vollen schweren Herrenmöbel anderseits wurde genügend
einem solchen reden kann, da je nach Farbe und Form- hervorgehoben. Man hatte sich allmählich an eine mehr
gebung ein Möbelstück männlich oder weiblich erscheinen neutrale, im allgemeinen weiche Formengebung gewöhnt,
kann. Ein weiß lackierter, schlankfüßiger, mit hellge- die geeignet war, allen vorerwähnten Kategorien zu dienen,
ARCHITEKT
ERNST MAY
FRANKFURT
BÜCHERSCHRANK MIT SCHNITZEREI FÜR EIN WOHN- u. MUSIKZIMMER. POLIERTES NUSSBAUMWURZELHOLZ