Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0108
DOI Artikel:
Ruppel, Karl Heinrich: Kultur und Geschmack: Kultur ist eine verpflichtende Lebensform
DOI Artikel:Ebner-Eschenbach, Marie von: Nachdenkliches
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84 INNEN-DEKORATION
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KULTUR UND GESCHMACK
kultur ist eine verpflichtende lebensform
Es gibt kultivierte und es gibt geschmackvolle Men-
schen. Wie unterscheiden sie sich voneinander?
Geschmack ist eine unverbindliche Lebensäußerung,
Kultur eine verpflichtende Lebens f or m ; de r G e s c h m a c k
braucht sich nur vor den Dingen zu bewähren, Kultur
behauptet sich nur dem Menschen gegenüber. Man
kann seinen Geschmack an seiner Umgebung äußern,
seine Kultur hingegen nur an sich selbst erweisen . .
Maa findet die beiden Dinge: Kultur und Geschmack
gewöhnlich vereint; aber man täusche sich nicht darüber,
daß sie im Wesen verschieden sind. Es gibt wohl keinen
wahrhaft kultivierten Menschen, der nicht auch ge-
schmackvoll wäre, aber es gibt sehr viele geschmack-
volle Menschen, denen im Wesentlichen Kultur fehlt.
Geschmack ist eine Sache der Erziehung, des Vor-
bildes, des guten Umgangs; man kann Geschmacks-
Regeln aufstellen, die, wenn auch keine gesetzliche, so
doch die Kraft einer angenehmen und annehmlichen Kon-
vention haben.. Es ist völlig unmöglich, »Kultur-Regeln«,
auch nur solche allgemeinster Natur — aufzustellen.
Kultur ist ausschließlich Sache der Geburt. Man hat sie
oder man hat sie nicht. Und keiner Mühe wird es ge-
lingen, einen Menschen zu »kultivieren«, wenn ihm Kultur
nicht als ein Lebensgehalt, den zu formen Aufgabe des
Menschen bleibt, eingeboren ist . . Taine weist einmal
darauf hin, daß das in allen Dingen des guten Geschmacks
so kategorische 18. Jahrhundert keinen Anstoß daran
nahm, daß seine Menschen sich so schlecht wuschen und
sich stattdessen dick mit Puder beklebten. In dieser
kurzen abei präzisen kulturhistorischen Bemerkung steckt
der ganze Unterschied zwischen Geschmack und Kultur.
Und man soll es auch beachten, daß gerade die besten
Köpfe es sind, die mit leichter Geringschätzung das
Nur-Geschmackvolle behandeln als eine gewichtlose
Arabeske am Leben, das Kultivierte aber immer mit
Hochachtung nennen als eine besondere, sehr noble
und sehr unauffällige Form des Lebens . . k. h. ruppel.
»NACHDENKLICHES«
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft;
es kommt auf das Material an .. Der Schmerz ist
der große Lehrer der Menschen. Unter seinem aufrüt-
telnden Hauche entfalten sich die Seelen . . Die Liebe
überwindet den Tod, — aber es kommt auch vor, daß
eine kleine üble Gewohnheit die Liebe überwindet . .
★ •
Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit
vielem begnügen ist noch schwerer . . Was noch zu
leisten ist, das bedenke! Was du schon geleistet hast,
das vergiß! . Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller
irdischen Dinge ist ein Quell unendlichen Leids — und
ein Quell unendlichen Trostes . . m. t. ebner-eschenbach.
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KULTUR UND GESCHMACK
kultur ist eine verpflichtende lebensform
Es gibt kultivierte und es gibt geschmackvolle Men-
schen. Wie unterscheiden sie sich voneinander?
Geschmack ist eine unverbindliche Lebensäußerung,
Kultur eine verpflichtende Lebens f or m ; de r G e s c h m a c k
braucht sich nur vor den Dingen zu bewähren, Kultur
behauptet sich nur dem Menschen gegenüber. Man
kann seinen Geschmack an seiner Umgebung äußern,
seine Kultur hingegen nur an sich selbst erweisen . .
Maa findet die beiden Dinge: Kultur und Geschmack
gewöhnlich vereint; aber man täusche sich nicht darüber,
daß sie im Wesen verschieden sind. Es gibt wohl keinen
wahrhaft kultivierten Menschen, der nicht auch ge-
schmackvoll wäre, aber es gibt sehr viele geschmack-
volle Menschen, denen im Wesentlichen Kultur fehlt.
Geschmack ist eine Sache der Erziehung, des Vor-
bildes, des guten Umgangs; man kann Geschmacks-
Regeln aufstellen, die, wenn auch keine gesetzliche, so
doch die Kraft einer angenehmen und annehmlichen Kon-
vention haben.. Es ist völlig unmöglich, »Kultur-Regeln«,
auch nur solche allgemeinster Natur — aufzustellen.
Kultur ist ausschließlich Sache der Geburt. Man hat sie
oder man hat sie nicht. Und keiner Mühe wird es ge-
lingen, einen Menschen zu »kultivieren«, wenn ihm Kultur
nicht als ein Lebensgehalt, den zu formen Aufgabe des
Menschen bleibt, eingeboren ist . . Taine weist einmal
darauf hin, daß das in allen Dingen des guten Geschmacks
so kategorische 18. Jahrhundert keinen Anstoß daran
nahm, daß seine Menschen sich so schlecht wuschen und
sich stattdessen dick mit Puder beklebten. In dieser
kurzen abei präzisen kulturhistorischen Bemerkung steckt
der ganze Unterschied zwischen Geschmack und Kultur.
Und man soll es auch beachten, daß gerade die besten
Köpfe es sind, die mit leichter Geringschätzung das
Nur-Geschmackvolle behandeln als eine gewichtlose
Arabeske am Leben, das Kultivierte aber immer mit
Hochachtung nennen als eine besondere, sehr noble
und sehr unauffällige Form des Lebens . . k. h. ruppel.
»NACHDENKLICHES«
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft;
es kommt auf das Material an .. Der Schmerz ist
der große Lehrer der Menschen. Unter seinem aufrüt-
telnden Hauche entfalten sich die Seelen . . Die Liebe
überwindet den Tod, — aber es kommt auch vor, daß
eine kleine üble Gewohnheit die Liebe überwindet . .
★ •
Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit
vielem begnügen ist noch schwerer . . Was noch zu
leisten ist, das bedenke! Was du schon geleistet hast,
das vergiß! . Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller
irdischen Dinge ist ein Quell unendlichen Leids — und
ein Quell unendlichen Trostes . . m. t. ebner-eschenbach.