Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0250
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Lautner, Theodor: Material und Werkzeug
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INNEN-DEKORATION
MATERIAL UND WERKZEUG
Jedes Handwerk und jegliche Kunstübung sind im Aus-
druck und Charakter und somit in der formalen Lösung
der Einzelaufgabe in gewissem Maße von der Art des
Materials bestimmt. Das Material begrenzt und erhöht
Möglichkeiten, zwingt oft der rhythmischen und sach-
lichen Gebung der bildenden Idee einsinnige Wege auf. .
Am schlagendsten wird diese Einsicht wohl belegt
in den beiden Kunstzweigen, die im schroffsten Sinn
mit dem Material zu verfahren, das heißt den Stoff zu
vergeistigen haben, der Architektur und der Plastik.
Bei einer vergleichenden Betrachtung von Backsteingotik
und Sandsteingotik, oder von modernen Holzbauten und
Eisenbeton-Konstruktionen geht auch dem arglosesten
Erwägen die Berechtigung dieser Grundthese auf. Eben-
so auffällig ist diese Stoff-Bestimmtheit der Ausführung
in der Plastik: im gewachsenen Marmor muß man z. B.
auf Fingerstellungen verzichten, die sich in Metallguß
ausführen lassen; das Wachs leiht sich willig vielen Ver-
fehlungen, denen sich der Material-Charakter der Majolika
entzieht; in weiches, zügiges Lindenholz lassen sich
widerstandslos beliebige Formen bilden, während der
zähe und knorpelige Buchsbaum sich nur drechseln läßt.
Für den erfahrenen Handwerks-Sinn ist die Material-
Kenntnis nicht der einzige Faktor, welcher der Eigen-
art der Lösungen Wege weist. Es kommt das Wissen
um das Werkzeug hinzu, die Bestimmung aus der tech-
INNEN-DEKORATION
MATERIAL UND WERKZEUG
Jedes Handwerk und jegliche Kunstübung sind im Aus-
druck und Charakter und somit in der formalen Lösung
der Einzelaufgabe in gewissem Maße von der Art des
Materials bestimmt. Das Material begrenzt und erhöht
Möglichkeiten, zwingt oft der rhythmischen und sach-
lichen Gebung der bildenden Idee einsinnige Wege auf. .
Am schlagendsten wird diese Einsicht wohl belegt
in den beiden Kunstzweigen, die im schroffsten Sinn
mit dem Material zu verfahren, das heißt den Stoff zu
vergeistigen haben, der Architektur und der Plastik.
Bei einer vergleichenden Betrachtung von Backsteingotik
und Sandsteingotik, oder von modernen Holzbauten und
Eisenbeton-Konstruktionen geht auch dem arglosesten
Erwägen die Berechtigung dieser Grundthese auf. Eben-
so auffällig ist diese Stoff-Bestimmtheit der Ausführung
in der Plastik: im gewachsenen Marmor muß man z. B.
auf Fingerstellungen verzichten, die sich in Metallguß
ausführen lassen; das Wachs leiht sich willig vielen Ver-
fehlungen, denen sich der Material-Charakter der Majolika
entzieht; in weiches, zügiges Lindenholz lassen sich
widerstandslos beliebige Formen bilden, während der
zähe und knorpelige Buchsbaum sich nur drechseln läßt.
Für den erfahrenen Handwerks-Sinn ist die Material-
Kenntnis nicht der einzige Faktor, welcher der Eigen-
art der Lösungen Wege weist. Es kommt das Wissen
um das Werkzeug hinzu, die Bestimmung aus der tech-