Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0271
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Lang, Hugo: Das freundliche Wohnhaus: neue Arbeiten von Barry Parker, F. R. I. B. A.
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XXXVll. JAHRG.
DARMSTADT.
JULI 1926.
DAS FREUNDLICHE WOHNHAUS
NEUE ARBEITEN VON BARRY PARKER, F.R.I.B.A.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den ex-
tremen Typen-Wohnhausbauten neuzeitlicher
kontinentaler Architektur und den Wohnbauten der
englischen »Domestic Architecture«, und ein wich-
tiger Anlaß, die besten Arbeiten der letzteren mit
Aufmerksamkeit zu betrachten, liegt in Folgendem:
in den ersteren äußert sich ein nüchterner, auf das
»Kollektive«, auf allgemeine Normung gerichteter,
ganz einseitig männlicher Geist, der dem »geo-
metrischen Ordnungs-Prinzip« einer mechanistisch-
technischen Gestaltungsweise das Menschlich-Indi-
viduelle völlig zu unterwerfen bestrebt ist. Das
Ergebnis ist, zunächst jedenfalls: »unfreundliche«
Zellen-Wohnbauten, wohl bewohnbar aber nicht
wohnlich.. In den englischen Wohnhaus-Bauten hin-
gegen, wie z. B. in den vorliegend abgebildeten von
Architekt Barry Parker, tritt zu dem männ-
lichen Geist schlichter und klarer Gestaltung die
ergänzende »weibliche« Komponente: das Gefühl
für sinnliche Wärme und Naturgebundenheit des
Menschen; die beiden polaren Bestandteile einigen
sich im Gleichgewicht zur völligen Harmonie. Hier
ist Rücksichtnahme auf die »menschliche Totalität«,
sie ist dem rein technischen Wohnproblem überge-
ordnet ; hier wird das Problem: » das beste Wohnen
zu ermöglichen« in tieferem Sinne gelöst, hier ist
Wissen um die seelischen Voraussetzungen echter
Wohnbau-Kunst. Das Ergebnis ist: das freund-
liche Wohnhaus. Schon in der Außen-Architektur
sind die polaren Grundelemente zu erkennen: klare
Form und straffe Gliederung einerseits, rhythmisch-
melodische Erscheinung und Einfügung in die Natur
andrerseits. Dasselbe Wesen im inneren Ausbau:
luftige, wohlgebaute, übersichtliche Räume ohne
alles Beengende, helle Wände, offene Durchblicke
und Ausblicke und unbehinderter Übergang aus ge-
räumiger Diele und Loggia in die freie Natur. Gleich-
zeitig aber die Geborgenheit der Kamin-Nischen und
-Plätze mit dem offenen Feuer, die suggestive Sicher-
heit des tragenden massiven Eichen-Gebälkes unter
der Decke, die beruhigenden, schönen Proportionen
in der Aufteilung der Wandflächen und Ausstattung
der Räume; jedes Möbel: Tisch, Schreibtisch, Bank
und Sessel, Büchergestell am rechten Platz, überall
Gelegenheit zum beruhigten Aufenthalt und überall
viel freier Raum zu ungehinderter Bewegung. In
allem ist nicht nur der gestaltende, ordnende Geist
sondern auch die sorgsam einfühlende Wesenheit
zu spüren, die es dem Bewohner ermöglicht, sich
wahrhaft »zuhause« zu fühlen. Dieses esoterische
1928. VII. 1.
DARMSTADT.
JULI 1926.
DAS FREUNDLICHE WOHNHAUS
NEUE ARBEITEN VON BARRY PARKER, F.R.I.B.A.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den ex-
tremen Typen-Wohnhausbauten neuzeitlicher
kontinentaler Architektur und den Wohnbauten der
englischen »Domestic Architecture«, und ein wich-
tiger Anlaß, die besten Arbeiten der letzteren mit
Aufmerksamkeit zu betrachten, liegt in Folgendem:
in den ersteren äußert sich ein nüchterner, auf das
»Kollektive«, auf allgemeine Normung gerichteter,
ganz einseitig männlicher Geist, der dem »geo-
metrischen Ordnungs-Prinzip« einer mechanistisch-
technischen Gestaltungsweise das Menschlich-Indi-
viduelle völlig zu unterwerfen bestrebt ist. Das
Ergebnis ist, zunächst jedenfalls: »unfreundliche«
Zellen-Wohnbauten, wohl bewohnbar aber nicht
wohnlich.. In den englischen Wohnhaus-Bauten hin-
gegen, wie z. B. in den vorliegend abgebildeten von
Architekt Barry Parker, tritt zu dem männ-
lichen Geist schlichter und klarer Gestaltung die
ergänzende »weibliche« Komponente: das Gefühl
für sinnliche Wärme und Naturgebundenheit des
Menschen; die beiden polaren Bestandteile einigen
sich im Gleichgewicht zur völligen Harmonie. Hier
ist Rücksichtnahme auf die »menschliche Totalität«,
sie ist dem rein technischen Wohnproblem überge-
ordnet ; hier wird das Problem: » das beste Wohnen
zu ermöglichen« in tieferem Sinne gelöst, hier ist
Wissen um die seelischen Voraussetzungen echter
Wohnbau-Kunst. Das Ergebnis ist: das freund-
liche Wohnhaus. Schon in der Außen-Architektur
sind die polaren Grundelemente zu erkennen: klare
Form und straffe Gliederung einerseits, rhythmisch-
melodische Erscheinung und Einfügung in die Natur
andrerseits. Dasselbe Wesen im inneren Ausbau:
luftige, wohlgebaute, übersichtliche Räume ohne
alles Beengende, helle Wände, offene Durchblicke
und Ausblicke und unbehinderter Übergang aus ge-
räumiger Diele und Loggia in die freie Natur. Gleich-
zeitig aber die Geborgenheit der Kamin-Nischen und
-Plätze mit dem offenen Feuer, die suggestive Sicher-
heit des tragenden massiven Eichen-Gebälkes unter
der Decke, die beruhigenden, schönen Proportionen
in der Aufteilung der Wandflächen und Ausstattung
der Räume; jedes Möbel: Tisch, Schreibtisch, Bank
und Sessel, Büchergestell am rechten Platz, überall
Gelegenheit zum beruhigten Aufenthalt und überall
viel freier Raum zu ungehinderter Bewegung. In
allem ist nicht nur der gestaltende, ordnende Geist
sondern auch die sorgsam einfühlende Wesenheit
zu spüren, die es dem Bewohner ermöglicht, sich
wahrhaft »zuhause« zu fühlen. Dieses esoterische
1928. VII. 1.