Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0465
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Weiser, Armand: Vom Streben zur Grundform: Integrierung statt Differenzierung
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INNEN-DEKORATION
439
architekt theodor merr1ll-köln diele mit treppe. HAUS gr.-köln
VOM STREBEN ZUR GRUNDFORM
integrierung statt differenzierung
Der rationalistische Sturmlauf der Technik hat auch Geist der Zeit und will darum nicht mehr Funktionen
die jahrtausendalte Einstellung Europas verwandelt. darstellen, als für die physische Existenzfähigkeit des
Fand vordem das ästhetische Erleben seine Befriedigung Ganzen unbedingt notwendig sind. Diese physische
in der »Ausgestaltung« und »Idealisierung« der Existenzfähigkeit erscheint ihm identisch mit der äs t he -
tektonischen Kräfte, so suchen wir heute immer einfachere, tischen, wenn es gelungen ist, die materielle Masse zu
wesentlichere Formen darzustellen, das heißt, die »orga- einem einfachen, aber bedeutungsvollen Organismus zu
nische Grundform« zu geben. . . Die »Schmuckform« gestalten. Der Künstler will also aus der reinen Natur-
beschränkt sich ja nicht allein auf die Belebung der Ober- form des Materials und der reinen Zweckform des Gegen-
fläche als Ornament, das Rücksicht nimmt auf die Struktur ständlichen jene eigenartige, »undifferenzierte Form«
der Fläche oder sich geflissentlich über diese hinwegsetzt. entstehen lassen, welche ohne jeden bereichernden oder
Schon die »Gliederung« der vertikalen, gradlinigen Stütze entwickelnden Zusatz lediglich vom Material und Zweck
in Basis, Schaft und Kapitäl in der einfachsten, attischen selbst abhängig bleibt. So erstrebt der Künstler, — in-
Form ist bereits Schmuckform und zwar deshalb, weil dem er sich bemüht, die in die Raumkunst übertragene
sie die Grundform differenziert................. metaphorische Bildersprache zu vermeiden, — statt der
Dieses »Differenzieren« über die ursprüngliche, differenzierten »Schmuckform« die »Grundform« und das
oft nur hypothetische Werkform hinaus besteht in einem Pathos der Sachlichkeit......dr. Armand weiser.
Zerlegen der das Ganze bildenden einfachen Glieder, *
bezw. Funktionen durch ein oft sehr mannigfaltiges Nach- ARBEITEN und schaffen soll jeder nach seiner Art,
geben und Widerstreben. Diese Bereicherung vermag l\ denn darin liegt sein Heil. Bauen soll er in sich
sich wieder auf die verschiedenste Art, räumlich oder und außer sich, und was ihm in der Seele, was ihm im
linear, zu symbolisieren und hat in den verschiedenen Umkreis seines Seins von gegenwirkenden Kräften zer-
Kulturperioden schon wiederholt ihre metaphorische stört wurde, das soll er immer von Neuem geduldig auf-
Bildersprache bis zum oberflächlichen Spiele geführt. richten; denn darin liegt sein Glück. Wer die Arme
Der Künstler unserer Tage kennt den »kraftsparenden« sinken läßt, der ist überall verloren. . . . Wilhelm raabe.
1926. XII. 3.
439
architekt theodor merr1ll-köln diele mit treppe. HAUS gr.-köln
VOM STREBEN ZUR GRUNDFORM
integrierung statt differenzierung
Der rationalistische Sturmlauf der Technik hat auch Geist der Zeit und will darum nicht mehr Funktionen
die jahrtausendalte Einstellung Europas verwandelt. darstellen, als für die physische Existenzfähigkeit des
Fand vordem das ästhetische Erleben seine Befriedigung Ganzen unbedingt notwendig sind. Diese physische
in der »Ausgestaltung« und »Idealisierung« der Existenzfähigkeit erscheint ihm identisch mit der äs t he -
tektonischen Kräfte, so suchen wir heute immer einfachere, tischen, wenn es gelungen ist, die materielle Masse zu
wesentlichere Formen darzustellen, das heißt, die »orga- einem einfachen, aber bedeutungsvollen Organismus zu
nische Grundform« zu geben. . . Die »Schmuckform« gestalten. Der Künstler will also aus der reinen Natur-
beschränkt sich ja nicht allein auf die Belebung der Ober- form des Materials und der reinen Zweckform des Gegen-
fläche als Ornament, das Rücksicht nimmt auf die Struktur ständlichen jene eigenartige, »undifferenzierte Form«
der Fläche oder sich geflissentlich über diese hinwegsetzt. entstehen lassen, welche ohne jeden bereichernden oder
Schon die »Gliederung« der vertikalen, gradlinigen Stütze entwickelnden Zusatz lediglich vom Material und Zweck
in Basis, Schaft und Kapitäl in der einfachsten, attischen selbst abhängig bleibt. So erstrebt der Künstler, — in-
Form ist bereits Schmuckform und zwar deshalb, weil dem er sich bemüht, die in die Raumkunst übertragene
sie die Grundform differenziert................. metaphorische Bildersprache zu vermeiden, — statt der
Dieses »Differenzieren« über die ursprüngliche, differenzierten »Schmuckform« die »Grundform« und das
oft nur hypothetische Werkform hinaus besteht in einem Pathos der Sachlichkeit......dr. Armand weiser.
Zerlegen der das Ganze bildenden einfachen Glieder, *
bezw. Funktionen durch ein oft sehr mannigfaltiges Nach- ARBEITEN und schaffen soll jeder nach seiner Art,
geben und Widerstreben. Diese Bereicherung vermag l\ denn darin liegt sein Heil. Bauen soll er in sich
sich wieder auf die verschiedenste Art, räumlich oder und außer sich, und was ihm in der Seele, was ihm im
linear, zu symbolisieren und hat in den verschiedenen Umkreis seines Seins von gegenwirkenden Kräften zer-
Kulturperioden schon wiederholt ihre metaphorische stört wurde, das soll er immer von Neuem geduldig auf-
Bildersprache bis zum oberflächlichen Spiele geführt. richten; denn darin liegt sein Glück. Wer die Arme
Der Künstler unserer Tage kennt den »kraftsparenden« sinken läßt, der ist überall verloren. . . . Wilhelm raabe.
1926. XII. 3.