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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Stauffer-Bern, Karl: Aus Briefen von Karl Stauffer-Bern
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J AUS BRIEFEN VON KARL STAUFFER-BERN

J daß du wollest meinen, das besser von dir klein bischen von der Pose, woran einzelne

5 selbst zu wissen", d. h. mach daß du was Figuren auf Feuerbachs besten Bildern leiden —

3 Tüchtiges lernst, — „Denn wahrhaftig steckt z. B. die drei schönen Römerinnen auf der

i die Kunst in der Natur und wer sie heraus Pietä in München (bei Schack), welche viel-

; kann reißen, das hat sie". mehr an ihre süßen Mäulchen denken als an

( » den Schmerz einer Mutter, der man den Sohn

i\ „Nichts interessiert mich mehr, als die An- zu Schanden gepeitscht und ans Kreuz ge-

J tike, die Sachen sprechen zu mir, wie noch nagelt. Wenn ich von Feuerbach dies sage,

J nie etwas, und wenn ich sage, daß ich form- so brauche ich wohl nicht zu erinnern, daß

5 lieh schwelge, so ist es nicht übertrieben, ich ihn für einen der großen Künstler des

) Wundern tut es mich, daß so viele Leute von Jahrhunderts halte und meine Bemerkungen

j großem Talent wie Thorwaldsen und Konsorten unter dieser Voraussetzung zu verstehen sind.

< in der Antike einfach den Kanon sahen und Seine Werke aber haben eine gewisse be-
ll nachzuahmen suchten. Der Wert liegt nicht wußte Classicität und zwar oft auf Kosten

< in der besonderen Form, nicht in eigentüm- wahrer, unmittelbarer Empfindung, so daß die
j liehenLängen-und Breitenverhältnissen,Maßen, Figuren nicht immer präcis und kräftig das
J graden Nasen und was der Sachen mehr sind, ausdrücken, was sie sollen, beinahe wie wenn
) die diese Leute glücklich zur toten Formel sie sich vor dem zuschauenden Publikum ge-
) herunterschraubten. Nein, sondern in dem nierten, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen
1 famosen Erfassen der jeweiligen Figur als Or- aus Angst, sich zu prostituieren. Male, bild-
| ganismus, als lebendiges abgerundetes Ganze, haure, baue etc. immer so wie Du denkst
( Ob der Mensch acht oder fünf Kopflängen resp. empfindest, denn nur Deine Empfin-
( hat, ist nach meiner Ansicht so Wurst als dung, welche Du in das tote Material hin-
( etwas, sobald der Künstler durch den Ernst einlegst, macht das Kunstwerk aus, welches
) und die Logik, mit der er seine Figur bildet, eigentlich nur das Medium ist, um Dein Emp-
) in mir eine Stimmung hervorbringen kann und finden Anderen zu vermitteln. Also was nicht
) mich überzeugt. Der Geist, aus dem die an- drin ist, kommt nicht heraus, es wachsen keine
) tiken Kunstwerke hervorgegangen, ist das Feigen an den Dornen. Die Persönlichkeit
! Lebendige, die stimmungsvolle Beobachtung allein spricht im Kunstwerk — je nach ihrer
J der Natur, die immer auf das Wesentliche Qualität bildet sich die große Scala von Er-
ausgeht, nicht die Maaße und Proportionen. Zeugnissen, vom kindischen, dilettantischen
Und da muß die Sache angepackt werden. Nicht Versuch an gerechnet bis zum Werk des Ge-
Imitation, sondern gemäß des verschiedenen nius. Auf diese Erklärung paßt wohl alles,

) Zeitalters verschiedene Arbeit, aber in gleich was „Kunstwerk" gescholten wird, und folgt

) künstlerischem_Sinn. Wie schade, daß Goethe daraus etwa dies: Bilde Dich, Deine Empfin-

) in Italien nicht in bessere Hände geraten, der dung, Gesinnung so, daß es sich lohnt, sie

) wäre wohl im Stande gewesen, die Sache ganz Anderen mitzuteilen, und mache Dich zum

zu erschöpfen und endgiltig festzustellen, auch Herrn des Apparats, dessen Du bedarfst, um

für Plastik speziell. Beinahe hat er es ge- das Werk nicht nur zu träumen, sondern zu

tan — wenigstens im allgemeinen." schaffen, so daß Andere verstehen können,

* was du meinst resp. im Stande sind Dir nach-

„Es ist wohl im „Vermächtnis" auch ein zuempfinden."

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Die Kim« Uli AUe XXVIII.

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