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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Fortlage, Arnold: Kunst des 19. Jahrhunderts in Kölner Privatbesitz: (Ausstellung im Kölnischen Kunstverein)
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0206

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KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS IN KOLNER PRIVATBESITZ

Vautier, hier nur mit mäßig guten Bildchen ver- Die ausgereifteste Erscheinung der modernen
treten, doch ist des ersteren „Knabe in Schwelmer lebenden Maler Deutschlands, Max Liebermann,
Tracht" von malerisc her Noblesse im zartschimmern- ist mit einigen Arbeiten aus den achtziger Jahren
den Helldunkel. Ein durch die subtile Lichtführung hier: einem stillen Hofwinkel von saftiger Farben-
interessant gewordenes Interieur stammt von dem pracht und dem in monumentaler Ruhe von See-
Hanauer F. C. Hausmann. Malerische Breite und wind und Licht umflossenen „Mädchen in Dünen",
sichere Charakterisierung jugendlicher Frömmelei Thojia begrüßen wir in einer stimmungsvollen,
interessiert in den „Chorknaben", von dem wenig versonnenen Abendlandschaft „Segelfahrt" (datiert
bekannten S. Rahm (geb. 1811). Auch der fast 1878), Defregger, Dietz, Max, Habermann und
völlig, aber zu Unrecht, unbekannt gebliebene Trübner in guten Proben der Münchener Mal-
J. Reiners (1828—1907) wäre hier anzugliedern; kultur, jeweils durchsetzt von eigenem und echten
man sieht von ihm — außer einer hübschen Natur- Künstlerwillen. F. Hodler erfreut außer durch
Studie — den Kopf einer alten Hexe in Spitzwegs ein frühes fesches Selbstporträt und außer einem,
Manier. spätere Stilprinzipien schon gut andeutenden „Hafen
Abermals bricht eine neue Zeit herauf: Künstler von Genf" (1877), namentlich durch ein starkes
wie Feuerbach und Böcklin, in repräsentativer und ganz eigenes Genrebild „Mutter und Kind".
Form auch Lenbach. Von dem letztgenannten Von Segantini ist eines seiner populärsten Haupt-
sieht man in dieser Ausstellung ein ganz aus dem werke in Köln: das durch lautere und intensive
Dunkel herausgearbeitetes Damenporträt, von Feuer- Eindringlichkeit der Stimmung ausgezeichnete „Ave ö
bach eine „Nana" (im Profil), und von Böcklin Maria".

eine koloristisch äußerst geschmackvolle mytho Ein Ausschnitt aus der grandiosen, die starke
logische Szene „Überraschte Venus". Sodann die Tradition nie unterbrechenden Entwicklung der fran-
beiden größten: Menzel und Leibi. Menzel ist zösischen Malerei ist merkwürdig abgerundet in
mit einer Anzahl der erlesensten Zeichnungen in Kölner Privatbesitz vertreten: die Schule von Bar-
Köln vertreten, deren Ausdrucksreichtum unaus- bizon. Hingegen vermißt man den Impressionis-
schöpfbar bleibt. Leibls „Kritiker" sind hier, mus — bis auf ein charakteristisches Bild von Pis-
fernereinlieblicherMädchenkopflOelskizze vonl897) sarro — völlig. Nichts Köstlicheres an inniger
und die Bleistiftzeichnung „Zwei Mädchen im Zim- Naturliebe, als etwa das „Wasserschlößchen" von
mer". Die „Kritiker" zeigen in interessanter Weise, Corot in seinem silbrigen Luftton mit den pikant
wie Leibi auch ohne den direkten Einfluß Courbets eingesetzten Farbtupfen. Samtartiger Schmelz
— der erst mit 1869 einsetzt, während das Bild 1868 liegt über Rousseau'S „Abendlandschaft", deren
datiert ist — zur Bezwingung seiner malerischen verblassende Sonnenglut die saftigen Farben noch
Leidenschaft gelangt, wie er aber immer noch der einmal aufblühen läßt. Daubigny und Diaz zei-
pathetischen Geste oder überhaupt des Sujets be- gen Landschaften von ähnlichem Stimmungszauber,
durfte, um dagegen nachher mit Hilfe des Fran- Diaz zudem eine mythologische Szene „Venus
zosen sich ganz frei zu machen und in der Be- und Amor", bei der das tiefe Laubgrün mit dem
herrschung der Farbe allein die höchste Meister- Rot des Gewandes und dem süßen Fleischton sich
schaft zu gewinnen. vereinigen, um mit Unterstützung der Lionardes-
In herrlicher Stärke der rein malerischen Aus- ken Geste einen harmonischen Zusammenklang

i

drucksmöglichkeiten erscheint Schlich, begrenzter zu geben. — Der erste Großmeister der Moderne,
freilich im Vergleich zu Leibis Vielseitigkeit, nicht Delacroix, ist nur mit einer Zeichnung hier;
aber in der absoluten Meisterung der Farbe, die dann, der seinerzeit wie wenige populär gewesen,
eben bei ihm keines äußeren Vorwurfs mehr be- Meissonier mit einem malerisch äußerst subtil
darf, und die auch in „Käse und Obst" die köst- behandelten Kavalier; Neuville mit einem „Ver-
lichste Poesie zu legen weiß. Neben Leibi oder wundeten Reiter". Lepaulle gibt einen verwun-
Schuch wirken Begabungen wie Hirth du Frenes derlich tieftonigen, an Gericaults Art gemahnenden
und L. Eysen, die doch mit sympathischen Stücken „Schimmel im Stall". Courbets herrliche Kraft
vertreten sind, schwach. Ein ebenso intimer Land- zeigt sich in einer Ansicht seiner Geburtsstadt
schafter wie Eysen, wenn auch aus ganz anderem Omans; und eine deutliche Erinnerung an des
Boden gewachsen, ist der Düsseldorfer E. te Peerdt Meisters Landschaftsauffassung lebt in den Bildern
(geboren 1852), von dem hier acht Bilder vereinigt des neuerdings wieder mehr beachteten Paul
sind. Er liebt die kleinen Formate und weiß sich Guigou (1834—71). Auch von Isabey, Jongkind
immer gar inniglich in die Stimmung seiner Land- und Ziem sind Proben hier. — Das galante Leben
Schäften zu versenken, ist immer von zartem Reiz des Hofes unter dem dritten Napoleon veranschau-
der Farben- und Luftbehandlung, der gern an die liehen die reichbewegten Zeichnungen (Tänzerinnen
französischen Impressionisten denken läßt. — Eine und Hofdamen) des Constantin Guys. Ganz ab-
ähnliche Erscheinung ist auch der wenig bekannte seits von all den genannten steht als der Modernste
F. G. Arndt, von dem in dieser Zeitschrift ein P. Gauguin, von dem man hier kostbare Proben
frühlingsfrisches Naturstückchen abgebildet wird. koloristischer Intensität sieht in zwei Porträts und
Viel weniger naiv gibt sich der in des Lebens einer tahitanischen Landschaft.
Frühzeit von uns gegangene Kölner Mosler-Pal- Wir dürfen stolz sein auf so viel herrliche Werke
lenberg (1863—93), in dem wir zweifellos eine der Malerei aus einer begrenzten Epoche und ver-
koloristische Begabung zu erkennen haben, die einigt in einer Stadt, und wir wollen uns freuen,
früh sich alle Errungenschaften der Alten zunutze daß es — wie diese Ausstellung erweist — einem
gemacht hatte, so zum Eklektiker wurde, vieles umsichtigen, tatkräftigen Kunstführer gelingen
wollend, als künstlerische Potenz doch aber nur konnte, eine solche im guten Sinne instruktive
von lokaler Bedeutung werden konnte. Kunstschau zusammen zu bringen.

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