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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Haendcke, Berthold: Kulturgeschichtliche Grundlagen der deutschen Malerei, [3]: von etwa 1780 bis etwa 1840 (oder von Carstens bis Menzel)
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0239

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J KULTURGESCHICHTLICHE GRUNDLAGEN DER DEUTSCHEN MALEREI

J in griechisch idealisierender Verkleidung er- bestimmte Gedanken in uns. Wir drücken '

j freulich gewesen war. Die liebenswürdig- diese Gedanken aus in Worten, Tönen oder ?

5 empfindungsreiche, noch im Rokokostil ge- Bildern, und erregen so in der Brust des C

} haltene Naturschilderung Geßners atmet be- Menschen neben uns dieselbe Empfindung, y

') reits eine neue Auffassung, der wir stärker Die Wahrheit der Empfindung ergreift alle, jj

i von dem persönlichen Ich erfüllt in E. v. Kleist Alle fühlen sich mit in diesem Zusammenhang, >

l großen Gedichten, etwa im „Landleben" oder alle loben den einigen Gott, die Ihn empfin- r,

\ im „Frühling" begegnen. Ueberall tritt uns den; und so entsteht die Religion." — Nach r

j jetzt die Freude an der Natur und an ihren Novalis sollte der geniale Dichter die ganze 0

) Gebilden entgegen. Goethes Werther ist auch Welt sich dienstbar machen können. Wie Q

) darin ein charakteristisches Werk. Uns liegt zart und tief von dem innersten Wesen der 0

) zunächst aber die Beantwortung der Frage nach landschaftlichen Umgebung all diese Männer G

( dem Verhältnis der Menschen zur Natur ob. erfüllt waren, läßt jeden noch heutige Tages V

; Es ist ein im innersten Wesen religiöses, voll tiefer Ergriffenheit fühlen, wenn er !-

I Forster schreibt (1781): „Uns peinigt nichts Hölderlins (geb. 1770) „Feldeinsamkeit" liest, r

« Geringeres als Wahrheit, und diese bietet uns Die leidenschaftliche Sehnsucht der Zeit nach n

( die Betrachtung der Schöpfung in überschweng- dem goldenen Zeitalter, nach dem Lande, £

J lichem Maße. Die Natur, es sei als Wirkung wo gut und edel die Menschen, wo sonnen-

) oder wirkende Kraft, bleibt allezeit die erste heiter und schönheitsvoll Himmel und Erde

) unmittelbare Offenbarung Gottes an einen jeden sich zeigen, bringt uns derselbe gottbe-

J von uns." Novalis wurde einer der edelsten gnadete junge Dichter in seinem machtvoll

J Träger einer schwärmerischen Naturbegeiste- und packenden „Schicksalslied" zu Gehör.

i rung, der in seinem „Heinrich von Ofterdingen" Tieck wird aber hier überall die maßgebende

< die im Abend- und Morgenland, im Berges- Persönlichkeit. Er führt uns in die von
n dunkel und Festesglanz, in Liebe und Pilger- stimmungsvollen Schauern erfüllte Waldein-
J schaft gesuchte „Blaue Blume" der Romantik samkeit, in das Unheimliche der Gebirgswelt
J als ihr Wahrzeichen brachte. Er hatte Fichtes und in die lachende Feld- und Wiesenblumen-
J Philosophie mit dem Herzen erfaßt. Bei weit. Einer seiner begeistertsten Nachfolger war
9 Schleiermacher heißt es: „Wenn der Himmel ein Maler P. O. Runge in Hamburg. Der Maler-
y über mir von unzähligen Sternen wimmelt, Dichter erlebt und sieht den Stimmungs- und
I| der Wind durch den weiten Raum saust, die Farbengehalt der landschaftlichen Natur. „Es hat

< Woge brausend in der weiten Nacht sich bricht, noch keinen Landschafter gegeben, der eigent-

< über dem Walde sich der Aether rötet und liehe Bedeutung in seinen Landschaften hätte,
i) die Sonne die Welt erleuchtet, das Tal dampft, der Allegorien und deutliche schöne Gedanken
J und ich werfe mich im Grase unter funkeln- in eine Landschaft gebracht hätte. Wer sieht
h den Tautropfen hin, jedes Blatt und jeder nicht Geister auf den Wolken beim Unter-
Ii Grashalm von Leben wimmelt, die Erde lebt gang der Sonne? Wem schweben nicht die
3 und sich unter mir regt, alles in einem Akkord deutlichsten Gedanken vor die Seele? Ent-
9 zusammen tönet, da jauchzet die Seele laut steht nicht ein Kunstwerk nur in dem Moment,
1 auf und fliegt umher in dem unermeßlichen wenn ich deutlich einen Zusammenhang mit
'l Raum um mich, es ist kein unten mehr und dem Universum vernehme?" Am 7. November
J kein oben mehr, keine Zeit, kein Anfang und 1802 heißt es weiter: „. . . Wenn wir so in
a kein Ende, ich höre und fühle den lebendigen der ganzen Natur nur unser Leben sehen, so
5 Odem Gottes, der die Welt hält und trägt, ist es klar, daß dann erst die rechte Landschaft
) in dem alles lebt und würkt; hier ist das entstehen muß, als völlig entgegengesetzt der
5 Höchste, was wir ahnen, — Gott! — Dieses menschlichen oder historischen Komposition."
3 tiefste Ahnen unserer Seele, daß Gott über Es drängt sich alles zur Landschaft ... ist

uns ist.....Das ist das gewisseste, deut- denn in dieser neuen Kunst — der Landschaf-

< lichste Bewußtsein unserer selbst und unserer terei, wenn man so will, nicht auch ein höchster

ä eigenen Ewigkeit.......Diese Empfindung Punkt zu erreichen, der vielleicht noch schöner

J des Zusammenhanges des ganzen Universums wird wie die vorigen?

J mit uns; dies jauchzende Entzücken des in- Ehe wir aber in die Geschichte profaner und

3 nigsten lebendigsten Geistes unsrer Seele..... religiöser Historienmalerei eintreten, sei seinen

j — dies treibt und preßt uns in der Brust, historischen Grundlagen nach noch eines an-

D uns mitzuteilen; wir halten die höchsten Punkte deren Motives gedacht.

') dieser Empfindungen fest und so entstehen (Die Fortsetzung folgt)

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