draußen weit vor den Toren der Stadt in dem
königlichen Marl}-, wo sein bescheidenes Atelier
in einem verwilderten Garten steht, und ein gutes
Drittel des Jahres bringt er in der Heimat seines
Geschlechtes, in Banyuls am Mittelmeer zu, un-
verstanden von seinen Landsleuten, die nicht
begreifen, daß hier der biblische Thubalkain in
eigener Person unterihnen wandelt wie der letzte
Kentaur, aber dieses Stehen auf dem heimat-
lichen Boden gibt ihm wie Antaeus immer wie-
der frische Kräfte und die Gnade der elemen-
taren Vision. In der Geschichte der französi-
schen Kunst verbindet ihn kaum etwas mit den
Plastikern vor ihm, er knüpft an die Tradition
an, die die romanischen Meister von Arles und
Toulouse im 12. Jahrhundert verlassen haben.
Aber er gehört mit Cezanne, mit Gauguin, mit
Denis zusammen — sie waren die großen Syn-
thetiker ihrer Generation. Immer wieder ergibt
sich der Vergleich zwischen ihm und Gauguin,
der 1903 auf der Insel St. Dominique starb, in
dem Augenblick, da Maillol sichtbar in die vor-
dere Reihe der französischen Plastiker ruckte.
Vielleicht ist heute die Epoche Maillols vorüber,
so gut wie der drei Maler, mit denen er eine
Einheit bildet. Wenn man in der französischen
Kunstgeschichtsschreibung die klare Erfassung
der Erscheinung Maillols vermißt, so liegt das
wohl daran, daß der gallische Genius dasNatur-
hafle in der Manifestation seiner Kunst als etwas
Selbstverständliches hinnimmt, weil es eben der
Urgrund der eigenen Wesensart ist, auch wenn
es Menschenalter lang verloren gegangen ist —
und auch das latente Hellenentum in ihm emp-
findet der französische Instinkt als etwas ihm
Gemäßes, auch wenn es in einem Zeitalter völ-
lig verkapselt ist. Um so mächtiger mußte die
Erscheinung dieses Künstlers in den Nachbar-
ländern wirken, wo diese Naturnähe als Allge-
meingut längst verloren gegangen ist, wo das
Land der Griechen nur mit der Sehnsucht und
man darf sagen, oft nur mit der Sehnsucht einer
hohen Bildungskultur gesucht wird. Der künst-
lerische Verstand war auf der anderen Seile in
Deutschland ungleich besser vorbereitet auf die
Erfassung der historischen Bedeutung dieser Er-
scheinung, die wie eine Bejahung, aber auch wie
eine Korrektur zu dem erschien, was Adolf Hil-
debrand mühsam in Gesetzesparagraphen ge-
zwungen hatte. Paul Clemen
A RISTIDE MAILLOL. ZEICHNUNG
54
königlichen Marl}-, wo sein bescheidenes Atelier
in einem verwilderten Garten steht, und ein gutes
Drittel des Jahres bringt er in der Heimat seines
Geschlechtes, in Banyuls am Mittelmeer zu, un-
verstanden von seinen Landsleuten, die nicht
begreifen, daß hier der biblische Thubalkain in
eigener Person unterihnen wandelt wie der letzte
Kentaur, aber dieses Stehen auf dem heimat-
lichen Boden gibt ihm wie Antaeus immer wie-
der frische Kräfte und die Gnade der elemen-
taren Vision. In der Geschichte der französi-
schen Kunst verbindet ihn kaum etwas mit den
Plastikern vor ihm, er knüpft an die Tradition
an, die die romanischen Meister von Arles und
Toulouse im 12. Jahrhundert verlassen haben.
Aber er gehört mit Cezanne, mit Gauguin, mit
Denis zusammen — sie waren die großen Syn-
thetiker ihrer Generation. Immer wieder ergibt
sich der Vergleich zwischen ihm und Gauguin,
der 1903 auf der Insel St. Dominique starb, in
dem Augenblick, da Maillol sichtbar in die vor-
dere Reihe der französischen Plastiker ruckte.
Vielleicht ist heute die Epoche Maillols vorüber,
so gut wie der drei Maler, mit denen er eine
Einheit bildet. Wenn man in der französischen
Kunstgeschichtsschreibung die klare Erfassung
der Erscheinung Maillols vermißt, so liegt das
wohl daran, daß der gallische Genius dasNatur-
hafle in der Manifestation seiner Kunst als etwas
Selbstverständliches hinnimmt, weil es eben der
Urgrund der eigenen Wesensart ist, auch wenn
es Menschenalter lang verloren gegangen ist —
und auch das latente Hellenentum in ihm emp-
findet der französische Instinkt als etwas ihm
Gemäßes, auch wenn es in einem Zeitalter völ-
lig verkapselt ist. Um so mächtiger mußte die
Erscheinung dieses Künstlers in den Nachbar-
ländern wirken, wo diese Naturnähe als Allge-
meingut längst verloren gegangen ist, wo das
Land der Griechen nur mit der Sehnsucht und
man darf sagen, oft nur mit der Sehnsucht einer
hohen Bildungskultur gesucht wird. Der künst-
lerische Verstand war auf der anderen Seile in
Deutschland ungleich besser vorbereitet auf die
Erfassung der historischen Bedeutung dieser Er-
scheinung, die wie eine Bejahung, aber auch wie
eine Korrektur zu dem erschien, was Adolf Hil-
debrand mühsam in Gesetzesparagraphen ge-
zwungen hatte. Paul Clemen
A RISTIDE MAILLOL. ZEICHNUNG
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