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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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1. Heft
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Hefele, Karl Joseph: Über einige Hindernisse der Wirksamkeit des kirchlichen Kunstvereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0015

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7

Kunstvereins zuzumuthen, daß er es billige
und lobe, sogar in öffentlichen Blättern an-
preise, wenn es auch noch so gering oder mit-
telmäßig ausgefallen ist oder sonst zum Gan-
zen nicht paßt. So wurden mir jüngft drei
Stationenbilder als Muster gezeigt, und auf
meine Bemerkung, daß so nicht fortgefahren
werden dürfe, erwiedert: die Mahnung komme
zu spät, alle 14 Bilder seyen bereits fertig
und auch benachbarte Pfarrherrn hätten bei
demselben Künstler Altar- und Fahnenbilder
definitiv bestellt. * Wie werden diese Altarbil-
der ausfallen? Jn einer andern Kirche treffe
ich zwei neue Kelche, einen häßlicher als den
andern, in einer dritten einen neuen Taber-
nakel nach Art eines griechischen Tempels,
außer aller Harmonie zum Altare; in einer
vierten ist der babylonische Thurm des Hoch-
altars aus der Zopfzeit neu vergoldet und ge-
faßt worden; in einer fünften wurde eine
Stalue des heil. Joseph beigeschafft mil einem
weingerötheten Gesichte, wie kaum ein alter
Bürger aus Bingen ein gleiches hat u.s. f. u.
s. f., und Alles das ist ferlig, wenn wir es
sehen dürfen oder davon Nachricht erhalten.
Wir haben einen Kunstverein, und der Bischof
will, daß man ihn befrage, aber dennoch un-
terbleibt es nicht selten. Namentlich haben
wir über die vielen Anstreichereien zu klagen,
die so oft dem nächsten besten Klerer ohne
Sinn und Geschmack uberlassen werden.

2) Wenn aber auch derAusschuß desKunst-
vereins zu Rathe gezogen wird, so ift selbft
dieß manchmal erfolglos. Es kani schon öfter
vor, daß der bestgemeinte Rath nicht gehört
wurde, wenn er einem vorgelegten Plane die
Zustimmung versagte. Trotz des abmahnen-
den Gutachtens wurde das mißlungene Pro-
jekt dennoch ausgeführt und dabei des nach
bestem Wissen rathenden Kunstvereins tn her-
ber Weise gedacht. Meist soll die Sache zu
große Eile haben, der Altar müsse bis zum

* Ohnehin sind die gemalten Fahnenbilder,
ganz abgesehen von ihrem künstlerischen Werthe.
nnbedingt zu mißbilligen. Wir verweisen zur Be-
gründung auf „Kirchenschmuck" III. Bd., S. 2ff.

Anm. der Red.

nächsten Fefte aufgestellt seyn, darum habr
man nicht mehr Zeit, etne neue Zeichnung
fertigen zu lassen u. dgl. Manchmal wird auch
der Rath des Kunstvereins darum nicht be-
achtet, weil unvorsichtiger Weise mit dem
Quasi-Künstler bereits ein Vertrag geschlossen
ift, oder weil man glaubt, aus Rücksichten auf
Familien, Verwandtschasten u. dgl. den, wenn
gleich minder tüchtigen oder ganz untüchtigen
Künstler oder Handwerker nicht umgehen zu
können.

3) Die dcm Kunstvereinsausschusse zur Be-
gutachtnng eingesandten Zeichnungen sind öfter
der Art, daß ste nur im Allgemeinen gothische
Formen andeuten, ohne Detailrisse irgend
einer Art, so daß es dem ausführenden Hand-
werker völlig überlassen bleibt, wie gut oder
wie schlecht er dieser Zeichnung gemäß den
Altar oder die Kanzel rc. wirklich konstrutre.
Durch solche unvollständigen Zeichnungen ist
in unsern Tagen eine Scheingothik ent-
standen, ein schlechter Zopf ganz eigener Art.
Man schneidet aus zwei Brettern gothische
Bogen, ohne alle Profilirung u. dgl., fteckt
ein paar Stangen mit etwelchen Knöpfen als
Fialen auf, und der gothische Altar ist fertig.
Was ihm an wahrer Schönheit mangelt, muß
rciche Vergoldung und glänzende Lasurfarbe
ersetzen, aber in Bälde wird unter diesem Herr-
lichkeitsfirniß der tannenhölzerne Bettelsack
wiederhervorschauenunddas öffentlicheUrtheil
diesen neuen Zopf vielleicht noch herber richten
als den alten. Und doch wollen alle diese
neuen „Kunstwerke" im „reinen gothischen
Styl" gehalten seyn, und auch in gedruckten
Anzeigen wird uns Solchcs kräftigst versichert.
Damit kommen wir

4) auf einen vierten Punkt, über den wir
Klage erheben müssen. Jst für eine Kirche
irgend etwas Neues beigeschafft worden, so ist
gar bald Jemand bei der Hand, iu einem
öffentlichen Blatte das neue Kunstwerk über
alle Maßen zu loben und den Verfertiger als
zweitenApelles oder Michel Angelo überall zu
empfehlen. Auch dieß geschieht ohne Einver-
nehmung mit dem Ausschuß des Kunftvereins;
 
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