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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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Bock, Franz: Ein Obergewand von Leinen mit ornamentalen Stickereien in Form einer "tunica camisia" aus dem Schlusse des 13. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0019

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anstehen und uns manche Beschämung, auch
manche schwere Verantwortung über verschleu-
dertes Geld der Armuth ersparen. Denn dte
meisten mißlungenen Werke fallen auf Rech-
nung derUngeduld und Selbstverherrlichungs-
sucht der Stifter, Wohlthäter, nicht selten auch
der Pfarrherren selbft, welche nicht warten
wollen, bts etwas Gutes zu Stande kommen
kann, und so der kommenden Generation die
Mittel entziehen, dagegen dieBeschämung und
den Verdruß hinterlassen.

Jn der Regel sieht man das Bedürfniß
eines Kirchenbaues oder einer Restauration,
Erweiterung, Anschaffung u. dgl., lange ge-
nug voraus.

Also hat man auch Zeitgenug, vorzusorgen,
und einen Finanzplan zu machen. Ein guter
Finanzplan wägt Kapitalien auf.

Man versichert sich derjenigen Summen, auf
w'elche ein Rechtstitel Anspruch gibt; man fängt
an Ersparnisse bei Seite zu legen, Samm-
lungen anzustellen, einen Fond zu gründen,
der gut verwaltet sich täglich aus sich selbst
heraus mehrt, und durch fortgesetzte Samm-
lungen, Stiftungen, Legate, anwächst. Man
glaube fest, daß die letzteren nicht ausbleiben,
wenn die Bevölkerung dte Ueberzeugung hat,
daß dem ganzen Unternehmen ein gesunder
Plan zu Grunde liegt.

So wird man in einer Reihe von Jahren
im Stande seyn, ein gründliches Werk zu
schaffen, das auf Jahrhunderte hinein die Ge-
meinde erfreuen und die Stifter ehren wird.

Wenden wtr nun schließlich das Gesagte
auf die Hauptfrage an, so ist der Einfluß der
Armuth auf Disposition eines Kirchenbaues
in zwei Sätzen festzustellen:

Keine Armuth, weder die geträumte noch die
wahre, berechtigt zu einem Bauwerke, in wel-
chem wesentliche Culterfordernifse nicht oder
ungenögend bedacht stnd.

Ebensowenig entschuldigt sie die Ueber-
eilung, und dte Anwendung der schlechtesten
Materialien.

Ein Obergewand oon Leinen mit orna-
mentalen Stickereien in Form einer
„timiea eamLsia" aus dem Schtujse
des tZ.Iahrhunderts.

Für das Studium der mittelalterlichen Ge-
wänder bewabrt das herzogliche Kunstkabinet
auf dem Friedrichstein in Gotha zwei merk-
würdige Gewänder, die nicht nur in htstori-
scher Beziehung, sondern auch in Hinsicht auf
Schnitt und Form, sowie in Bezug auf die
Technik mittelalterlicher Stickereien von Be-
deutung sind.

Eines davon, das Chorhemd des Kaisers
Mar, ist im IV. Band, S. 57 des „Kirchen-
schmucks" besprochen. Das andere hat, dem
äußern Schnitte nach zu urtheilen, fast die
Form eines Hemdes, mit aufrechtstehendem ge-
sticktem Kragen und gleichen ornamentalen
Einfassungsrändern an den Aermeln, jedoch
mtt dem Unterschiede, daß dasselbe nicht unter
den Aermeln eine Oeffnung zeigt, sondern
zum bequemeren Anlegen nach hinten mit
einem eingesetzten Gierenstücke erweitert ist,
wodurch auf der Rückseite das Gewand ver-
hindert wird sich den körperlichen Formen nä-
her anzuschmiegen, und daher in reicheren
Falten an dieser Stelle herunterfließt. Dieses
merkwürdige Bekleidungsstück mißt bei größter
Ausspannung der Aermel vom Saume des
einen Aermels bis zum andern die Länge
von 6 pariser Fuß, die größte Länge vom
obern Saum bis zum untern Rande beträgt
ungefähr 3^ Par. Fuß. — Langjährige For-
schungen haben uns bis heute kein ähnliches
Gewand zu Gesicht kommen lassen, dessen Or-
namentation und Schnitt so viele Eigenthüm-
lichkeiten und so vielJnteressantes bietet. Einen
besondern Reichthum von vtelfachen Sticke-
reten hat die Kunstfertigkeit des orientalischen
Stickers dem aufrechtstehenden Halskragen
und dem Saume der enganliegenden Aermel
zu Thetl werden.lassen. Der Sticker hat hier
in Weise von übereinandergeschobenen Drek-
ecken s chuppenförmige Lintenornamente in Gold
 
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