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gesttckt, dte jedesmal aus ihrer Spitze als
Bekrönung zwei romantsche Blattbildungen
ausstrahlen lassen. Die auf der Höhe sich er-
hebenden Laubornameute lassen deutlich in
ihrer Form jene vorgothische Pflanzenbildung
erkennen, die man mit einem Kunstausdrucke
gewöhnlich „tisur 6k lis ki-anoiog. oder kran-
oisog." zu bezeichnen Pflegt.
Diese goldgestickten Ornamente sind im sog.
Flechren- oder Zopfftich auf einer Unterlage
von halbgrober Leinwand tn einfacher Technik
erzielt worden. Die übrigen Flächen deS Kra-
gens sind durch Stickereien in oben bezeich-
neter Weise so ausgefüllt, daß in rother und
blauer Seide in jedesmal abwechselnden Far-
ben ein verschiedenes Colorit auf jeder hal-
birten Seite hervorgerufen wird. Der obere
Theil der Aermel dieses Gewandes ist eben-
falls in gleichartiger Techntk mit dret parallel
nebeneinander laufenden eingestickten Streifen
verztert, deren Ornament* offenbar als ro-
manisirendes Laubwerk kenntlich tst, das, mit
Blättern abwechselnd, jene charmlosen kleine-
ren Thtergestalten in Form'. von Vögeln zu
erkennen gibt, wte sie selten bei reichern Sticke-
reien der vorgothischen Kunstepoche fehlen.
Auf dem Vorder- und Rückentheil dieses Ge-
wandes, das aus einem einfachen Leinstoff von
ziemlicher Gleichheit der Tertur angefertigt
ist, hat der Kunststicker, parallel nebenetnan-
der laufend, auf jeder Seite fünf eingewirkte
Streifen angebracht, abwechselnd in rothen,
goldenenund blauenStickereienimFlechtenstich,
die gleich Riemen oder Bändern die Bestim-
mung haben, die vielen Verbindungs- und
Ansatznähte des Gewandes zu verdecken. Ein
ähnlich gestickter schmaler Saum ist an dem
untern Rande über der Einfassungsnaht dieser
„kllismise" herumgewirkt.
Eine ziemlich verbürgte Tradition, die sich
in der Fretherrlichen Famtlie von Hopfgar-
ten erhalten hat, gibt über das Herkommen
und den Ursprung dieses Gewandes Folgen-
des an.
* Siehe die beiden Zeichnungen Beilage I,
Uro. 8 und 9.
Friedrich derWeise, Churfürst von Sachsen,
war in Begleitung vieler Grafen und Baro-
nen der sächsischen Lande ins heilige Land ge-
zogen, irren wir nicht gegen Ende des 15.
Jahrhunderts, um in Andacht jene denkwür-
dtgen Stätten zu besuchen, die durch den Hei-
land verherrlicht worden waren. Zm Gefolge
desselben befand sich auch nachweislich ein
Ritter von Hopfgarten, der in diesem ein-
fachen leinenen Obergewande über dem heil.
Grabe feierlich zum Ritter desselben geschlagen
und erhoben worden seyn soll.
Es dürfte nun nach dieser ziemlich glaub-
würdigen Tradition dennoch dieses Gewand
vielleicht betrachtet werden können als demü-
thiges Ordenskleid, das am Grabe des Er-
lösers tm Mittelalter über die Waffenrüstung
diejenigen Ritter anlegten, die dort knieend
den Ritterschlag empfingen. So mag denn auch
zur Erinnerung an die Wallfahrt zum heil.
Grabe dieser Herr von Hopfgarten das eben
beschriebene reichgestickteOrdensgewand ange-
legt, käuslich erworben und mit sich in das
Abendland heimgeführt haben, nachdem er an
heiliger Stätte damit feierlichst bekleidet wor-
den war. So dürfte sich auch erklären das
höhere Alter dieses Gewandes, das offenbar,
allen Anzeichen nach, aus dem Schlusse des
13. Jahrhunderts herrührt. Vielleicht mochte
es schon längst in der Ordenskapelle der Ritter
vom heil. Grabe sich mit andern ähnlichen
Gewändern dasselbe vorgefunden haben, und
Jahrhunderte hindurch mit den übrigen Be-
kleidungen immer wieder zur Aufnahme und
Einkleidung neuer Ritter, die als Pilger an-
langten, kirchlich im Gebrauche gewesen seyn.
Dieses Gewand war bis vor wenigen Jahren
immer im Besitze der Nachkommen jenes Rit-
ters von Hopfgarten, und wurde von einem
der Besitzer in neuerer Zett an das herzogliche
Kunstmuseum des Schlosses Friedrichsstein zu
Gotha geschenkt. Iw. Lock.
gesttckt, dte jedesmal aus ihrer Spitze als
Bekrönung zwei romantsche Blattbildungen
ausstrahlen lassen. Die auf der Höhe sich er-
hebenden Laubornameute lassen deutlich in
ihrer Form jene vorgothische Pflanzenbildung
erkennen, die man mit einem Kunstausdrucke
gewöhnlich „tisur 6k lis ki-anoiog. oder kran-
oisog." zu bezeichnen Pflegt.
Diese goldgestickten Ornamente sind im sog.
Flechren- oder Zopfftich auf einer Unterlage
von halbgrober Leinwand tn einfacher Technik
erzielt worden. Die übrigen Flächen deS Kra-
gens sind durch Stickereien in oben bezeich-
neter Weise so ausgefüllt, daß in rother und
blauer Seide in jedesmal abwechselnden Far-
ben ein verschiedenes Colorit auf jeder hal-
birten Seite hervorgerufen wird. Der obere
Theil der Aermel dieses Gewandes ist eben-
falls in gleichartiger Techntk mit dret parallel
nebeneinander laufenden eingestickten Streifen
verztert, deren Ornament* offenbar als ro-
manisirendes Laubwerk kenntlich tst, das, mit
Blättern abwechselnd, jene charmlosen kleine-
ren Thtergestalten in Form'. von Vögeln zu
erkennen gibt, wte sie selten bei reichern Sticke-
reien der vorgothischen Kunstepoche fehlen.
Auf dem Vorder- und Rückentheil dieses Ge-
wandes, das aus einem einfachen Leinstoff von
ziemlicher Gleichheit der Tertur angefertigt
ist, hat der Kunststicker, parallel nebenetnan-
der laufend, auf jeder Seite fünf eingewirkte
Streifen angebracht, abwechselnd in rothen,
goldenenund blauenStickereienimFlechtenstich,
die gleich Riemen oder Bändern die Bestim-
mung haben, die vielen Verbindungs- und
Ansatznähte des Gewandes zu verdecken. Ein
ähnlich gestickter schmaler Saum ist an dem
untern Rande über der Einfassungsnaht dieser
„kllismise" herumgewirkt.
Eine ziemlich verbürgte Tradition, die sich
in der Fretherrlichen Famtlie von Hopfgar-
ten erhalten hat, gibt über das Herkommen
und den Ursprung dieses Gewandes Folgen-
des an.
* Siehe die beiden Zeichnungen Beilage I,
Uro. 8 und 9.
Friedrich derWeise, Churfürst von Sachsen,
war in Begleitung vieler Grafen und Baro-
nen der sächsischen Lande ins heilige Land ge-
zogen, irren wir nicht gegen Ende des 15.
Jahrhunderts, um in Andacht jene denkwür-
dtgen Stätten zu besuchen, die durch den Hei-
land verherrlicht worden waren. Zm Gefolge
desselben befand sich auch nachweislich ein
Ritter von Hopfgarten, der in diesem ein-
fachen leinenen Obergewande über dem heil.
Grabe feierlich zum Ritter desselben geschlagen
und erhoben worden seyn soll.
Es dürfte nun nach dieser ziemlich glaub-
würdigen Tradition dennoch dieses Gewand
vielleicht betrachtet werden können als demü-
thiges Ordenskleid, das am Grabe des Er-
lösers tm Mittelalter über die Waffenrüstung
diejenigen Ritter anlegten, die dort knieend
den Ritterschlag empfingen. So mag denn auch
zur Erinnerung an die Wallfahrt zum heil.
Grabe dieser Herr von Hopfgarten das eben
beschriebene reichgestickteOrdensgewand ange-
legt, käuslich erworben und mit sich in das
Abendland heimgeführt haben, nachdem er an
heiliger Stätte damit feierlichst bekleidet wor-
den war. So dürfte sich auch erklären das
höhere Alter dieses Gewandes, das offenbar,
allen Anzeichen nach, aus dem Schlusse des
13. Jahrhunderts herrührt. Vielleicht mochte
es schon längst in der Ordenskapelle der Ritter
vom heil. Grabe sich mit andern ähnlichen
Gewändern dasselbe vorgefunden haben, und
Jahrhunderte hindurch mit den übrigen Be-
kleidungen immer wieder zur Aufnahme und
Einkleidung neuer Ritter, die als Pilger an-
langten, kirchlich im Gebrauche gewesen seyn.
Dieses Gewand war bis vor wenigen Jahren
immer im Besitze der Nachkommen jenes Rit-
ters von Hopfgarten, und wurde von einem
der Besitzer in neuerer Zett an das herzogliche
Kunstmuseum des Schlosses Friedrichsstein zu
Gotha geschenkt. Iw. Lock.