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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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2. Heft
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Sighart, Joachim: Die Dichterin Roswitha, Nonne im Kloster Gandersheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0031

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21

der heil. Agnes, die beim Martyrium von
ihren Haaren umwallt und dann von Engeln
bekleidet wird; das Wunder vom heil. Gan-
golph, den seine Gemahlin aus unlauterem
Triebe hatte morden lassen, ioofür sie nun
Strafe erleidet, und die Legende vom heil.
Dionysius, der den abgeschlagenen Kopf noch
zwei Meilen bis zu seinem Grabe trägt. Dar-
an schließt sich die Legende vom heil. Theo-
philus, der sich bts zum Bündniß mit der
Hölle verirrt, aber doch am Ende durch Ma-
riens Liebe gerettet wird; die Sagen vom heil.
Prorerius und Pelagtus, die unlauterer Glut
heldenhaft Widerstand leiften.

Daran reihen sich die Dichtungen über das
Leben des Kaisers Otto I. und über die
Gründung ihres Klosters Ganders-
heim. Sie begleitet hier ihren Helden durch
Freude und Leid, von der Wiege bis zum
Throne, und bis zur Krönung seines Nach-
folgers. Weniger die äußern Siege des Kat-
sers besingt sie, als vtelmehr die innern Siege
der Seele, seine Milde gegen Besiegte, seine
verzeihende Großmuth gegenüber seinen Fein-
den. Hier zeigt sich Roswitha als würdige
Dichterin ihres Geschlechtes. Das Gedicht
weiht sie dem jungen Kaiser Otto II. mit den
Worten:

Otto, glänzende Knvspe nnd Schmnck des ger-
manischen Reiches,

Leuchtender, Llühender Sproß des verehrnngs-
würdigen Kaisers,

Dem du als würdiger Sohn nachfolgst, hvch-
thronender König,

Und in erhabenster Macht das Reich thatkräftig
emporhältst,

Möchtest du nicht das schlichte Gewebe der Nvnne
verschmäben;

Hast du doch selbst — erinnerst du dich — mir
jüngstcns befohlen,

Daß ich's wöbe und dann vor die strahlenden
Augen'dir legte;

Siehst du aber des Werks vielfältige Mäugel
und Schatten,

Möchtest du mir sv schnell und willig die Fehler
verzeihen,

Als ich eilte um bald dein hohes Gebot zu
erfüllen.

Den höchsten Ruhm aber erwarb stch Ros-
witha durch Begründung des christlichen Dra-
ma's, indem sie in sechs Komödien geeig-
nete Scenen aus dem Leben der Heiligen vor
Augen sührt. Der Jnhalt dieser Stücke ist
schon der Kern aller romantischen Dichtung,
die Liebe. Aber es ist immer die himmlische
Liebe, die Roswitha im Gegensatz zur stnn-
lichen Glut schildert, oder sie zeigt die irdische
Liebe verklärt oder verscheucht von der Liebe
Christi, oder ste malt die Thorheit und Ver-
blendung der stnnlichen Liebe mit den frische-
sten Farben des Humors.

Der Jnhalt der sechs Stücke ift in Kürze
solgender:

Das erfte heißt Gallikanus. Dieser Galli-
kanus, ein Heide, freit um die Conftantia,
die Tochter des Kaisers Constantinus, und
erhält sie zugesagt, weil seiner der Kaiser im
bevorftehendenKampfbedarf. Conftantia aber
hat sich Christo schon verlobt und scheut diese
Heirath mehr als den Tod. Da sendet Gott
dem Gallikan im Kriege große Noth, er ge-
lobt Chrift zu werden im Fall der Rettung,
wird gerettet und wählt dann selbst das ehe-
lose Leben. So ist die Jungfrau gerettet.
Gallikan aber muß zur Sühnung, weil er der
Jungfrau begehrt hatte, den Martertod er-
dulden.

Jm zweiten Stücke bereitet Dulcitius drei
christlichen Jungfrauen Nachstellungen. Gott
aber blendet ihn, Dulcitius sieht drei rußige
Töpfe sür die Jungfrauen an und macht sich
ganz schwarz, wofür er wacker ausgelacht
wird. Aus Rache bewirkt er dann den.Mar-
tertod der drei heil. Jungfrauen.

Jm dritten Stücke wird die sinnlicheLtebes-
glut des Kallimachus gegen Drusiana geschil-
dert. Sie erlischt selbst beim Tode derselben
nicht. Als er ihr aber zu nahen wagt, packt
ihn eine Schlange und tödtet ihn. Beide aber
werden durch den Liebesjünger Johannes wie-
der zum Leben erweckt und wethen nun ihr
Leben Christo.

Das vierte Stück zeigt uns den Asceten
Abraham in der Wüste. Er hört mit Schmerz
 
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