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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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2. Heft
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Etwas über Stylformen und Technik der Stickerei: Zum II. Heft der "Geschichte der liturgischen Gewänder von Fr. Bock"
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0033

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fassen, einigeKenntniß der Stylsormcn haben,
um mit sicherem Bltcke alles Unwürdige aus-
zuscheiden, Passendes zusammenzustellen und
in hundert Fällen sich zu berathen, wo man
ohne Stylkenntniß irre gehen müßte.

Wte oft z. V. mag die Leserin des Ktrchen-
schmuckes schon gewünscht haben, eines un-
sererMuster etwas einfacher auszuführen oder
ein darin enthaltenes Motiv für einen anderen
Gegenstand zu benützen. Sie wird diese Auf-
gabe nicht lösen können, wenn sie ntcht den
Charakter der Zeichnung und der in ihr ent-
haltenen Ornamente genau kennt, das Wesent-
liche vom Zufälligen zu unterscheiden und die
für eine andere Stickart gebotenen Berände-
rungen anzubrtngen weiß.

Wie ist aber diese nöthige Stylkenntniß zu
erwerben? Jedenfalls nicht durch Bücher und
Abhandlungen, und wären es auch die besten,
sondern durch Anschauung, llntersnchung und
Vergleichung recht vieler Muster. Darum
würden wir hier auch kein Wort darüber
verlieren, wenn nicht das Werk des Hrn. Bock
uns in den Stand setzte, den Mangel an Mu-
stern durch getreue Abzeichnungen zu ersetzen.
Die neunzehn Farbdruckrafeln der 2-Lieferung
bieten eine chronologisch geordnete Reihe von
Abbildungen, in welchen Originalstickereien
so treu dargestellt stnd, daß ste nicht nur von
den Stylformen und der Farbenzusammen-
stellung ein belehrendes Bild geben, sondern
auch die Technik erkennen lassen, in welcher
die Originalien ausgeführt st'nd. Sie bilden
eine Mustergallerte, welche eine weitläufige
Beschreibung überflüssig macht.

Um die vergleichende Durchsicht der Tafeln
zu erleichtern und unsern Lesern zugleich eine
Vorstellung von dem Reichthum des belobten
Werkes zu geben, wollen wir nur die zur Er-
läuterung nöthigen Notizen kurz zusammen-
stellen.

Tafel I ist die einzige, welche keine Zmita-
tion etner Stickerei enthält, sondern die Ab-
bildung einer Elfenbeinschnitzerei aus der romi-
schen Kaiserzeit. An den darauf abgebildeten
Magistratspersonen und Triumphatoren er-

blickt man die durch Nadelarbeit hergeftellten
Verzierungen, unter welchen außer den Nach-
ahmungen des griechischen Mäanders beson-
ders die Palmette hervortritt, bald guirlanden-
förmig gereiht, bald zu Blumen zusammen-
gesetzt.

Taf. II enthält ein Vruchstück von einer al-
ten Stickerei, die durch die architektonische
Etnfassung der Bilder, noch mehr aber durch
die noch etwas rohe, unentwickelte Form der
Figuren zur Vermuthung berechtigt, daß ste
schon vor dem lO.Jahrhundert entstanden sey.
Die Figur Christi in seiner Herrlichkeit sitzt tn
einem Vierpaß, umgeben von stehenden Apo-
steln, deren Umrahmung einer romanifchen
Arkadenstellung nachgebildet ist.

Auch die Technik ist noch ziemlich roh, durch
die horizontale Lage des Stichs bekommen die
Figuren ein steifes Anfehen.

Die als Verzierung eingestreuten Kreuzchen
erinnern an byzantinische Gemälde, der mehr-
mals vorkommende Halbmond veranlaßt den
Verfasser, auf sarazenische Arbeiter zu schlie-
ßen. — Bemerkenswerth ist, daß bei dieser
Stickerei schon dem Purpurgrund eine starke
Leinwand unterlegt ist, um der Arbeit,
befonders den aufgesetzten Goldfäden einen
starken Halt zu geben.

Bei Tas III haben wir eine Stickerei, welche
als ein Werk der Königin Gisela, Gemahlin
des heil. Stephan von Ungarn vom Jahr 1031
beurkundet ist. Sie gehört zu einem Krö-
nungsmantel in Form der alten großen Ka-
sula. Die noch ziemlich steifen Ftguren stnd in
ovalen Compartimenten oder unter thurmför-
migen Baldachinen aufgestellt, und auf pur-
purnem Grund mit Goldfäden dargestellt tn
einer Weise, die wir unter dem Namen Heft-
stich oder Ueberfangstich schon öfter em-
pfohlen haben. Es sind nämlich die Gold-
fäden nicht durch den Grundstoff durchgezogen,
sondern auf demselben eng nebeneinander ge-
legt, und mit Stichen von gedrehtem Seide-
faden festgemacht. Durch dieses Versahren
erreicht man noch zwei besondere Vortheile,
nämlich daß der Grundftoff nicht so stark durch-
 
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