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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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4. Heft
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Disposition der Kirchen,[2]: Styl oder nicht?
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0075

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60

Segen für's ganze Land, weil eine praktische
Schule des Baumeisters und Handwerkers.

Die vielen, soltd und wohlfeil eingewölbten
Kirchen in der Umgebung des Doms aus
neuerer Zeit stnd Zeugen davon.

Es sollte der Beweis gelungen seyn, daß
Styl und Lurus nicht gletchbedeutend, Styl
und Sparsamkeit nichts einander Widerspre-
chendes sind. Damit ist auch die Meinung,
daß man durch Verwersung etwa des gothi-
schen Styls oder durch grundsätzliche Styl-
losigkeit der Sache der Armuth förderlich wird,
als unwahr erwiesen. Was soll es daher be-
deuten, wenn bei einem Kirchenprojekt von der
Meinung ausgegangen wird: „Es handelt sich
uns nicht um etwas Schönes, sondern um
einen zweckmäßtgen Bau für unser Bedürf-
niß," Bauet stylgerecht, erwidern wtr —
trefset eine gute Wahl des Styls und der
Stylperiode, Lleibt dem gewählten treu, dann
werdet ihr das Zweckmäßigste auf wohlfetl-
stem Wege bekommen und dte Schönheit oben-
drein.

Wie übel wären unsere Boreltern daran
gewesen, die einen so ausgebtldeten Schön-
heitssinn hatten. Zu ihrem Unglücke, müßten
wirsagen, denn da zugestandenermaßendte mei-
sten Bauwerke von ihrer Hand sind, so muß-
ten sie in gleichem Maße unzweckmäßig oder
verschwenderisch seyn. Haben sie denn viel-
leicht neben die „schöne" Kirche einen Schup-
pen im Fiskusstyl gestellt, damit das andäch-
tige Volk neben der Augenweide auch das
Zweckmäßigkeitslokal nicht vermisse?

Um die Theorie in ihrem ganzen Glanz zu
zeigen, stellen wir etne Eintheilung auf:

1) Schön, aber nicht zweckmäßig.

Diese Klasse wäre nur für Leute, die über-

stüssiges Geld haben.

2) Zweckmäßig, aber nicht schön.

Es kömmt auf die Probe an. Wenn nur
der Zweck selbst sich vom Schönen ablösen
ließe!

3) Schön und zweckmäßig.

An dteser Aufgabe verzweifelt die Theorte.

4) Weder schön noch zweckmäßig.

Jn dieser Klasse haben namentlich die „Un-
parteiischen" das Mögliche geliefert.

Eine dankbare Preisaufgabe wäre es sür
junge Bauschüler: Jn welche dieser vier Klas-
sen gehören die katholischen Kirchen tn den
südweftdeutschen protestantischen Residenz-
städten?

So lange sie sich an der Lösung dieser
Frage üben, beschließen wir unsere zweite
Vorfrage:

Der Styl ist kein Feind der Armuth, son-
dern ihr treuester und zuverlässigster Rath-
geber.

Der Styl macht es möglich, sich auf die
nothwendigsten construktiven Elemente zu be-
schränken, das sparsamste Maß einzuhalten,
ohne den Schönheitszweck zu beeinträchtigen.
Jm Gegentheil:

Der Styl ersetzt den Schmuck, weil er alle
Glieder bis aufs Kleinfte in organischem Zu-
sammenhang, in wohlthuender Unterordnung
hält, so daß jedes zum Schmucke beiträgt.
Der Styl weiß das unumgänglich Nothwen-
dige angemessen darzustellen, daß es zugleich
schön ist, ja dem ungeübten Auge bloße Ver-
zierung zu seyn scheint, während es Lescheiden
seinen Dienst thut.

Der Styl verwirft alles eitle, schnellver-
gängliche Surrogatwesen.

Der Styl ist also nicht „theuer".

Theuer aber und verschwenderisch ist das
regellose Wühlen in Formen und Materialien,
und noch dazu unschön und unzweckmäßig.

Der Styl gewährt endlich der Prachtliebe
die angemessensten Mittel, um Verzierungen
ohne Schaden derZweckmäßigkeit und Dauer-
haftigkeit anzubringen.

Der Styl ist für die größten und kleinften
Bauten, für die ärmsten und glänzendsten
Vermögensverhältnisse gleich nothwendtg.
 
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