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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 5.1859

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5. Heft
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Die Orgel, [3]: einiges über den Charakter und die Anwendung der Tonmittel
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https://doi.org/10.11588/diglit.18468#0089

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man sie zu 16, 8 und 4 Fuß am häufigsten.
Hieher gehören: Gamba, Salcional, Salieet,
Geigenprinzipal, Pifaro, Fugara, Violon,
Violoncello rc. Von gemischlen Registern
können hieher gezählt werden: Cymbel und
Scharf.

Man sieht, daß tiefe Fülle und Dicke des
Tones sowohl, als auch große Anuehmlichkeit
desselben vorherrschend bei den Flöten, Stärke,
Offenheit und Pracht bei deu Prinzipalen,
Feinheil und Klarheit bei den Gamben zu
suchen ist.

Noch größere Helle und wie man sagt „bril-
lantere Färbung" des Tones gewähren die
Zungenregister. Es ist unbestreitbar, daß sie
in neuen Orgeln viel leisten. Jhr Klang ist
durchdringend und erregt durch sein Schwir-
ren für manche Ohren einen ganz besonderen
Reiz, welcher nicht selten anfangs bestechend
wirkt. Desto bälder werden Viele ihres
Schnarrens satt, ja übersatt. Jn Verbindung
mit Labialstimmen wirken sie gut. Das Volle,
Solide der letzteren findet in ihrer Keckheit
einen passenden Gehülfen. Doch trugen die
Zungenstimmen bisher Eigenschaften in sich,
die sie nicht für die Dauer empfehlen konnten,
sondern nur zu Lieblingen einer Zeit machten.
Wir haben ältere Orgeln, in welchen eine
Menge großer und kleiner Schnarrwerke sich
finden. Sie gestelen so sehr, daß man einer
großen Zahl aus ihnen den Namen „Regale"
gab. Wie sind sie aber auf uns gekommen?
Fast sämmtliche gänzlich verdorben und un-
brauchbar: während die neben ihnen stehenden
Labialregister mit der früheren Fülle und
Kraft noch ertönen, und nicht selten durch ihre
trefflichen Leistungen Mufter für unsere jetzige
im Orgelbau (wie man gern sich sagt) so
weit vorangeschrittene Zeit bilden. Es ist
an den Zungen schon viel an Material und
Zubereitung geändert worden. Ob es aber
Verbesserungen sind, welche ihnen größere
Dauer geben, muß erst die Zeit lehren. Un-
sere Erfahrungen lassen uns nicht sanguinisch
hoffen.

Wtr haben schon auf den großen Unter-

schied aufmerksam gemacht, der bei der An-
fertigung der Labial- und der Zungenpfeisen
hinsichtltch der Solidität ihrer tonerzeugenden
Theile besteht. Welche Erfindung kann diese
Differenz beseitigen? Alle bis jetzt angewen-
deten Zungen, soweit sie uns bekannt wurden,
stehen ntcht nur in ihrer Dauer den Labien
nach, sondern stnd auch gegen jede einzelne
Witterungsveränderung viel empfindlicher als
diese. Jn Folge dessen verstimmen sie sich oft
sehr schnell und fehr stark, verlangen darum,
daß sie oft gestimmt werden. Ein fleißiger
Organist geht die Zungenregister setner Orgel
vor jedem Feste durch, dessen Feier sie er-
höhen helfen sollen. Die Vorabende der Feste
können in unserenKirchen hiezu nicht verwendet
werden, denn sie sind Verrtchtungen gewidmet,
die das Pfeifen der Orgel zum Zwecke des
Stimmens verbieten und die ungleich wichti-
ger sind. Wird aber in der Zwischenzeit die
Luft der Kirche wärmer oder kälter oder gar
feuchter, so ift es um den Gebrauch dieser Re-
gister bei dem Feste geschehen. Schlimm, daß
diese Luftveränderung die Regel ist, wenn
nicht wegen der Witterung, fo doch in Folge
der gesüllten Kirche. Unter so bewandten Ver-
hältnissen darf angenommen werden, daß die
Zungenstimmen bei ihrem Gebrauche selten
ganz rein mit den übrigen Registern
stimmen. Was wird aber dadurch aus der
von ihnen erwarteten Helle und Klarhett? Ein
unreiner Ton, der so recht geeigenschaftet ist,
der Ausdruck eines unsauberen, srechen We-
sens zu seyn. Solche Töne gehören doch ge-
wiß nicht in die Kirche, und dieser einzige
Umstand macht die Hauptvortheile der Zun-
genwerke größtentheils zu nichte.

Hiezu kommt noch der Kostenpunkt. Jhre
Anfertigung kommt erheblich theurer als die
der Labialregifter zu stehen.

Aus dem bisher über die Zungenregtster
Gesagten dürfte gefolgert werden:

1) Si-e sind nur in solche Kirchen zu
bauen, die ihre Lufttemperatur vermöge
ihrer Bauart nur langsam ändern; also
Z i gehören sie vor Allem nicht tn kleine,
 
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