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Der zweite Pnnische Krieg nach Cannae.
Delbrück.
Widerlegung.
Stärke der
Jahrgänge.
Auf anderem Wege hat deshalb Delbrück zu helfen gesucht, ist
aber in seinen positiven Vorschlägen nicht so glücklich gewesen, wie
in seiner Abwehr.
Er sucht den Nachweis zu führen, daß die Römer in der Zeit
nach Cannae gar nicht mehr in der Lage gewesen wären, alljährlich
zwei Legionen in der Normalstärke von 9000 Mann römischer Bürger-
truppen — von den Bundesgenossen ist hier zunächst überhaupt nicht
die Rede — aufzustellen. Denn unmittelbar nach Cannae — so meint
er — seien die Kräfte der Römer so erschöpft gewesen, daß sie zur
Aufstellung von Sklavenlegionen hätten greifen müssen, weil keine
disponibeln Mannschaften mehr vorhanden gewesen wären. Daher
habe auch in den folgenden Jahren für Neubildung von Legionen nur
immer der Jahrgang zur Verfügung gestanden, welcher ins waffen-
fähige Alter eingetreten sei. Dieser Jahrgang habe aber nicht an-
nähernd 9000 Mann, sondern nach strenger Berechnung nur 6740 Mann
betragen und könne im Maximum auf 7000—7500 Mann veranschlagt
werden, eine Summe, von der aber noch die Unabkömmlichen und
Untauglichen in Abzug gebracht werden müßten. Die Summe von
6740 Mann errechnet er daraus, daß er die Zahl aller männlichen
römischen Bürger auf 270 000 annimmt, von denen durch den Abfall
Capuas noch etwa 25 000 in Abzug zu bringen seien. Da nun nach
modernen statistischen Ergebnissen der Jahrgang der 17 jährigen auf
23/4 Proz. aller über 17 Jahre alten Männer zu veranschlagen sei,
so ergeben sich 6740 Männer daraus als 23/4 Proz. von 245 000.
Die Grundlagen dieser Rechnung sind indessen nicht zutreffend,
Die Zahl von 270 000 oder genauer 273 000 römischen Bürgern
beruht auf der Angabe des Polybios II 24, 16, daß die Menge der
Wehrfähigen (tö nlfj^og töjv öwa^evcov önlci ßaoraCeiv) so groß ge-
wesen sei. Selbst wenn man nicht mitMommsen1) und Nissen2) an-
nehmen will, daß darunter nur die Leute vom vollendeten 17ten bis
zum vollendeten 46sten Jahre zu verstehen seien, so kann man doch
kaum in diese Summe die Greise über 60 Jahre mit einschließen, am
allerwenigsten in einem Verzeichnisse, das zu zeigen bestimmt ist,
wie groß das Soldatenmaterial war, das Rom Hannibal entgegen-
1) Das Verzeichnis der italischen Wehrfähigen vom Jahre 529 der Stadt Rom.
Forsch. II 382. Staatsrecht II3 411.
2) Ital. Landesk. II 104 f.
Der zweite Pnnische Krieg nach Cannae.
Delbrück.
Widerlegung.
Stärke der
Jahrgänge.
Auf anderem Wege hat deshalb Delbrück zu helfen gesucht, ist
aber in seinen positiven Vorschlägen nicht so glücklich gewesen, wie
in seiner Abwehr.
Er sucht den Nachweis zu führen, daß die Römer in der Zeit
nach Cannae gar nicht mehr in der Lage gewesen wären, alljährlich
zwei Legionen in der Normalstärke von 9000 Mann römischer Bürger-
truppen — von den Bundesgenossen ist hier zunächst überhaupt nicht
die Rede — aufzustellen. Denn unmittelbar nach Cannae — so meint
er — seien die Kräfte der Römer so erschöpft gewesen, daß sie zur
Aufstellung von Sklavenlegionen hätten greifen müssen, weil keine
disponibeln Mannschaften mehr vorhanden gewesen wären. Daher
habe auch in den folgenden Jahren für Neubildung von Legionen nur
immer der Jahrgang zur Verfügung gestanden, welcher ins waffen-
fähige Alter eingetreten sei. Dieser Jahrgang habe aber nicht an-
nähernd 9000 Mann, sondern nach strenger Berechnung nur 6740 Mann
betragen und könne im Maximum auf 7000—7500 Mann veranschlagt
werden, eine Summe, von der aber noch die Unabkömmlichen und
Untauglichen in Abzug gebracht werden müßten. Die Summe von
6740 Mann errechnet er daraus, daß er die Zahl aller männlichen
römischen Bürger auf 270 000 annimmt, von denen durch den Abfall
Capuas noch etwa 25 000 in Abzug zu bringen seien. Da nun nach
modernen statistischen Ergebnissen der Jahrgang der 17 jährigen auf
23/4 Proz. aller über 17 Jahre alten Männer zu veranschlagen sei,
so ergeben sich 6740 Männer daraus als 23/4 Proz. von 245 000.
Die Grundlagen dieser Rechnung sind indessen nicht zutreffend,
Die Zahl von 270 000 oder genauer 273 000 römischen Bürgern
beruht auf der Angabe des Polybios II 24, 16, daß die Menge der
Wehrfähigen (tö nlfj^og töjv öwa^evcov önlci ßaoraCeiv) so groß ge-
wesen sei. Selbst wenn man nicht mitMommsen1) und Nissen2) an-
nehmen will, daß darunter nur die Leute vom vollendeten 17ten bis
zum vollendeten 46sten Jahre zu verstehen seien, so kann man doch
kaum in diese Summe die Greise über 60 Jahre mit einschließen, am
allerwenigsten in einem Verzeichnisse, das zu zeigen bestimmt ist,
wie groß das Soldatenmaterial war, das Rom Hannibal entgegen-
1) Das Verzeichnis der italischen Wehrfähigen vom Jahre 529 der Stadt Rom.
Forsch. II 382. Staatsrecht II3 411.
2) Ital. Landesk. II 104 f.