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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Erinnerungen an Nikolaus Gysis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0107

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Erinnerung a» Nikolaus Gysis.

Wirkung kommt. Die schminke — ist sie nicht in
außerordentlich vielen Fällen der Ausgangs- und
Endpunkt eines ganzen Areises von Vorstellungen,
auch beim künstlerischen schaffen? Strahlen nicht
Makarts Bilder mit Darstellungen femininer Ge-
schöpfe einen förmlichen Dunst aus, wie er jenen
Räumen eigen ist, in denen weibliches Raffinement
der Toilette verborgenste Geheimnisse offenbart?
bsetärenkünste gebären petärenkunst. Gewiß, sie bildet
auch einen charakteristischen Bestandteil des antiken
Lebens und war nicht mit Gesetzen auf enge Wir-
kungskreise zusammengepreßt, weil ja alle hier in
Betracht kommenden Lebensbegriffe der Natur näher-
standen als unsere heutigen. Und dennoch zogen
diese Einflüsse niemals ein in das künstlerisch am
höchsten stehende Äußerungsvermögen und seine
Werke.

Gysis' Aunst entbehrt jeder Aompliziertheit.
War er in früheren Tagen ein Schilderer bestimmter
Episoden, besonderer Trachten, besonderer Menschen-
typen gewesen, hatte der Einfall eine nicht unwesent-
liche Rolle in seinen Bildern gespielt und der erzählende
Maler Darstellungsmomente ergriffen, die seinen
Schöpfungen einen großen Reiz verleihen, so steht
er in der pöhe seines Schaffens als ein Denker da.
Er vertieft sich nicht mehr in die möglichst charak-
teristische Wiedergabe der Erscheinungswelt über-
haupt, sondern ihre Vervollkommnung, ihre Ver-
feinerung, ihre Durchgeistigung bildet das bezeichnende
Moment seines späteren Schaffens. Er variiert die
Themata nicht mehr, wie es der Maler Gysis
tat, der auf einem Bilde dieses, auf einem anderen
jenes „Sujet" behandelt, das eine Mal einen orienta-
lischen ^ühnerdieb, das andere Mal die kjundevisitation
in einem oberbayerischen Dorfe, die Aarten schlagende
Sibylle, die einem Ureis bildschöner, junger Griechen-
mädchen prophetische Dinge sagt, oder eine „Uinder-
verlobung", den „Uarneval in Athen" oder eine
„Szene aus dem griechischen Befreiungskämpfe." Er
zieht seine Grenzen scheinbar enger, indem er sie
um ein höher zu veranschlagendes Gut zieht. Schrieb
er früher einmal in sein Tagebuch: „Ich glaube
etwas mehr von meiner Uunst zu verstehen, aber
ich muß noch außerordentlich viel arbeiten und mich
bemühen, meine Farben feiner zusammenzustimmen,
um meine Bilder noch mehr in Erscheinung zu
bringen. Das Verhältnis der Figuren zum kjinter-
grunde muß ich noch gründlicher studieren, die Fi-
guren einfacher halten, aber sehr richtig im Lokal-
ton", so äußert sich darin die Anschauung einer Ent-
wickelungsperiode, in der die meisten stecken bleiben,
um dann als „Waler" ihr Brot zu verdienen. In
seiner späteren Entwickelung ist seine Aunst ein

[65. Gewandstudie zum „Trinmphzug der Bavaria" von
f N. Gysi s.

Hymnus an die Schönheit, getragen, groß; die Fi-
guren sind ihm nur insofern Probleme, als er be-
strebt ist, immer einfacher in der Auffassung, immer
größer im Ausdrucke zu werden. Es handelt sich
beim Walen dieser Dinge nicht mehr um das
charakteristische Auseinanderhalten stofflicher Er-
scheinungen, sondern bloß um die durchgeistigte
Ausdrucksweise eines Aünstlers, der feine Studien
aufs sorgfältigste vorbereitet und durchführt, um sie
in abgeklärter Form der künstlerischen Niederlegung
seiner Vorstellungskreise einzufügen. Vervollkomm-
I nung des eigenen Denkens, Fühlens, Sprechens,

St
 
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