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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Hagen, Luise: Die Kunststickerei in der Entwicklung des modernen Stils
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0360

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Die Kunststickerei tu der Entwicklung des modernen Stils.

567 u. 568. Tischläufer (-Ende) von Ann Macbeth,
Glasgow. (V6 der wirkl. Gr.)

Begriffe und fragen kümmern sollen. Sie gehen
von der Ansicht aus, was wir zeichnen, muß ge-
stickt werden. Sehr oft kennen sie nicht die Arbeits
weise, wissen nicht, ob sie für Maschinen- oder lsand-
technik zeichnen, geschweige denn, welche Maschinen-
technik etwa ihrem Entwurf am besten gerecht wird.
Einer Künstlerin wurde geraten, einen bestinnnten
Entwurf tambourieren zu lassen. Sie ließ ihn kurbeln,
und beschwerte sich dann, daß die Maschine un-
genügend arbeite, weil die Arbeit plump und schwer-
fällig geriet. Als ob nicht die Maschine mit ihrer
unendlich erhöhtet; Gebundenheit der Technik eilt
hundertfach verinehrtes liebevolles Eingehen auf ihre
Eigenart gerade von der Zeichnerin verlangte!

Es ist unmöglich von Stickereien zu sprechen,
ohne diese Übelstände zu streifen, vielleicht wäre
etwas mehr fjärte seitens der Ausstellungsleitungen
hier am Platze — jetzt, nachdem der Mangel an
Angebot nicht mehr den Grundsatz rechtfertigt: das
Moderne um des Modernen willen. Die verhältnis-

ntäßig reiche Ausbeute an Beispielen von richtiger
Auffassung und gesunder Entwicklung, die als
Zllustrationsmaterial heute vorliegen, läßt erkennen,
wie wenig Schaden eine streitgere Auswahl stiften
würde.

Die Stickkunst verfügt über eine so unerschöpf-
liche ^ülle von künstlerischen Möglichkeiten, eine so
endlose Kette von Verbindungen der Materialwerte
ist hier zulässig, daß es auf den ersten Blick be-
fremdet, wenn die Moderne auf diese unbegrenzte
Perspektive zunächst gar keinen Wert zu legen scheint.
Ein starker Bruchteil dieses schüchternen Auftretens,
dieser gewollten Einfachheit, muß wohl oder übel
darauf zurückgeführt werden, daß die entwerfenden
Künstler und Künstlerinnen keine praktische Kenntnis
der Technik besitzen — oder wenn schon, doch nur
die konventionelle technische Handhabung der rein
geschäftsmäßigen Unternehmungen und solcher Ateliers
berücksichtigen, die mehr oder minder aus den Massen-
unrsatz angewiesen sind. Nun ist der augenblicklich

569- Gesticktes tVandfeld von Ann Macbeth, Glasgow. (>/g der wirkl. Gr.)

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