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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Hagen, Luise: Die Kunststickerei in der Entwicklung des modernen Stils
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0362

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Die Kunststickerei in der Entwicklung des modernen Stils.

572. Wandfeld, Stickerei von Anna Boberg, Stockholm. (Ungef. 1/12 der wirk!. Gr.)

ein besonderer, aus der Ligenart des Materials ent-
springender Reiz geschätzt. Man hat das Unter-
kleben der Applikationen mit Pergamentpapier oder
feiner Wachsleinwand hübsch in die Schreckens-
kammer der „Materiallügen" verbannt, woselbst es
sich mit dem ebenfalls mißliebigen Fournier der
Holzmöbel in guter Gesellschaft befindet. Das Four-

575. Kiffen von Frau Vlga Schirlitz-Behrendt, München. Maschinenstickerei.
Heller graugelber Samt mit bunter Seidenstickerei. (V» der wirkl. Gr.)

nier ist jüngst von Professor
S. Leisching wieder zu Ehren
gebracht; an den Stickereien
werden die durchgestoßenen Teile
der Fältchen sehr bald wieder
eine Änderung der prinzipiellen
Stellung nötig machen, Für
bewegliche Banner und Fahnen
mag das Unterkleben der Stoffe
bisweilen bedenklich sein; für
feste Wandbehänge usw. ist
es oftinals dringend geboten.
Landarbeit jeglicher Art stellt
in der Gegenwart einen zu
hohen Geldwert dar, als daß
auch die Reichsten sich gestatten
könnten, sie in leichtvergäng-
licher Form zu benutzen. Fräul.
Millicent Beveridge, Glas-
gow, die mit den zwei Arbeits-
beuteln (Abb. 570 u. 57 f) nicht
ganz von ihrer besten Seite zur
Geltung kommt, steht teilweise
im Zeichen dieses Irrtums. Die
Arbeit ist allerdings nicht zu
mühselig, um schwere Borwürfe
zu rechtfertigen. Zn einem sehr
allgemeinen Sinne tragen diese
Arbeiten den Charakter des
Cottage-style; das Riffen von
Anne Macbeth kann sogar als
typisch für einen »shootnig-box-
style« gelten, d. h. also Iagdbudenstil. Die Gewohn-
heit der britischen geniry, überall irgend ein Häus-
lein für einige Wochen im Jahre zu besitzen oder zu
mieten, beeinflußt nämlich im hohen Grade das
moderne Aunsthandwerk in Großbritannien. Man
hat außer diesen Tottages und Boxes für Iagd-
und Angelzwecks immer noch sein feststehendes offi-
zielles Heim, das keineswegs purita-
nisch ausgestattet und um so höher
geschätzt wird, je mehr wertvolle
Überlieferung es in Gestalt kunst
gewerblichen Familienbesitzes enthält.

Inwieweit der große Zug zur
Bereinfachung, der auch in unfern
deutschen Stickereien so stark hervor-
tritt, auf mißverstandene Einflüsse des
Tottage und Borortstils der Eng-
länder zurückzuführen ist, wird schwer
zu entscheiden sein. Eigenartig mutet
es jedenfalls an, daß in der Stick-
kunft der Schweden, die doch minder
 
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