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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Berlepsch-Valendàs: Der neue Bodenseedampfer "Lindau"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0015

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Der neue Bodenseedampfer „Lindau".

3. Bodenseedampfer „Lindau". Speifefaal I. Kl., entworfen von £}. E. v. Berlepfch-Balendäs,
ausgeführt von Sof. Rathgeber, München.

tischer Arbeit. Die Studentenschaft der Universität
Zürich, die notabene unter einem Dache mit der
polytechnischen Schule ihre Aollegien hört, sie nahm
nicht teil am Jubelfeste der Schwesteranstalt! Das
ist gerade bezeichnend genug für einen Standpunkt,
der wahrhaftig wenig Verständnis für den Gang der
Zeit verrät.

Zst's da ein Wunder, wenn man noch täglich
Dinge entstehen sieht, die ihre formen einer ent-
schwundenen Welt entnehmen, um mit ihnen zu
umkleiden, was kräftiger, machtvoller, selbständiger
eigentlich zu neuen Leistungen führen müßte! Wohl
spannt man an Stelle steinerner Gewölbe mächtige
eiserne Bogen über den Lauf der Ströme, um den
modernen Weltverkehr überzuführen von Land zu
Land, aber man gibt ihnen Portale, deren Archi-
tektur von romanischen Airchen entlehnt ist. Wohl
überdeckt man die fallen der Bahnhöfe mit Glas
und (Eifert, weil die Materialien der klassischen
Architektur nicht ausreichen, um die Ausführung der
nötigen Spannweiten stützenlos zu gestalten, aber

diese Hora des heutigen Handels und Wandels
werden umkleidet mit formen, halb entnommen der
f?alastarchitektur vergangener Zeiten, halb derjenigen
sakraler Bauten. Tritt aber bei Aonkurrenzen, die
solchen Aufgaben gelten, einer auf, wie z. B. Olbrich
bei der Aonkurrenz für den neuen Bahnhof zu
Bafel, so wird jede frische Anregung, die in den
Projekten selbständiger Geister liegt, beiseite ge-
schoben und dem ausgeleierten (Einerlei abermals
in den Sattel geholfen. Alle Beispiele dieser Art,
die sich in endlosen Reihen aufführen ließen, be-
weisen die Rückständigkeit der Anschauung in Aünstler-
kreisen ebenso wie in anderen Gesellschaftssphären,
die kraft abgelegter (Examina, kraft erworbener Schul-
zeugnisse aller Art nicht bloß die „Stützen der Gesell-
schaft" bilden, sondern auch als Stützen der ästhetischen
Anschauung weiter Areise gelten. So ist es denn
auch kein Wunder, wenn an modernen Maschinen
der Mißbrauch sich eingebürgert hat, wenigstens Teile
ornamental auszubilden. Was aber in aller Welt
hat eine Nähmaschine mit Akantusblättern, was

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