Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

DOI Artikel:
Heilmeyer, Alexander: Neuere Münchener Grabmäler, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neuere Münchener Grabmäler.

einer solchen Anlage Schönheit und Reiz verleihen
kann. Wie ist vor allein die vorhandene Situation
klug und geschickt genutzt, das Terrain an passender
Stelle terrassenförmig abgestuft und mit einer aus-
gedehnten prächtigen Brunnenanlage versehen! Es
sind nach Möglichkeit günstige Situationen wenigstens
für größere Grabanlagen geschaffen, freilich be-
dingten die bestehenden Verhältnisse eine schematische
Einteilung des Gräberfeldes und daraus erfolgt
wiederum die Verwendung gewisser immer wieder-
kehrender Formen freistehender Grabsteine, Stelen,
Säulen, Pyramiden, Obelisken. 3m allgemeinen
bietet aber die auf das Mindestmaß zugeschnittene
Bodensiäche von 0,75 m Breite für das Einzelgrab
keine günstige Gelegenheit zur Entfaltung bildne-
rischen Schmuckes. Die einzige Möglichkeit, in der
sich die Formen frei entfalten können, ist die ver-
tikale Richtung. Jeder Stein muß sich, um vor
seinem Nachbarn gesehen zu werden, in die Höhe
strecken, daher die Vorliebe für Pyramiden, Säulen,
Obelisken. Die Steine sind in langen Reihen wie
nach militärischem s?aradeschema aufgestellt. Die
Friedhofmauern, die einige Gelegenheit zur An-
bringung von Flächenschmuck Epitaph, Aenotaph
usw. bieten könnten, dürfen nicht berührt werden
Daher sind eine Menge früher oft verwendeter Aunst-
formen nahezu ausgestorben; man kennt sie nur mehr
dem Namen nach. Der Architekt kann allerdings
durch die besondere Anlage der Friedhöfe, vielleicht
gerade durch Terrassierung, durch Mauern usw.
günstigere Situationen schaffen, und der plastischen
Aunst den Boden bereiten. Denn gerade sie fände
hier ein reiches Feld für ihre Betätigung. Die
Statuar- und Reliefbildnerei könnte sich bester ent-
falten, eine Menge Werkformen, die im Zusammen-
hang mit der Architektur entstehen, wie Aariatyde,
Medaillon, Tympanon, Triptychon usw., kämen
wieder in Gebrauch. Nicht nur Stein- und Bronze-
plastik sondern auch jede andere Art Materialien,
gebrannter Ton, Majolika, Holz, Mosaik und
Malerei müßten viel mehr als jetzt geschieht, zum
Schmucke unserer Grabstätten und Friedhöfe heran-
gezogen werden.

In München haben diese künstlerischen Bestre-
bungen nie ganz geruht. Wir dürfen nur den alten
Teil des südlichen Friedhofes betreten, so erkennen
wir an den dort aufgestellten Grabmalen, daß sich
der Faden der Tradition vom f8. ins fsi. Jahr-
hundert und von da ins 20. hinüber gezogen hat.
Wohl zunächst infolge des ununterbrochenen Bedürf-
nisses blieb unter den Steinmetzen und Bildhauern
eine gewisse Tradition erhalten, die sich in unserer
Gegend nicht nur in bestimmten Formen, sondern

\25. Fritz Behn, für Hamburg ausgeführt; Grabmal Selb.

auch in der Verwendung bestimmter immer wieder-
kehrender Gesteinsarten zeigt.

An den Umfassungsmauern des alten südlichen
Friedhofes findet man die ersten Versuche einer mehr
künstlerischen Ausgestaltung. Der später hinzugebaute
und nach italienischem Muster angelegte Campo Santo
wurde auch die erste Veranlassung einer rasch auf-
blühenden Grabmalskunft und galt lange Zeit als
vorbildliche Anlage. Ein gut Teil Münchener Aunft
aus dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts
ist an diesem Orte vereint. Auch auf dem offenen
Gräberfeld bemerkt man überall Versuche, die kon-
ventionellen Formen der Grabmälerindustrie zu über-
winden und eigenem Gefühl und Schönheitsbedürfnis
Ausdruck zu leihen. Statt der Obelisken, Säulen,

63
 
Annotationen