DOI article:
Westheim, Paul: Diez-Vignetten
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0380
Diez-Vignetten.
in deutschen Landen nicht schon alles mit dem Buben
Amor angestellt worden? Lin linkisches Getändel
mit süßlich-schleimigen Liebessentiments; Zeichner-
schweiß, der wie Roscnwasser duften möchte. Diez
hat cs verstanden, diesen schmierig gewordenen Amor-
begriff wieder aus der mädchenhaften Schwabbelig-
keit in die Sphäre männlich gemessener würde zu
retten. Diese Verlobungs- und Vermählungsvignetten
haben bei aller Keckheit der Erfindung formale Derb-
heit erhalten. Und wie ausgelassen, wie neuartig
ausgelassen weisen sie ihre Symbolik. Der Liebes-
knabe auf dem Kronleuchter (Abb. 727) ist ein
Kabinetlstückchen graphischen Esprits. Uiit einem
Backfischchen könnte man sich begeistern an dem
neckischen Einfall, und als künstlerisch empfindender
725.
Mensch wird man zur Achtung gezwungen vor einer
so straff gefügten Einheitlichkeit die von der metallnen
Schwere der Kerzenarme bis zu dem Rosengerank,
in das sich die Bewegung des Ganzen auflöst, flutet.
Und Amor als Marionettenregisseur (Abb. 732), Amor
als Vorhanghüter (Abb. 729) oder als Triangclspieler
in der Rosenlaube (Abb. 728). Auch Freund pierrot
hat mehr als die übliche Theaterlustigkeit bekommen.
Za, Bajazzo, der mit so schwermütiger Miene jene
Lampions mit dem kjerzdeckor balanziert (Abb. 730)
hat etwas von der Differenziertheit, die alle moderne
Lustigkeit durchsetzt. Seine Liebenswürdigkeit — man
betrachte daraufhin die Glückwunschvignette (Abb. 7^7)
— ist überhanpt niemals ohne einen Schuß welt-
kluger Nachdenklichkeit, wie sein Ernst nie einer unter-
haltsamen Gelassenheit ermangelt. Das läßt sich
vielleicht am besten klar machen an dem Bücher-
zeichen, wo die beiden Eulen den Merkurstab in der
□
- 736.
Balance halten (Abb. 7^3). Ein anderer hätte dem
vielleicht hieratische Strenge gegeben, hätte die ein-
zelnen Dekorteile cingekapselt in einen regelrechten
Flächenrahmen, die Kunstgewerbler-Eselsbrücke, der
Diez entraten kann, weil er voller tektonischer Struk-
tur ist.
Diese prächtige (Ökonomie des Handgelenkes, die
so selbstsicher mit allem Gegenständlichen schaltet, ist
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in deutschen Landen nicht schon alles mit dem Buben
Amor angestellt worden? Lin linkisches Getändel
mit süßlich-schleimigen Liebessentiments; Zeichner-
schweiß, der wie Roscnwasser duften möchte. Diez
hat cs verstanden, diesen schmierig gewordenen Amor-
begriff wieder aus der mädchenhaften Schwabbelig-
keit in die Sphäre männlich gemessener würde zu
retten. Diese Verlobungs- und Vermählungsvignetten
haben bei aller Keckheit der Erfindung formale Derb-
heit erhalten. Und wie ausgelassen, wie neuartig
ausgelassen weisen sie ihre Symbolik. Der Liebes-
knabe auf dem Kronleuchter (Abb. 727) ist ein
Kabinetlstückchen graphischen Esprits. Uiit einem
Backfischchen könnte man sich begeistern an dem
neckischen Einfall, und als künstlerisch empfindender
725.
Mensch wird man zur Achtung gezwungen vor einer
so straff gefügten Einheitlichkeit die von der metallnen
Schwere der Kerzenarme bis zu dem Rosengerank,
in das sich die Bewegung des Ganzen auflöst, flutet.
Und Amor als Marionettenregisseur (Abb. 732), Amor
als Vorhanghüter (Abb. 729) oder als Triangclspieler
in der Rosenlaube (Abb. 728). Auch Freund pierrot
hat mehr als die übliche Theaterlustigkeit bekommen.
Za, Bajazzo, der mit so schwermütiger Miene jene
Lampions mit dem kjerzdeckor balanziert (Abb. 730)
hat etwas von der Differenziertheit, die alle moderne
Lustigkeit durchsetzt. Seine Liebenswürdigkeit — man
betrachte daraufhin die Glückwunschvignette (Abb. 7^7)
— ist überhanpt niemals ohne einen Schuß welt-
kluger Nachdenklichkeit, wie sein Ernst nie einer unter-
haltsamen Gelassenheit ermangelt. Das läßt sich
vielleicht am besten klar machen an dem Bücher-
zeichen, wo die beiden Eulen den Merkurstab in der
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Balance halten (Abb. 7^3). Ein anderer hätte dem
vielleicht hieratische Strenge gegeben, hätte die ein-
zelnen Dekorteile cingekapselt in einen regelrechten
Flächenrahmen, die Kunstgewerbler-Eselsbrücke, der
Diez entraten kann, weil er voller tektonischer Struk-
tur ist.
Diese prächtige (Ökonomie des Handgelenkes, die
so selbstsicher mit allem Gegenständlichen schaltet, ist
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