12
tigsn Sprachforschern und Literarhistorikern
eine genügende Bildung zu geben bean-
sprucht. Die Angst, den allgemeinbildenden
Charakter der Schule aufzugeben und die
Berechtigungen einzubüßen, hat hier zu
geradezu unhaltbaren Zuständen geführt,
desfsn Beseitigung nur eine Frage dsr Zeit
sein kann. Was jst überhaupl allgemeine
Bildung? Anser Wissen und Können ist längst
so groß und vielverzweigt geworden, dah
keiner, auch der stärkste Geist nicht mehr
imstands ist, auch nur in die Elemente der
verschiedenen Gebiete einzudringen. Wex
etwas im Leben leisten will, Kann ntchk früh
genug einen Milkelpunkk, einen Schwer-
punkt seines Inkerefses zu gewinnen suchen.
Alle großen Philologen, Nakurforscher, Tech-
niker und Künstler haben schon auf der
Schule ihre besonderen Zntereffen gehabt und
sich in allen anderen Gebieken teilweise ganz
unfähig erwiesen. 3ch will daraus nicht schlie-
ßen, daß die Schule Spezialisken erziehen
solle. Wohl aber seder Schultypus seinen be-
stimmten Schwerpunkt haben und daß dieser
Schwerpunkt nun auch wirklich konsequent
durchgeführt webden sollte. 3m Gymnasium
sollten wirklich die Sprachen, in der Real-
schule wirklich die Naturwissenschaften ganz
im Mittelpunkk stehen, alles übrige sich um
diese herum gruppieren. Auch der Zeichen-
unkerricht, der für den künftigen Philologen,
Mathematiker, Chemiker usw. wirklich nicht
so wichtig ist, daß man ihm mehr als 2 oder 3
Stunden in der Woche widmen müßte, soll
sich hier den anderen Fächern unterordnen.
Wie aber kommen diejenigen Berufe auf
ihre Aechnung, für die Zeichnen das Lebens-
element ist? In welcher Schule sollen künf-
tige Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker,
Eisenbahner, Maschinenbauer, Offiziere,
Schiffsbauer, Elekkrokechniker usw. so viel
künstlerisches Zeichnen und darsiellende Gso-
metrie lernen, datz sie wohl vorbereitet in
ihren künftigen Beruf kommen? Wo steht
das Zeichnen so im Mittelpunkt des Unter-
richts, daß es dem Schüler durch jahrelangen
Bekrieb in Fleisch und Blut übergeht, derart,
daß er es wie seine Muttersprache beherrscht,
daß er jede einfachere Projektion im Schlafe
ausführen kann? Ein solcher Schultypus muß
erst noch geschaffen werden.* 3a wenn die
Nealschulen nur künftige Lehrsr der Natur-
geschichte, Mathematiker, Chemiker und
Landwirte vorzubereiten hätten, dann Könnte
man mit dem bisherigen Betriebe zufrieden
sein. Feutzutage aber, wo diese Fächer gegen
jene neuen immer mehr zurückLreten, muß
anders vorgesorgt werden.
Wie disse Reform nun durchzufü'yren ist,
mögen die Schultechniker entscheiden. Man
könnte an eine ganz neue Gattung von
Schulen denken, die gleichberechtigt neben
die Gymnasien und Realschulen zu treken
hätten: das wäre natürlich besonders für die
kleinen Landstädke mrt manchen Unannchm-
lichkeiten verbunden und würde die freie
Berufswahl der Schüler wesentlich ein-
schränken. Man könnte auch eine Gabelung
der Realschule in den oberen Klaffsn ins
Auge faffen, d. h. eine Sekunda und Prima
naturwiffenschaftlichen und eine technisch-
künstlerischen Charakters. Man könnte end-
lich die ganze Reform im Zusammenhang mit
den Bestrebungen der Einheitsschule aus-
bilden. Darüber will ich mir kein Urteil er-
lauben. Nur vor einem möchte ich warnen,
vor dem Popanz der allgemeinen Bildung,
der ja längst schon nur noch künstlich aufrecht
erhalten wird. Man lasse ihn endlkch fallen
und führe das Fachprinzip schon in den
oberen Klaffen etwa vom 15. 3ahr an konse-
quenk durch. Das ist üie Zeit, in der man den
Beruf eines Knaben wenigstens in Bezug
auf die allgemeine Dreiteilung: Geistes-
wissenschaft, Naturwissenschaft und Technik
deutlich erkennen kann, die Zeit, wo die
Wege sich aber auch wirklich schsiden sollen.
Die allgemeine Bildung wird darunter nicht
leiden. Das aber sollke man immer im Auge
behalten: die Schulen sind nicht um ihrer
selbst willen, sondern nur der Berufe willen
da, auf die sie vorbereiten sollen. Ändern sich
die Berufsmöglichkeiten, verschieben sich die
Lebens- und Kulkursormen, so müssen sich
auch die Schulen ändern. dtou scüoins seä
vttne äiseimus.
^ Anmerkung des Aerausgebers: Etwa gleichzeikig
mik diesem Aufsah entstand: „Die Drcigliederung
unseres höheren Schulwesens". Ernke und Aussaat.
Stuttgark. Greiner L Pfeiffer 1920.
tigsn Sprachforschern und Literarhistorikern
eine genügende Bildung zu geben bean-
sprucht. Die Angst, den allgemeinbildenden
Charakter der Schule aufzugeben und die
Berechtigungen einzubüßen, hat hier zu
geradezu unhaltbaren Zuständen geführt,
desfsn Beseitigung nur eine Frage dsr Zeit
sein kann. Was jst überhaupl allgemeine
Bildung? Anser Wissen und Können ist längst
so groß und vielverzweigt geworden, dah
keiner, auch der stärkste Geist nicht mehr
imstands ist, auch nur in die Elemente der
verschiedenen Gebiete einzudringen. Wex
etwas im Leben leisten will, Kann ntchk früh
genug einen Milkelpunkk, einen Schwer-
punkt seines Inkerefses zu gewinnen suchen.
Alle großen Philologen, Nakurforscher, Tech-
niker und Künstler haben schon auf der
Schule ihre besonderen Zntereffen gehabt und
sich in allen anderen Gebieken teilweise ganz
unfähig erwiesen. 3ch will daraus nicht schlie-
ßen, daß die Schule Spezialisken erziehen
solle. Wohl aber seder Schultypus seinen be-
stimmten Schwerpunkt haben und daß dieser
Schwerpunkt nun auch wirklich konsequent
durchgeführt webden sollte. 3m Gymnasium
sollten wirklich die Sprachen, in der Real-
schule wirklich die Naturwissenschaften ganz
im Mittelpunkk stehen, alles übrige sich um
diese herum gruppieren. Auch der Zeichen-
unkerricht, der für den künftigen Philologen,
Mathematiker, Chemiker usw. wirklich nicht
so wichtig ist, daß man ihm mehr als 2 oder 3
Stunden in der Woche widmen müßte, soll
sich hier den anderen Fächern unterordnen.
Wie aber kommen diejenigen Berufe auf
ihre Aechnung, für die Zeichnen das Lebens-
element ist? In welcher Schule sollen künf-
tige Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker,
Eisenbahner, Maschinenbauer, Offiziere,
Schiffsbauer, Elekkrokechniker usw. so viel
künstlerisches Zeichnen und darsiellende Gso-
metrie lernen, datz sie wohl vorbereitet in
ihren künftigen Beruf kommen? Wo steht
das Zeichnen so im Mittelpunkt des Unter-
richts, daß es dem Schüler durch jahrelangen
Bekrieb in Fleisch und Blut übergeht, derart,
daß er es wie seine Muttersprache beherrscht,
daß er jede einfachere Projektion im Schlafe
ausführen kann? Ein solcher Schultypus muß
erst noch geschaffen werden.* 3a wenn die
Nealschulen nur künftige Lehrsr der Natur-
geschichte, Mathematiker, Chemiker und
Landwirte vorzubereiten hätten, dann Könnte
man mit dem bisherigen Betriebe zufrieden
sein. Feutzutage aber, wo diese Fächer gegen
jene neuen immer mehr zurückLreten, muß
anders vorgesorgt werden.
Wie disse Reform nun durchzufü'yren ist,
mögen die Schultechniker entscheiden. Man
könnte an eine ganz neue Gattung von
Schulen denken, die gleichberechtigt neben
die Gymnasien und Realschulen zu treken
hätten: das wäre natürlich besonders für die
kleinen Landstädke mrt manchen Unannchm-
lichkeiten verbunden und würde die freie
Berufswahl der Schüler wesentlich ein-
schränken. Man könnte auch eine Gabelung
der Realschule in den oberen Klaffsn ins
Auge faffen, d. h. eine Sekunda und Prima
naturwiffenschaftlichen und eine technisch-
künstlerischen Charakters. Man könnte end-
lich die ganze Reform im Zusammenhang mit
den Bestrebungen der Einheitsschule aus-
bilden. Darüber will ich mir kein Urteil er-
lauben. Nur vor einem möchte ich warnen,
vor dem Popanz der allgemeinen Bildung,
der ja längst schon nur noch künstlich aufrecht
erhalten wird. Man lasse ihn endlkch fallen
und führe das Fachprinzip schon in den
oberen Klaffen etwa vom 15. 3ahr an konse-
quenk durch. Das ist üie Zeit, in der man den
Beruf eines Knaben wenigstens in Bezug
auf die allgemeine Dreiteilung: Geistes-
wissenschaft, Naturwissenschaft und Technik
deutlich erkennen kann, die Zeit, wo die
Wege sich aber auch wirklich schsiden sollen.
Die allgemeine Bildung wird darunter nicht
leiden. Das aber sollke man immer im Auge
behalten: die Schulen sind nicht um ihrer
selbst willen, sondern nur der Berufe willen
da, auf die sie vorbereiten sollen. Ändern sich
die Berufsmöglichkeiten, verschieben sich die
Lebens- und Kulkursormen, so müssen sich
auch die Schulen ändern. dtou scüoins seä
vttne äiseimus.
^ Anmerkung des Aerausgebers: Etwa gleichzeikig
mik diesem Aufsah entstand: „Die Drcigliederung
unseres höheren Schulwesens". Ernke und Aussaat.
Stuttgark. Greiner L Pfeiffer 1920.