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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Gedichte / Literarische Besprechungen
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53

Gedichte.

Der Eichbaum im Winter.
An Ludwig Uhland.
So traurig steht der Eichbaum dort,
Auf verödeter Bergeszinne,
Die Aeste starren zum Himmel verdorrt >—
Was geht ihm durch die Sinne?
Denkt er der Tage, wo markig und grün
Die Brüder zur Seit' ihm standen,
Hochstämmig all', und schlank und kühn,
Die schönsten in deutschen Landen?
Denkt er der Wolken, so schwül und so grau,
Die Verderben im Schoose trugen,
Und die Brüder, die hoch aufstrebten in's Blau,
Mit Donnerkeilen erschlugen?
Gedenkt er der eigenen Jugend wohl auch,
Wo aus Knospen die Blatter sich hoben,
Und unter des Frühlings sonnigem Hauch
Das grüne Gewand ihm woben;
Wo die Vögel und Bienen die grüne Nacht
Mit Singen und Summen durchrauschten,
Wo Blumenglocken zu Füßen ihm sacht
Sich verneigten und Küsse tauschten?
So ernst, so leidvoll reckt er empor
Die Arm', als wollt' er fragen:
„Ist denn ewig verschlossen des Frühlings Thor?
Und soll's nie wieder tagen?"
Da kam ein Hauch vom Norden, als wollt'
Er ihn trösten in seinem Leide:
Und auf den Eichbaum niederrollt
Ein blinkendes Eisgeschmeide.
Das hat ihm, sinnend wie er stand,
Die Seele aufgerüttelt,
Und verächtlich hat er den glitzernden Tand
Vom ernsten Haupte geschüttelt.
Ludwig Seeger.
E i s l i e d e r.
i.
Die Scherbe.
Der Winter hat, dem Lenz zum Hohne,
Mir Lilien in das Glas gewebt,
Nur daß im Laub der blassen Krone,
Wie dort im Grün, kein Flügel schwebt.
Ich sitz', als ob den Lenz ich hüte,
Und schau, wie Blatt in Blatt verzweigt,
Und denk', wie diese Silberblüthe
So ganz dem Glück und Leben gleicht.

Kaum streift, mit Kelch und Stern zu kosen,
Ein lauer Wind das Sims hinauf,
So lösen sich die schönsten Rosen
In einen Strom von Thränen auf.
2.
Die Finde.
Kaum lag ein Grün auf Wald und Haide,
Da grub ich hier den Kummer ein;
Mein Sommer schwand an Ihrer Seite,
Doch sprach Ihr Stolz kein Ja und Nein
Nun komm ich heut' zur selben Stelle,
Wie anders doch! Mich blendet fast
Der Silberstamm, die Kronenhelle,
Der Perlenschmuck in Zweig und Ast.
Der Wipfel blank, das Laub zerstoben,
Und immer noch kein Ja und Nein!
Soll denn mein Traum, so schön gewoben,
Wie dieser Glanz nur Täuschung sein?
3.
Der Fluh.
Wenn all' die süßen Blicke trogen,
Stand ich, wo sah die Strömung schoß
Und sah, erregt wie diese Wogen,
Wie unter Schaum mein Glück zerfloß.
Wenn dann der Wind wie leise Trauer,
Geheimnißvoll dazwischen klang,
War mir, als ob im Ahnungsschauer
Das Schilf durch meine Seele drang.
Jetzt blitzt der Quell in glatten Scheiben,
Wie auch die Stirn den Gram verlor,
Doch unten, wie im Herzen, treiben
Die wilden Wellen wie zuvor.

4.
Die Landschaft.
Das Feld, ein Alabaster-Spiegel,
Der Fels wie ein krystall'nes Haus,
Selbst Hütt' und Scheun', aus Lehm und Ziegel
Schlägt in Demant und Silber aus.
Dort flattert, wie sich Bänder schlingen,
Ein Vogelzug dem Norden zu;
Fast hör' ich Wind und Flügel klingen,
So hell die Luft, so tief die Ruh !
Die Saat, in Perlen eingegossen,
Blickt schelmisch vor, vom Glanz erkühnt,
Vielleicht, daß in den zarten Sprossen,
Mir auch ein Halm der Hoffnung grünt.
Philipp Scherl.
 
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