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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Internationale Kunstausstellung der Secession in München, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0032

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51 Internationale Kunstausstellung

zu mystificiren gedachten und offene Arme erwarteten,
fanden ihre Zurückweisung. Und dabei hätten sie ihr
Talent vielleicht zu Erfolg geführt, wenn sie sich als
das vorgestellt hätten, was sie waren, anstatt matte
Reflexe von Fremdem zu geben. Nichts kann fataler
wirken, als ein tüchtiger Wirklichkeitsmaler, der seine
Kinder in das durchsichtige Gewand der zartesten Blüte,
die unsere Zeit hervorgebracht, hüllen will. Das, was
dort traumhaft zwingend wirkt, wird hier zum bunten
Faschingsgewande, das ernsthafte Leute nicht täuscht.
Man sehe sich die Künstler doch nur 'mal an: tüchtige
Maler mit offenen Augen und derben Fäusten, die sich
des Lichtes und der Erde freuen und über die beneidens-
werte Gabe verfügen, die ..Natur bei der Gurgel zu
fassen und daherzuschleppen". Aber Mystiker wie Burne-
Jones oder Khnopff wären nicht abnorm in ihrer Kunst,
wenn sie nicht auch abnorm als Menschen wären. Mit
Rezepten lässt sich nichts machen, Mysterien hören auf,
Mysterien zu sein, wenn man den Schleier lüftet und sie
dem Volke zeigt.

Dabei soll nicht im geringsten geleugnet, im Gegen-
teil dick unterstrichen werden, dass der Einfluss will-
kommen ist und, sobald er nur geschmackbildend und
verfeinernd wirkt und nicht zur Nachahmung veranlasst,
bei festen Persönlichkeiten, die sich nicht so leicht selbst
verlieren, zum Guten führt, ja, wie eine Erlösung kam.
Unsere ganze Zeit durchzittert eine zu tiefe Sehnsucht
nach wahrer Religiosität, nach mystischer Vertiefung
einer ethischen Kultur, nach Reinheit und Schönheit,
als dass nicht die Gaben der Ästhetiker wie berauschend
wirken sollten. Seltsam, die Zeit der Fabrikschlote und
der Socialdemokratie bringt die keuschesten, aristokra-
tischsten Blüten hervor, deren Zauber alle Welt bethört.
Und das Suchen nach vergeistigter Schönheit ergreift
alle und erstreckt sich auf alle Stoffgebiete. Ich wies
in meinem vorigen Berichte darauf hin, wie man auch
durch die moderne Landschaft tiefere seelische Emotionen
auszulösen versteht, als durch die objektive Wiedergabe
von Natureindrücken möglich ist. Beim Figurenbilde lag
diese Wirkung näher, und ganz allgemein spricht aus
allen ausgestellten Bildern, die den menschlischen Körper
zum Vorbild haben, ein geistiges Fluidum, das weit über
das virtuose Modellabschreiben hinausgeht. Eines, an
das ich da zuerst denke — es sind Herlerieh's „Abend-
klänge" —, ist im Grunde ein schlichter, allerdings
ganz ungemein persönlich gesehener Naturausschnitt —
ein intimes Stück schöner Natur, vor dem er entzückt
stehen blieb, und das er allein so sah, wie er es malte
und wie er es malen musste. Kein Pinselstrich ist
gethan in der Absicht, zu verblüffen, der Maler kann
dabei nicht an Ausstellung, modern oder unmodern,
Erfolg oder Nichterfolg gedacht haben, sondern die
Freude an der Natur muss ihm den Pinsel geführt
haben. Und trotzdem sind darin alle zarten, nervösen
Empfindungen des scheidenden Jahrhunderts hinein-

der Secession in München. III. 52

gewoben — eine keusche Blüte, deren Duft ihrer
halben Erschlossonheit entströmt. Andere — ich denke
an Volz und Exter — abstrahiren mehr von der Natur,
indem sie sich einer gewissen stilisirenden Behandlung
nähern, ersterer mit seinen „Singenden Musen", letzterer
mit seinem „Charf'reitag", den die Pinakothek ange-
kauft und Exter als einen Künstler, der sich zur
Klarheit durchgerungen, zeigt. Am meisten Stilist ist
wohl Stuck, der, was nach seinem „Krieg" kaum mög-
lich erschien, in diesem Jahre alle überraschte mit einem
neuen Werke so wuchtig und von solch monumentaler
Gewalt, die den engen Rahmen zu sprengen scheint, dass
man vor diesem Kraftgenie in Bewunderung sich neigt
und sich seiner Lorbeeren freut, die ihm nur der hämische
Neider missgönnen kann. — Uhde giebt uns diesmal
Rätsel auf. Er war ein Meister geworden, der schon
längst seine festen und eigenen Bahnen gefunden hatte,
der, so selbständig er war, doch nicht mehr überraschte,
es sei denn dadurch, dass er jedes Jahr noch besser
malte. Er, früher der wegbahnende Pionier der schlichten
Wahrheit in Geste und Ton. von dem die andern Natur
sehen lernten, dann der mystische Wirklichkeitsmaler —
er zeigt heute eine ganz unverkennbare Annäherung an die
alten Meister. Dieses „Um Christi Rock" könnte bei-
nahe von einem derben Talente aus der Schule Vero-
nese's stammen. Nicht, als ob es akademisch wäre, wie
vorlaute Stimmen schon verkündeten, aber es zeigt doch
schon zu deutlich ein so starkes Abweichen von der
wahren Erscheinung der Natur, wie Uhde sie sonst
brachte; man thut aber gut, abzuwarten, wohinaus
dieses neue Streben will.

Wie nun all die vielseitigen Talente kennzeichnen,
die, so verschieden sie selbst sind, so verschiedenes
bringen'? Da sind einige, die aufs vortrefflichste einen
imgesuchten, frischen Märchenton mit modernstem maleri-
schen Können verbinden. Eine der glücklichsten In-
spirationen derart ist Ludwig v. Zumbusch's „Die Hoch-
notpeinlichen", ein Trupp mittelalterlicher Richter, die,
den Tod als Begleiter, vom Rabenstein hinuntersteigen.
Der ganze düstere, unbarmherzige Fanatismus jener Justiz
ist in diesen Perücken geschildert, trotzdem ihnen durch
eine starke Dosis Humor das Schauerliche genommen ist.
Auch Wislicenus' beide Bilder gehören zu dieser Gruppe.
Fritz Hass giebt ein grosses Nachtstück, das Weib, das
den Geliebten am dunklen Orte trifft, Dettmann einen
blumigen Garten, in dem Engel mit Kindern spielen.
Auch Hmgeler's kleiner Humoristika sei hier gedacht,
die den Beweis führen, dass, vom Rechten ergriffen, auch
die lustigste Karikatur als Ölbild Ausdruck finden kann
und als kleines Kunstwerkchen betrachtet sein will. Marie
Schnür giebt ein prächtiges Stück Malerei, zu dem der
Titel „Heil. Cäcilie" herhalten muss, Slevogt zwei außer-
ordentlich gemalte Akte, die das Publikum natürlich
nicht zu würdigen weiß, indem es sich nur über die Be-
zeichnung „Ein Mensehenpaar" aufhält. Ja, überhaupt
 
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