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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Rosenberg, Adolf: Ausstellung in der Berliner Kunstakademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0072

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oder doch Kantaten und durch einige selten zu öffent-
licher Schau gestellte Bilder entschädigt. Zu den
ersteren gehört die schon kurz erwähnte Schilderung der
Leichenfeier für die Märzgefallenen auf dem Gensdarmen-
niarkt, eine sehr dunkel gehaltene Wirtshausscene, der
Werter aus dem Jahre 1851 und ein seltsam-phan-
tastisches Landschaftsbild aus demselben Jahre, etwas
Dämonisches: die Nacht im Walde. Man begreift nicht
recht, wie jemand, der solche Bilder und dazu noch die
köstliche Landschaft: Blick auf den Garten des Prinz
Albrecht'schen Palais (1846) und das koloristische Pracht-
stück: Gustav Adolf begrüßt seine Familie in Hanau
(1847) in der Zeit von 1846—1851, wo niemand um ihn
herum auf eine so kräftig realistische Darstellungs weise
verfallen war, zu malen verstand, sechs Jahre darauf
in eine so fade Art zu malen geraten konnte, wie sie
das große Bild der Begegnung Friedrich's des Großen
mit Joseph II. in Neiße kennzeichnet. Es hat Leute
gegeben, die bei der Eröffnung der Ausstellung dieses
Werk, das sie bisher noch nicht kennen gelernt hatten,
für ein Gemälde Julius Schrader's hielten, und damit
haben sie sich keineswegs blamirt. Das Bild re-
flektirt in der That die damals in Berlin herrschende
Düsseldorfer Richtung in verdünntem Aufguss. Man
würde sich selbst und den Meister auch betrügen, wenn
man jedes seiner Werke kritiklos bewundern wollte. Auch
er war ein Kind seiner Zeit, auch er hat sich in seinem
langen Leben vorwärts und rückwärts bewegt, auch
seiner Kunst sind Grenzen gesteckt. Er ist nur so klug
gewesen, diese Grenzen seit fast vierzig Jahren nicht
zu überschreiten.

Eigentlich ist sogar der Menzel, den die jetzt
lebende Generation heute bewundert, feiert und mit
Gold aufwiegt, erst dreißig Jahre alt. Als der deutsch-
französische Krieg den Milliardensegen nach Deutsch-
land gebracht hatte, war soviel Geld vorhanden, dass
sich die reichen Banquiers Gemäldesammlungen anlegen
konnten, und damit kam Menzel in die Mode, weil
die Herren nur das Seltenste und Teuerste kauften. Der
Staat kam hinterher, und es ist ihm gelungen, wenigstens
die Hauptwerke seit 1867 in sicheren Gewahrsam zu
bringen. Dann besann man sich auch wieder auf den
Illustrator, und man zog seine glänzendste Schöpfung
auf dem Gebiete der Buchillustration, die Abbildungen
zu den Werken Friedrich's des Großen, an das Tages-
licht, zuerst in einer Luxus-, dann in einer billigeren
Ausgabe. So kam eines zum andern, und als man Menzel's
70. Geburtstag durch eine Ausstellung seiner Werke
feierte, war er bereits ein populärer Mann. Er war auch
damals schon international. Die französischen Kunst-
kritiker haben ihn wenigstens gefeiert, als ob er einer
der ihrigen wäre, und sie haben ihn sogar mit Meissonier
in einem Atem genannt.

Kr hat diesen internationalen Ruhm gewiss verdient;
denn seit zehn Jahren hat er trotz starker Produktivi-

tät nichts mehr gezeichnet und gemalt, was im Ausland,
besonders bei den Franzosen, Ärgernis erregen könnte.
Der Maler Friedrich's des Großen hat nur noch indifferente
Scenen aus dem Badeleben Kissingens, aus dem Leben
in Eisenbahncoupes, Maurergesellen bei der Arbeit,
Details aus Barockkirchen und -Palästen gemalt und ge-
zeichnet — alles in kleinem Maßstabe. Denn die
Malerei im großen Maßstabe ist niemals seine starke
Seite gewesen. In der Prozession in Hof-Gastein und
dem Eisenwalzwerk hat er seine höchste Kraft in der
Bewältigung großer Flächen entfaltet. Was darüber
hinausgeht, ist meist Stückwerk. Selbst auf dem großen
Bilde der Krönung Wilhelm's I. in Königsberg sind nur
die großen Figuren im Vordergrunde echt Menzelhaft,
zum Teil auch noch die Gestalt des Königs selbst im
Mittelgründe. Der Hintergrund mit den vielen öden,
ausdruckslosen, gleichförmigen Köpfen ist aber nicht zu
retten. Das wird auch der eifrigste Menzel-Verehrer
zugeben müssen.

Menzel ist und war ein Meister der Kleinkunst,
wenn auch ein sehr großer, dem darin keiner unter den
Zeitgenossen gleichkommt, selbst Meissonier nicht, und
auch in der Vergangenheit wird man schwerlich einen fin-
den, der sich mit ihm in der Universalität des Könnens, in
dem schier unerschöpflichen Reichtum der Erfindung, an
Geist, Witz und Humor und in der Beherrschung vieler, ja
der meisten Arten der Technik messen kann. Diese Vorzüge

| treten nirgends so glänzend zu Tage, wie in seinen zahl-
reichen, meist in Wasser- und Gouachefarben auf Per-
gament gemalten Adressen, Ehrenbürgerbriefen, Diplomen
und Gedenkblättern, von denen glücklicherweise einige
der geist- und humorvollsten, in Ernst und Scherz be-
ziehungsreichsten, wie z. B. das Gedenkblatt an das
50jährige Bestehen der Firma C. Heckmann in Berlin,
der Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für Graf Moltke
und die Adresse der Kunstakademie an Kaiser Wilhelm 1.
nach den Attentaten, zur Stelle sind. Rein auf die
Erfindung geprüft stehen mir diese Blätter noch höher
als die vielbewunderten Augenblicksbilder aus dem Bade-
leben in Kissingen und die Eisenbahncoupestudie ..Eine
Fahrt durch schöne Natur".

Zum Schluss noch eine Bemerkung. Zu einer Zeit,
als die Pastellmalerei in Vergessenheit und Missachtuug
geraten war, war es wieder Menzel, der sie allein unter
seinen Zeitgenossen, in Berlin wenigstens, übte. Und
mit welcher Meisterschaft er es vermochte, zeigen zwei
gleich große Bildnisse Friedrich's des Großen in jüngeren
Jahren und seiner Schwester Amalie aus dem Jahre 1853
(im Besitz der Kaiserin Friedrich). Es ist unzweifel-

J haft, dass seine auf König Friedrich II. und seine Zeit
gerichteten Studien ihn auf diese für jenes Zeitalter
charakteristische Technik geführt haben. Aber man muss
schon sehr lange in den Werken eines La Tour, eines
Liotard, einer Vigee-Lebrun herumsuchen, um etwas in
jedem Betracht diesen beiden Perlen Ebenbürtiges zu
 
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