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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Mittelalterliche Wandgemälde und Tafelbilder aus Burg Karlstein in Böhmen.

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nehmung eingeleitet wurde. Die erst wenige Jahre be-
stehende obengenannte Gesellschaft, welche vor kurzem
einen Wettbewerb für die Wandmalereien des neuen
Karlsbader Badehauses einleitete, steht auch mit diesem
zweiten Unternehmen ganz auf der Höhe ihrer Aufgabe,
weil sie über der Förderung der zeitgenössischen Kunst
die Hebung der Schätze einer großen kunstgeschichtlichen
Vergangenheit Böhmens nicht vergisst.

Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Nachweises,
welche Einflüsse die Eigenart des in Böhmen nicht
seinesgleichen findenden Karlsteiner Burgenbaues be-
stimmten, steht zunächst die Erörterung im Vordergrunde,
inwieweit die Papstburg in Avignon als das Vorbild und
der aus Avignon berufene erste Prager Dombaumeister
Matthias von Arras als der Baukünstler zu gelten habe,
dessen Anschauungen die Erbauung Karlsteins maßgebend
beeinflussten. Eine Feuersbrunst im Jahre 1487 und
besonders die Restaurirnngsarbeiten unter Rudolf IL,
denen Wandmalereien im Karlsteiner Palas und teil-
weise auch jene der Marienkirche zum Opfer fielen,
änderten manches an der äußeren Erscheinung der Burg,
die nach dem 30jährigen Kriege ziemlich verwahrlost
dastand. Das den Karlsteiner Malereien schon von
Benesch von Weitmil entgegengebrachte Interesse war
auch im 16. und 17. Jahrhunderte nicht erloschen, son-
dern vielmehr gestiegen; denn Baibin liefert die erste
eingehendere Würdigung des Bilderschmuckes der ver-
schiedenen Räume, namentlich der Tafelbilder in der
Kreuzkapelle. Eine neue Phase der Wertschätzung des
Karlsteiner Bilderbestandes inaugurirte Lessing's Schrift
vom Alter der Ölmalerei, da die Ausführungen derselben
im Zusammenhange mit einer 1775 an Karlsteiner Bil-
dern gemachten Entdeckung des Prager Malers Joh.
Qu. Jahn eine vom Prager Professor Franz Lothar Ehe-
mant geleitete Untersuchung der Karlsteiner Tafelbilder
i. d. J. 1779 und 1780 veranlassten. Infolge der dabei
gewonnenen Ergebnisse wurden einige Stücke (Thomas
von Modena, die Kreuzigung und zwei Kirchenlehrer aus
der Kreuzkapelle) für die Wiener Galerie, eine Madonna
des erstgenannten Meisters und ein Tafelbild an die
Prager Universitätsbibliothek abgetreten, welch' letztere
beide Bilder 1841 nach Karlstein zurückstellte. Be-
geistert traten Friedrich Schlegel und Primisser für die
Anerkennung der Eigenart der Karlsteiner Bilder ein,
deren Anblick sie überwältigt hatte. Als Verwirklichung
eines hochherzigen Entschlusses des Kaisers Ferdinand I.
von Osterreich stellte sich eiue nur weiteren Schäden
vorbeugende Restaurirung der Karlsteiner Tafelbilder
dar, welche nach Einholung eines Gutachtens des Hof-
kammermalers Gurk und des Galeriedirektors Kraft der
Prager Maler Wenzel Markowsky i. d. J. 1840 und
1841 unter Überwachung von Seite der Gesellschaft
patriotischer Kunstfreunde in Prag durchführte. Das
darüber erhaltene Aktenmaterial, welches teils wort-
getreu, teils in Regestenform mitgeteilt wird, ermöglicht

eine ziemlich sichere Feststellung der Erhaltungsmaß-
nahmen, unter welchen der Charakter der Tafelbilder
selbst offenbar keine Veränderung erfuhr.

Die Darlegungen, welche sich an die Geschichte der
Karlsteiner Bilder anreihen, streben nächst einer ge-
nauen Beschreibung der einzelnen Cyklen auch ihre stil-
kritische Bewertung an; sie suchen möglichst alle mit
dem Karlsteiner Bilderschatze zusammenhängenden Fragen
zu beantworten, die selbst Woltmann und Grueber oft
kaum berühren, ja vielfach nicht einmal aufwerfen. So
erscheinen die Karlsteiner Wandgemälde und Tafel-
bilder, deren auch die knappste Fassung eines kunst-
geschichtlichen Leitfadens gedenkt, zum erstenmale in
allen Einzelheiten fachmännisch gewürdigt.

Die Überreste des Apokalypsecyklus der Marien-
kirche, von denen bisher durchschnittlich nur das Weib
mit dem Kinde und der gegen dasselbe losfahrende Drache
genannt und bekannt waren, bieten zunächst zwei voll-
ständig erhaltene, freilich stark beschädigte Scenenreihen
des zweiten und des dritten Wehe's. Für die Südwand
werden nach Bild- und Inschriftfragmenten Darstellungen
im Anschlüsse an das Offnen der sieben Siegel erwiesen,
I unter welche besonders jene der vier apokalyptischen
Reiter von hohem Interesse ist; sie bildet mit ihrer
Vereinigung der vier Gesichte zu einem Bilde bei
gleichzeitiger Sonderung der erklärenden Inschriften ein
überaus wichtiges Glied in der Kette bedeutsamen Fort-
schrittes der Apokalypsedarstellungen. Der Vergleich
mit den Apokalypsecyklen der bekannten Welislaw'schen
Bilderbibel in der Bibliothek des Fürsten Lobkowitz
und des Scriptum super apocalypsim in der Domkapitel-
bibliothek zu Prag ergiebt, da diese Bilderreihen für die
Behandlung des Apokalypsestoffes in Böhmen wichtige
Anhaltspunkte vermitteln, nicht minder interessante Be-
rührungen als jener mit den Bildern der Trierer, Turiner
und Bamberger Apokalypse. Für die drei Darstellungen
Karl's IV. in Beziehung zur Reliquien Verehrung wird
außer dem Nachweise der Unzulänglichkeit der bisherigen
Deutung eine neue Erklärung versucht, welche die zweite
Scene als Überreichung der zwei Dornen aus der Krone
Christi durch den Dauphin nach alten Reliquienverzeich-
nissen sicherstellt.

Die Denkmale der trefflich erhaltenen Katharinen-
kapelle erfahren eingehendste Charakterisirung und in
der Besprechung des Glasmalereirestes sowie der Ma-
donnenstatue eine abrundende Erweiterung.

Die Angaben über die Wandgemälde aus der
Wenzels- und Ludmilalegende im Treppenhause des
Karlsteiner Hauptturmes führen den Gegenstand eigent-
lich zum erstenmale in den Kreis kunstgeschichtlicher
Betrachtung allseitig erschöpfend ein. Die ziemlich zahl-
reichen Darstellungen werden nicht nur beschrieben,
sondern auch auf ihren Zusammenhang mit den litter-
arischen und künstlerischen Quellen der Zeit geprüft, in
welcher die Karlsteiner Bilder vollendet wurden. Sie
 
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