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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Aubert, Andreas: Der Landschaftsmaler Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0148

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Der Landschaftsmaler Friedrich.

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begleitete. „Die Malerei ist dadurch erst wieder male-
risch geworden. Es ist dies der unbestreitbarste und
glänzendste Sieg, den die romantische Schule über Goethe
erfochten hat."

Es war Eunge's Traum und Streben — dem der
Tod ein Ende machte, und das in seiner Unklarkeit
wohl kaum zum Ziel geführt hätte — „eine neue Kunst"
zu schaffen. Es wäre, sagt er, „ein vergeblicher Wunsch,
die alte Kunst wieder hervorzurufen".

„Ich fühle es ganz bestimmt, dass die Elemente
der Kunst in den Elementen selbst nur zu finden sind,
und dass sie da wieder müssen gesucht werden; die
„Elemente selbst" aber sind in uns, und aus nnserm
Innersten also soll und muss alles wieder hervorgehen."

Christlich-pantheistisch empfindet er die Welteinheit
in Gott:

„Wenn der Himmel über mir von unzähligen Sternen
wimmelt, der Wind saust durch den weiten Kaum, die
Woge bricht sich brausend in der weiten Nacht, über
dem Walde rötet sich der Äther, und die Sonne er-
leuchtet die Welt; das Thal dampft und ich werfe mich
im Grase unter funkelnden Tautropfen hin, jedes Blatt
und jeder Grashalm wimmelt von Leben, die Erde lebt
und regt sich unter mir, alles tönet in einen Accord zu-
sammen, da jauchzet die Seele laut auf, und fliegt um-
her in dem unermesslichen Kaum um mich, es ist kein
unten und kein oben mehr, keine Zeit, kein Anfang und
kein Ende, ich höre und fühle den lebendigen Odem
Gottes, der die Welt hält und trägt, in dem alles lebt
und wirkt: hier ist das Höchste, was wir ahnen —
Gott!"

In diesem Lichte sieht er die neue Kunst: wie einen
Gottesdienst, — auf dieselbe Weise wie Wackenroder
und Tieck allen edleren Kunstgenuss mit dem Gebet
verglichen hatten.

Indem Runge mit pantheistischer Mystik die Welt-
elemente in seiner eigenen Seele wiederfindet — oder
wie er es ausdrückt, wir sehen nichts anderes als unser
eigenes Leben in der ganzen Natur, — so ist die neue
Kunst, die er im Auge hat, eine neue Landschaftskunst:

„Es drängt sich alles zur Landschaft. Ist denn in
dieser neuen Kunst — der Landschafterei, wenn man
so will, — nicht auch ein höchster Punkt zu erreichen,
der vielleicht noch schöner wird, wie die vorigen?"

In der Kunst der alten Zeiten — von der griechischen
an bis zu der Michelangelo's — „haben, wie es mir
scheint, alle Künstler immer dahin gestrebt, in den
Menschen das Kegen und Bewegen der Elemente und
Naturkräfte zu sehen und auszudrücken" — das alles
in einer Personifikation, in einer Beseelung der Natur
wiederzuspiegeln. Von einem entgegengesetzten Aus-
gangspunkte würde die rechte Landschaft dadurch ent-
stehen können, „dass die Menschen in allen Blumen und
Gewächsen und in allen Naturerscheinungen, sich und
ihre Eigenschaften und Leidenschaften sähen."

„Freilich müssen wir hier unter Landschaft etwas
ganz anderes verstehen."

„Die Sache würde für jetzt fast weit mehr zur
Arabeske und Hieroglyphe führen, allein aus diesen
müsste doch die Landschaft hervorgehen, wie die histo-
rische Komposition doch auch daraus gekommen ist."

Als Runge gegen seine nächsten Verwandten und
gegen Tieck diese Gedanken aussprach, in den Jahren
1802 und 1803, trug er sich mit einer Reihe dekorativer
Bilder: „die Quelle", oder, wozu es sich später ent-
wickelte: „der Morgen, der Abend, der Tag und die
Nacht", — aus Blumenarabesken mit Blumengenien eine
ganze, wie er selbst sagt, abstrakte, malerische, phan-
tastische, musikalische Dichtung mit Chor.

Wir befinden uns hier auf den wildesten Pfaden
der Romantik, auf welchen er in Gesellschaft eines
Tieck und Friedrich Schlegel wandelte.1)

Aber wie Runge bei all seiner grenzenlosen
Schwärmerei gleichwohl einen offenen Sinn für die
Wirklichkeit besaß, den es drängte ein neues Verständ-
nis der Natur zu gewinnen und der vermochte, wo es
galt, klare Bilder zu formen, so war auch seine Sehn-
sucht, eine neue Kunst zu schaffen, — selbst in ihrer
allerphantastischsten Unklarheit — von einer Ahnung
des Tiefsten und Eigentümlichsten in der Kunst unseres
Jahrhunderts getragen.

Sein Freund Michael Speckter hat das am klarsten
in den Zeilen ausgedrückt, die er 1815 über Runge
schrieb, fünf Jahre nach dessen Tode: „In der Kunst-
entwicklung seiner selbst wurde es ihm klar und gewiss,
dass, seit dem Blütenalter der Griechen, die Kunst der
Formen, so wie in Richtigkeit und Strenge, so auch in
Leben und Schönheit der Umrisse, von den Florentinern
and Raffael fast erschöpft, abgeschlossen und der Vollen-
dung nahe gebracht sei, — dass dagegen Licht, Farbe
und bewegendes Leben bis jetzt noch von keinem als
reine Erkenntnis in Wort und Gesetz, durch Rede und
That . . ausgesprochen sei."

— Ähnlich wie Runge fasste auch Friedrich seine
Kunst mit religiösem Ernste auf:

„Willst du dich der Kunst widmen, fühlst du einen
Beruf, ihr dein Leben zu weihen, o! so achte genau auf
die Stimme deines Innern, denn sie ist Kunst in uns."

„Hüte dich vor kalter Vielwisserei, vor frevelhaftem
Vernünfteln; denn sie tötet das Herz, und wo Herz
und Gemüt im Menschen erstorben sind, da kann die Kunst
nicht wohnen!"

„Bewahre einen reinen kindlichen Sinn in dir und
folge unbedingt der Stimme deines Innern; denn sie ist
das Göttliche in uns und führt uns nicht irre!'

„Heilig sollst du halten jede reine Regung deines

1) Vergl. über Friedrieh Schlegel G. Brandes: „Die
romantische Schule in Deutschland", Seite 174 der dänischen
Ausgabe von 1891.
 
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