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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0159

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Sammlungen und Ausstellungen.

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Jahre alt ist, hat er bereits den langen Weg vom Archi-
tekten bis zu einem Vertreter der „Phantasiekunst" mit
allen Zwisohenstationen durchlaufen, und in seinen letzten
Arbeiten spricht sich ein gewisser plastischer Zug so stark
aus, dass wir uns nicht wundern werden, wenn er bald ein-
mal, wie sein Freund und Landsmann Klinger, als Bildhauer
auftritt. Die Leser der „Zeitschrift" kennen ihn durch ein
Bildnis des Architekten v. Großheim, das wir im Jahrgang
1893 bei S. 96 reproduzirt haben. Damals huldigte er male-
rischen und zeichnerischen Grundsätzen, die er seitdem —
olfenbar unter dem Einfluss der „neuen Kunst" — verleugnet
hat. Von der feinen, geistvollen Zeichnung, die nament-
lich in den Händen des Architekten einen Vergleich mit
llolbein nicht zu scheuen braucht, ist Stöving zu einer
robusten, fast summarischen Darstellungsart übergegangen.
Sein Kolorit ist im ganzen reicher, aber im einzelnen
struppiger und roher geworden, was sich besonders in einem
gewaltigen Bildnis des wahnsinnigen Philosophen Friedrich
Nietzsche zeigt, der auf der Veranda seines Wohnhauses in
Naumburg, in brütenden Stumpfsinn versunken, sitzt. Dieses
Bild ist statt des Rahmens von einer griechischen Tempel-
architektur eingefasst, in deren Giebelfeld ein mystisches
Zeichen angebracht ist. Mit einer so unverständlichen Symbo-
lik sollte sich die Malerei nicht abgeben. Wenn Stöving
auf diesem Wege fortschreitet, fürchten wir für seine Zukunft.
Zu Nietzsche und Klinger kommen noch Einflüsse der Flören-
tiner des 15. Jahrhunderts — also die richtige Mischung für
einen Maler fin de sieele! Vielleicht besinnt er sich noch
eines andern. Er kann vieles und gutes. Das sehen wir
vornehmlich aus seinen vortrefflichen Aquarellstudien aus
Venedig, auf denen er als Architekt und Maler gleich wert-
volles geleistet hat. Er sollte sich vorläufig nur an das
Gegenständliche halten; für die große „Phantasiekunst", die
uns zwar immer verheißen, aber noch niemals gebracht
worden, ist er noch lange nicht reif genug.

A. ß. Die Berliner Nationalgalerie hat eine Ausstellung
von Werken des am 6. Januar 1895 verstorbenen Geschichts-
und Porträtmalers Gustav Oraef im zweiten Corneliussaale
zustande gebracht. Sie war, soviel wir hören, schon geplant
und angeordnet worden, als der frühere „kommissarische"
Direktor noch in Amt und Würden war. Die neue Direktion
hat sie also nur als Erbschaft übernehmen müssen. Der
Katalog trägt trotzdem, vermutlich aus chronologischen
Rücksichten, die Bezeichnung „Sonderausstellung Serie II.
No. 1." Soviel ist also sicher, dass die Sonderausstellungen
von Werken verstorbener Künstler in der Nationalgalerie
auch unter der neuen Direktion fortgesetzt werden sollen.
Ein gewiss dankenswertes Unternehmen, wenn nur die Räume
dazu vorhanden wären! Entweder die Corneliu3säle bleiben
für Cornelius, oder man beschafft für die Kartons des Meisters
eine andere Unterkunft! Aber sie etwa vier oder fünf Monate
im Jahre lang mit allerhand Nachlasskram geringerer Künst-
ler zu verdecken, ist ein unhaltbarer Zustand. Hoffentlich
findet der neue Direktor einen Ausweg, der alle Parteien
befriedigen wird, was in diesem Falle allerdings große
Schwierigkeiten hat. — Die Ausstellung der Ölgemälde, Skizzen
und Zeichnungen von Gustav Graef, die nur etwa 100 Nummern
umfasst, trägt nicht viel dazu bei, das Andenken dieses Malers
bei den Zeitgenossen wesentlich zu erhöhen. Seine Glanz-
zeit fällt in die Jahre von 1860—1880. Was er später
geleistet hat, war im Bildnis nur ein schwacher Abglanz
aus seiner glücklichsten Zeit (1870—75), in der Darstellung
von Idealfiguren und Phantasiegebilden eine unglückliche
Verirrung, unter der er schwer gelitten hat. Jetzt ist das
Ärgernis mit ihm begraben, und man hält sich nur an seine

Werke, von denen einige Bilder aus der Zeit der Erhebung
Preussens im Jahre 1813 und einige Porträts hervorragender
Generäle und Staatsmänner (Roon und Keudell) seinen Namen
späteren Geschlechtern überliefern werden. Als Porträtmaler
von Modedamen wird ihn vielleicht erst wieder eine späte
Nachwelt, die nach historischen Dokumenten sucht, schätzen
lernen.

Leipzig. — Die im Grassi-Museum ausgestellte Zinn-
sammlung des Herrn Regierungsrats Dr. Demiani in Leipzig
wird voraussichtlich nur noch kurze Zeit im Kunstgewerbe-
museum ausgestellt bleiben können, da eine neue Sonder-
ausstellung zu erwarten ist.

Stuttgarter Kunstausstellung. Die von der Stuttgarter
Kunstgenossenschaft ins Leben gerufene, unter dem Protek-
torat des Königs stehende internationale Kunstausstellung
ist Vormittags halb 12 Uhr in Anwesenheit der Königsfamilie,
hoher Würdenträger, zahlreicher Künstler und Kunstfreunde
feierlich eröffnet worden. Sie bietet in beschränktem Rahmen
einen interessanten Überblick über das moderne Kunst-
schaffen. Die verschiedenen Richtungen sind charakteristisch
vertreten. Nicht nur die Kunststädte Deutschlands: München,
Berlin, Düsseldorf, Karlsruhe, Weimar, sondern auch Wien,
Venedig, Rom, Spanien, Holland, Belgien, RussTand, England
und Schottland sind mit bedeutenden Leistungen beteiligt.
Die besten Namen sind vertreten. Das Arrangement ist
außerordentlich geschmackvoll und glücklich. Die Aus-
stellungssäle sind reich dekorirt Ein behaglicher Restau-
rationsraum mit altdeutscher Ausstattung ist damit verbunden.

Im großen Treppenhaus des Berliner Kunstgewerbe-
museums sind von der Firma J. C. Spinn & Co. in Berlin
gemalte Glasfenster ausgestellt, die für die St. Jakobikirche
in Lübeck bestimmt sind. Die Entwürfe zu diesen monu-
mentalen Fenstern rühren von den Dekorationsmalern Oathe-
mann & Kellner in Charlottenburg her und sind im Stile
der deutschen Frührenaissance gehalten. Das mittlere Fenster
zeigt Christus am Kreuz, die Seitenfenster haben vorwiegend
ornamentalen Schmuck.

* Die Frühjahrsausstellung des Vereins bildender Künst-
ler Münchens „Sexession", deren Eröffnung am 14. März
stattfand, übertrifft ihre Vorgängerinnen bedeutend; abge-
sehen davon, dass die Münchener Künstlerschaft mit etwa
400 Werken vertreten ist, finden auch noch Einzel-
ausstellungen berühmter Meister und eine Kollektivaus-
stellung der holländischen und einer französischen Künstler-
gruppe statt. Allen voran ist Segantini mit einer so reichen
Kollektion seiner Werke vertreten, wie sie dem deutschen
Publikum noch niemals gezeigt wurde. Walter Crane hat
neben verschiedenen Bildern eine große Sammlung Zeich-
nungen, teils Illustrationen zu Märchen, Gedichten etc., teils
kunstgewerbliche Entwürfe eingesandt. Jan Toorop, der
holländische Symbolist, ist mit zwölf Werken, Hans Thoma
mit mehreren Ölgemälden, sowie mit fünfzehn seiner neuesten
hochpoetischen Steindrucke vertreten. Eine Sammlung von
etwa 80 originellen, modernen, französischen, farbigen
Lithographieen füllt ein eigenes Kabinett und wird haupt-
sächlich künstlerische Kreise interessiren durch die Art
und Weise, wie die technischen Fortschritte dieses jüngsten
Kunstzweiges vor das Auge geführt werden. Endlich sei
noch erwähnt die Kollektion von 60 reizvollen Aquarellen
der berühmtesten holländischen Meister, die mit den Wer-
ken Toorop's gleichfalls den Inhalt eines eigenen Saales
bilden. Was die Vertretung der Münchener Kunst betrifft,
so haben nicht nur die Mitglieder des Vereines, sondern
auch die Anhänger der Sezession sich mit gediegenen Werken
in erfreulicher Weise eingestellt.
 
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