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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Frühjahrsausstellung der Secession in München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0180

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Die Friihjahrsausstellung der Secession München. I.

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jugendliche Frische des mutigen Führers und zweifelte
nicht, dass er sich noch lange auf der erreichten Höhe
halten würde. Und nun geschieht etwas Unerwartetes:
abermals fällt die Hülle und jetzt erst scheint der tief-
innerste Kern seiner Individualität zutage zu treten. In
diesen neuen Arbeiten fand Dill den einfachsten wie
prägnantesten Ausdruck seiner selbst; groß und schlicht,
ebenso phrasenlos wie ergreifend wirken diese anspruchs-
losen Motive aus der nächsten Umgebung Münchens, dem
Dachauer Moose, die mit den denkbar einfachsten Mitteln,
in stark umrissenen Kohlezeichnungen auf getöntem Papier,
denen mit einigen wenigen Farben ein wundervoll starker
farbiger Klang verliehen ist, gegeben sind. Hier deckt
sich ganz die Kunst mit der Persönlichkeit: gerade so
schlicht, aber wahr bis zum Herzensgrund, ist Dill selbst;
mit demselben heiteren Ernste, wie auf diesen seinen
Bildern, blickt er ins Leben. Wer so wie er in der
Eeife sich jugendliche Frische bewahrt, ist wie geschaffen
zum Führer einer Vereinigung, die nicht allein in München,
sondern in ganz Deutschland eine Verjüngung und Be-
freiung der Kunst anstrebte — und erreichte.

Als Gewähr für die Zukunft der Secession kann
nichts besser gelten, als der stete Neuanschluss viel-
versprechender Talente, wie sie jedes Jahr stattfindet.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf einige derselben
hinweisen, da mancher noch ungeklärte, aber gute Früchte
verheißende Anfänger auf der Frühjahrsausstcllung besser
zu würdigen ist, als in der großen Ausstellung, wo er
im internationalen Orchester nicht zu Worte kommt.

Da ist z. B. ein neuer Name, Oskar Zwinlsdirr.
der mit fünf, sechs größeren Arbeiten vertreten ist, die
von prächtigem malerischen Können und von starker,
wenn auch noch nicht ganz auf eigenen Wegen wandeln-
der Phantasie zeugen. Wie noch gar manche andere,
steht auch er in einem Teil seiner Bilder im Banne des
großen Schweizer Meisters, zeigt aber in den übrigen,
dass er auch er selbst sein kann. Wie stets, wird kaum
jemand mit seinen ersten Werken eine neue Welt —
die Welt, die er in sich trägt — bilden können, ehe er
nicht ein Meister in der Nachbildung der realen Welt
geworden ist. Und deshalb wirken ganz schlichte Natur-
ausschnitte, wie Zwintscher's „Meißen", am harmonischsten,
auf dem er bei finsterm wolkigen Abendhimmel einen
Blick über die roten Ziegeldächer der alten Stadt und
den düster ragenden Dom giebt, oder seine äußerst kräftig
gesehenen Modellstudien, in denen er oft dekorativ derb
vorgeht, aber nie leer wirkt, wie auf seinen Phantasie-
stücken. Auch diese enthalten viel Schönes, wie beson-
ders sein „Sturm", eine wilde Felsgegend mit ante-
diluvianischen Menschengestalten, aber sie verlieren in
demselben Maß, wie bei ihnen die Fühlung mit der Natur
abnimmt, was am stärksten bei einer Idylle „Sonnen-
schein" der Fall ist, die, so talentvoll sie ist, doch in
Palettentönen ihren Ursprung hat. Bedächten doch alle
nach Vereinfachung und Stilisirung Strebenden, dass diese

nur organisch aus dem hingehendsten Naturstudium
hervorgehen und nicht eigenmächtig hervorgerufen wer-
den kann.

Ein anderes frisches Talent ist Georgi, der diesmal
einen großen sommerlichen Gewitterhimmel bringt, dessen
übereinandergeschichtete Wolkenmassen sich wie Schnee-
gebirge auftürmen, was mit großer malerischer Kraft
gegeben ist.

Noch ein dritter Künstler, vielleicht der feinste der
drei, namens Haueisen, tritt mit einem kleinen Bilde
auf, von dem man nicht zu viel sagt, wenn man es eine
Perle der Ausstellung nennt. Es vereinigt so viel
Qualitäten — vollkommen selbständige Auffassung wie
Formensprache, eine schöne, kräftige, in keiner Weise
outrirte Farbe, dass es schwer sein dürfte, im Autor den
Anfänger zu finden. Landleute, die sich vor dem Ge-
witter flüchten. Ganz eng im Rahmen stehende Ge-
stalten eilen, grell von der Sonne beleuchtet, dem eben-
falls noch im Sonnenschein glänzenden Dorfe zu. Sturm-
wind und aufgefegter Staub jagt hinter ihnen drein.
Das alles hebt sich hell von dem flnstern Himmel
ab. Ähnliche Vorwürfe komponirten früher gern die
Düsseldorfer und man könnte bei meiner Beschreibung
vielleicht an diese denken. Das Bild erinnert jedoch in
keiner Weise an sie, sondern gleicht durchaus einem
direkt beobachteten Naturausschnitt, der mit spielender
Leichtigkeit niedergeschrieben ist. Wer gleich mit den
ersten Bildern so auftritt, von dem dürfte, wenn er auf
dem richtigen Wege bleibt, noch viel zu erwarten sein.

Um auch nur kurz auf alle die einzugehen, die mit
talentvollen und sonstwie Gutes verheißenden Arbeiten
sich eingestellt, fehlt mir hier durchaus der Raum; nur
noch über einige schon bekannte Mitglieder oder Aus-
steller, die in besonderer Weise vertreten sind, seien ein
paar Worte gesagt. Da ist z. B. Wilhelm Volz, der eine
ganze Reihe reizender kleiner Entwürfe, Einfälle und
Bildchen zur Ausstellung bringt: Idyllen aus einem
goldenen Zeitalter, in frischen Farben keck und lustig
hingeschrieben, ohne Anspruch auf irgend welche Durch-
arbeitung zu machen. Max Slevogt ist ein Maler, der
über eine ganz eminente malerische Ausdrucksfähigkeit
verfügt. Er malt, was ihm vor die Palette kommt:
Porträtstudien nach Bekannten, Landschaften, Stillleben,
Scenen aus der heiligen Geschichte, Interieurs und
Modellstudien und hat von all dem vorzügliche Proben da.
Zügel's große Kollektion mit etlichen bildmäßigen Studien
ist so vortrefflich, wie jeder Strich dieses Meisters, der nie
Minderwertiges schafft. Exter zeigt sich diesmal als ein
feiner naturalistischer Landschafter. Sein Abend auf
einer Anhöhe, von der ein Paar träumend in die
dämmernde Stadt hinunterschaut, ist poesievoll und
schlicht gegeben und erfreut sogar die, die Exter sonst
nicht verstehen; seine andere Arbeit, ein weiblicher Halb-
akt, ist eine interessante Studie, die wohl auch keinen
Anspruch darauf macht, etwas anderes zu sein. Dass
 
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