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Archäologische Nachlese
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terrakotten vom Tempel und dem Anaktoron (oder, wie
Delbrück annehmen möchte, einem zweiten Tempel) schließen
lassen. — Gelegentliche Beobachtungen an der Stadtmauer
von Olbia auf Sizilien (Notizie 1911), wo es sich um eine
ausgebildete hellenistische Befestigung handelt, haben Neues
ergeben.
Aus Rußland kann B. Pharmakowsky, wie jedes Jahr,
eine Fülle von Neufunden berichten, wenn auch über den
großartigsten Fund des Jahres, den Schatz von Poltawa
(s. in meinem Bericht über den III. Internationalen Archäo-
logischen Kongreß in Rom, Kunstchronik 1912/13, Sp. 88/89)
noch nichts darin enthalten ist. — Im Jahre 1911 wurden
zahlreiche Ooldgegenstände im Kaukasus gefunden. Die
61 bereits früher erwähnten und alle mit demselben Stempel
geprägten Goldmünzen des Lysimachos aus Tuapse wurden
von der Kaiserlich-Archäologischen Kommission erworben.
Dieselbe erwarb außerdem eine Reihe von Goldgegen-
ständen, die wahrscheinlich in einem Grabhügel des Kuban-
gebietes im Nordkaukasus gefunden worden sind: Beklei-
dung eines Glasbechers oder Rhytons mit Filigranarbeit,
ein breites Goldband mit Löwenfriesen, Teile der Be-
kleidung eines Rhytons mit gestanzter Darstellung einer
heraldischen Gruppe von zwei Greifen, zwei liegende
Pferde vom Ende eines Halsringes. Diese Gegenstände
gehören in das erste Jahrhundert nach Christi. — Aus St.
Senaja des Kubangebietes wurde eine schöne Halskette
aus roten und weißen Goldperlen und eine mit Filigran-
arbeit reich verzierte Amulettklaue aus hellenistischer
Zeit erworben. — Die Ausgrabungen im Kubangebiete
leitete im Jahre 1911 W. W. Schkorpil. Er untersuchte die
antike Nekropole auf der Tamanhalbinsel am Meeresufer
beim südlichen Kordon und Landhause Kratschenko, ein-
fache Schachtgräber aus der Zeit vom 6. Jahrh. v. Chr. bis
zur römischen Epoche, in denen auch oft Speisereste ge-
funden wurden. Es fanden sich Vasen, Terrakotten, Glas-
gegenstände und zwar sehr zahlreich, Gold- (Kollier aus
14 Perlen), Silber- und Bronzegegenstände. Auch von
der Tamanhalbinsel wurden durch die Kaiserliche Archäo-
logische Kommission zahlreiche Funde erworben, in Gold
(Teile eines prachtvollen aus Eichenblättern und Eicheln
bestehenden Kranzes, 682 g schwer), Glas und Vasen. —
In Kertsch (Panticapeum) ergaben die Ausgrabungen
in der Nekropole eine große Fülle neuen Materials, welches
u. a. eine wichtige Bedeutung für die Fixierung der Chro-
nologie einiger Funde hat. Unter den von Pharmakowsky
als wichtigsten genannten Gegenständen ist unter den
Vasen zu bemerken eine pseudopanathenäische Preis-
amphora, welche verbrannte Knochen eines Verstorbenen
enthielt, was vielleicht ein Licht auf die inschriftslosen
panathäneischen Amphoren werfen kann. Die andern er-
wähnten Vasen sind meistens schwarzfigurige Lekythen
und Oinochoen, ferner Gefäße aus sog. ägyptischem Por-
zellan, Goldohrringe, Silberarmbänder, geschnittene Steine.
— In Kertsch wurde weiter gefunden: ein Bruchstück eines
Marmor-Anthemions, welches einem Grabmonumente an-
gehört hatte; ferner sah man ein kolossales Grabmonument
aus Marmor (4,20 m hoch) in einem Bau auf dem Fisch-
markt vermauert, wo es zufälligerweise zum Vorschein
kam. Auch einige andere Stelen wurden in Kertsch ge-
funden. — Ferner wurden aus Kertsch von der Kaiserlich
Archäologischen Kommission verschiedenartige Dinge an-
gekauft, Vasen, Terrakotten, darunter interessante Tier-
darstellungen, goldene Ohrringe usw.
Bei den Ausgrabungen, welche R. Chr. Löper in Cher-
sones leitete, fanden sich in den unteren Schichten attische
rotfigurige und schwarzfigurige Fragmente, altjonische Ge-
fäße und, archaische Terrakotten, wodurch die Existenz der
Stadt auf diesem Platze für das 6. Jahrhundert nachgewiesen
ist. Außerdem wurden gefunden eine megarische Schale,
römische Reliefschüsseln, glasierte byzantinische Gefäße,
hellenistische Terrakotten, Goldgegenstände aus der römi-
schen Zeit. Ein Bronze-Etui enthielt zwei Malinstrumente
ähnlich wie die zu St. Medard-de-Pres und Pompeji ge-
fundenen.
Pharmakowsky leitete die Ausgrabungen in Olbia.
Die ältesten Gräber der Nekropolis gehören in die erste
Hälfte des 6. Jahrhunderts, soweit die Toten darin be-
graben waren; vorher wurden die Toten verbrannt und
die verbrannten Knochen gewöhnlich in Amphoren ge-
sammelt und in besonderen Gruben in der Stadt selbst
zwischen den Häusern beigesetzt. Von den 1911 von
Pharmakowsky untersuchten 111 Gräbern und einem Grab-
hügel gehörte der größte Teil der archaischen Zeit, von
der Mitte des 6. Jahrh. v. Chr. an, an. Die Gräber waren
entweder Schachtgräber oder solche mit in dem gewach-
senen Boden seitwärts ausgeschachteten kleinen Kammern.
Besonders interessant ist ein Grab, wo die schwarz ge-
firnißte Urne mit den verbrannten Knochen auf die Brand-
reste gelegt war und ringsum 17 zugespitzte Amphoren
im Kreise herumgelegt waren. Eine runde Einfriedigung
aus Stein, die zwischen den Gräbern gefunden wurde,
scheint die Kultstätte in der Nekropole gewesen zu sein.
Ein merkwürdiges Ensemble unter den Einzelfunden bilden
die Grabbeigaben in dem Grabe eines kleinen Mädchens
(Ohrringe, Anhängsel, Goldperlenschnur, Kinderklappern,
Tierabbildungen, Terrakottamasken und eine ganze Anzahl
verschiedenartiger Tongefäße). Zahlreich sind auch die
andern Funde au« der Nekropole in Gold, Silber, Bronze
(Ziegenfüße, welche zu einer Truhe gehören mochten),
Spiegel und Vasen aller Art. Hier macht Pharmakowsky
die Bemerkung, daß eine ganze Anzahl von Gefäßen mit
einer mit schwarzem Firnis ausgeführten Girlande außen
und schwarzem Firnis inwendig, welche oft in Olbia
und in anderen südrussischen Kolonien auftreten, doch
wohl nicht kyrenäisch sein können, daß vielmehr Samos
als Herstellungsort für sie in Betracht kommt. Auch eine
Reihe anderer ähnlicher Gefäße verschiedener Form wird
man besser als samische, als für schwarzfigurige jonische
Vasen erklären. Erwähnt sei noch ein Gefäß mit sieb-
artigen Öffnungen im Boden, das nur gefüllt werden konnte,
wenn man es in die Flüssigkeit tauchte und nur die Flüssig-
keit hielt, solange die obere Öffnung geschlossen blieb.
Es ist mit nackten Männern und Frauen bemalt. Auch
ein Anhänger aus blauer Paste in Form eines sehr fein
gearbeiteten Widderköpfchens, in den unten ein Skorpion
eingeschnitten ist, ist bemerkenswert, weil er wahrschein-
lich ein Amulett gegen Skorpionbisse ist; denn es scheint,
daß der Widderkopf, der sehr oft vorkommt, prophylaktisch-
apotropäisch ist. — In der Stadt Olbia wurde die Aus-
grabung des im vorigen Jahre angefangenen Areals (siehe
Kunstchronik 1910/11, Spalte 104) weitergeführt. Das neu
angegriffene Areal wurde von der zweiten bis zur fünften
Schicht hinunter ausgegraben. In der fünften Schicht
zeigten sich bedeutende Reste eines großen Baues, in
dessen Zentrum sich ein mit monumentalen Steinplatten
gepflasterter Hof befindet. Die dritte Schicht ist durch
ein Inschriftfragment, welches angibt, daß in Olbia in der
Zeit des Kaisers Alexander Severus ein Tempel der Götter
Sarapis, Isis, Asklepios, Hygieia, Poseidon und Amphitrite
bestand, deren sechs Köpfe über der Inschrift eingraviert
sind, zu datieren. Sehr merkwürdig ist eine mächtige
Außenmauer in einem Hause der fünften Schicht, das in
der älteren Zeit im Zentrum auch; einen gepflasterten Hof
mit wahrscheinlich drei oder vier anliegenden Hallen ge-
habt haben muß. — Die Funde aus den Ausgrabungen in
der Stadt bestehen aus 1555 Inventarnummern, wozu auch
Archäologische Nachlese
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terrakotten vom Tempel und dem Anaktoron (oder, wie
Delbrück annehmen möchte, einem zweiten Tempel) schließen
lassen. — Gelegentliche Beobachtungen an der Stadtmauer
von Olbia auf Sizilien (Notizie 1911), wo es sich um eine
ausgebildete hellenistische Befestigung handelt, haben Neues
ergeben.
Aus Rußland kann B. Pharmakowsky, wie jedes Jahr,
eine Fülle von Neufunden berichten, wenn auch über den
großartigsten Fund des Jahres, den Schatz von Poltawa
(s. in meinem Bericht über den III. Internationalen Archäo-
logischen Kongreß in Rom, Kunstchronik 1912/13, Sp. 88/89)
noch nichts darin enthalten ist. — Im Jahre 1911 wurden
zahlreiche Ooldgegenstände im Kaukasus gefunden. Die
61 bereits früher erwähnten und alle mit demselben Stempel
geprägten Goldmünzen des Lysimachos aus Tuapse wurden
von der Kaiserlich-Archäologischen Kommission erworben.
Dieselbe erwarb außerdem eine Reihe von Goldgegen-
ständen, die wahrscheinlich in einem Grabhügel des Kuban-
gebietes im Nordkaukasus gefunden worden sind: Beklei-
dung eines Glasbechers oder Rhytons mit Filigranarbeit,
ein breites Goldband mit Löwenfriesen, Teile der Be-
kleidung eines Rhytons mit gestanzter Darstellung einer
heraldischen Gruppe von zwei Greifen, zwei liegende
Pferde vom Ende eines Halsringes. Diese Gegenstände
gehören in das erste Jahrhundert nach Christi. — Aus St.
Senaja des Kubangebietes wurde eine schöne Halskette
aus roten und weißen Goldperlen und eine mit Filigran-
arbeit reich verzierte Amulettklaue aus hellenistischer
Zeit erworben. — Die Ausgrabungen im Kubangebiete
leitete im Jahre 1911 W. W. Schkorpil. Er untersuchte die
antike Nekropole auf der Tamanhalbinsel am Meeresufer
beim südlichen Kordon und Landhause Kratschenko, ein-
fache Schachtgräber aus der Zeit vom 6. Jahrh. v. Chr. bis
zur römischen Epoche, in denen auch oft Speisereste ge-
funden wurden. Es fanden sich Vasen, Terrakotten, Glas-
gegenstände und zwar sehr zahlreich, Gold- (Kollier aus
14 Perlen), Silber- und Bronzegegenstände. Auch von
der Tamanhalbinsel wurden durch die Kaiserliche Archäo-
logische Kommission zahlreiche Funde erworben, in Gold
(Teile eines prachtvollen aus Eichenblättern und Eicheln
bestehenden Kranzes, 682 g schwer), Glas und Vasen. —
In Kertsch (Panticapeum) ergaben die Ausgrabungen
in der Nekropole eine große Fülle neuen Materials, welches
u. a. eine wichtige Bedeutung für die Fixierung der Chro-
nologie einiger Funde hat. Unter den von Pharmakowsky
als wichtigsten genannten Gegenständen ist unter den
Vasen zu bemerken eine pseudopanathenäische Preis-
amphora, welche verbrannte Knochen eines Verstorbenen
enthielt, was vielleicht ein Licht auf die inschriftslosen
panathäneischen Amphoren werfen kann. Die andern er-
wähnten Vasen sind meistens schwarzfigurige Lekythen
und Oinochoen, ferner Gefäße aus sog. ägyptischem Por-
zellan, Goldohrringe, Silberarmbänder, geschnittene Steine.
— In Kertsch wurde weiter gefunden: ein Bruchstück eines
Marmor-Anthemions, welches einem Grabmonumente an-
gehört hatte; ferner sah man ein kolossales Grabmonument
aus Marmor (4,20 m hoch) in einem Bau auf dem Fisch-
markt vermauert, wo es zufälligerweise zum Vorschein
kam. Auch einige andere Stelen wurden in Kertsch ge-
funden. — Ferner wurden aus Kertsch von der Kaiserlich
Archäologischen Kommission verschiedenartige Dinge an-
gekauft, Vasen, Terrakotten, darunter interessante Tier-
darstellungen, goldene Ohrringe usw.
Bei den Ausgrabungen, welche R. Chr. Löper in Cher-
sones leitete, fanden sich in den unteren Schichten attische
rotfigurige und schwarzfigurige Fragmente, altjonische Ge-
fäße und, archaische Terrakotten, wodurch die Existenz der
Stadt auf diesem Platze für das 6. Jahrhundert nachgewiesen
ist. Außerdem wurden gefunden eine megarische Schale,
römische Reliefschüsseln, glasierte byzantinische Gefäße,
hellenistische Terrakotten, Goldgegenstände aus der römi-
schen Zeit. Ein Bronze-Etui enthielt zwei Malinstrumente
ähnlich wie die zu St. Medard-de-Pres und Pompeji ge-
fundenen.
Pharmakowsky leitete die Ausgrabungen in Olbia.
Die ältesten Gräber der Nekropolis gehören in die erste
Hälfte des 6. Jahrhunderts, soweit die Toten darin be-
graben waren; vorher wurden die Toten verbrannt und
die verbrannten Knochen gewöhnlich in Amphoren ge-
sammelt und in besonderen Gruben in der Stadt selbst
zwischen den Häusern beigesetzt. Von den 1911 von
Pharmakowsky untersuchten 111 Gräbern und einem Grab-
hügel gehörte der größte Teil der archaischen Zeit, von
der Mitte des 6. Jahrh. v. Chr. an, an. Die Gräber waren
entweder Schachtgräber oder solche mit in dem gewach-
senen Boden seitwärts ausgeschachteten kleinen Kammern.
Besonders interessant ist ein Grab, wo die schwarz ge-
firnißte Urne mit den verbrannten Knochen auf die Brand-
reste gelegt war und ringsum 17 zugespitzte Amphoren
im Kreise herumgelegt waren. Eine runde Einfriedigung
aus Stein, die zwischen den Gräbern gefunden wurde,
scheint die Kultstätte in der Nekropole gewesen zu sein.
Ein merkwürdiges Ensemble unter den Einzelfunden bilden
die Grabbeigaben in dem Grabe eines kleinen Mädchens
(Ohrringe, Anhängsel, Goldperlenschnur, Kinderklappern,
Tierabbildungen, Terrakottamasken und eine ganze Anzahl
verschiedenartiger Tongefäße). Zahlreich sind auch die
andern Funde au« der Nekropole in Gold, Silber, Bronze
(Ziegenfüße, welche zu einer Truhe gehören mochten),
Spiegel und Vasen aller Art. Hier macht Pharmakowsky
die Bemerkung, daß eine ganze Anzahl von Gefäßen mit
einer mit schwarzem Firnis ausgeführten Girlande außen
und schwarzem Firnis inwendig, welche oft in Olbia
und in anderen südrussischen Kolonien auftreten, doch
wohl nicht kyrenäisch sein können, daß vielmehr Samos
als Herstellungsort für sie in Betracht kommt. Auch eine
Reihe anderer ähnlicher Gefäße verschiedener Form wird
man besser als samische, als für schwarzfigurige jonische
Vasen erklären. Erwähnt sei noch ein Gefäß mit sieb-
artigen Öffnungen im Boden, das nur gefüllt werden konnte,
wenn man es in die Flüssigkeit tauchte und nur die Flüssig-
keit hielt, solange die obere Öffnung geschlossen blieb.
Es ist mit nackten Männern und Frauen bemalt. Auch
ein Anhänger aus blauer Paste in Form eines sehr fein
gearbeiteten Widderköpfchens, in den unten ein Skorpion
eingeschnitten ist, ist bemerkenswert, weil er wahrschein-
lich ein Amulett gegen Skorpionbisse ist; denn es scheint,
daß der Widderkopf, der sehr oft vorkommt, prophylaktisch-
apotropäisch ist. — In der Stadt Olbia wurde die Aus-
grabung des im vorigen Jahre angefangenen Areals (siehe
Kunstchronik 1910/11, Spalte 104) weitergeführt. Das neu
angegriffene Areal wurde von der zweiten bis zur fünften
Schicht hinunter ausgegraben. In der fünften Schicht
zeigten sich bedeutende Reste eines großen Baues, in
dessen Zentrum sich ein mit monumentalen Steinplatten
gepflasterter Hof befindet. Die dritte Schicht ist durch
ein Inschriftfragment, welches angibt, daß in Olbia in der
Zeit des Kaisers Alexander Severus ein Tempel der Götter
Sarapis, Isis, Asklepios, Hygieia, Poseidon und Amphitrite
bestand, deren sechs Köpfe über der Inschrift eingraviert
sind, zu datieren. Sehr merkwürdig ist eine mächtige
Außenmauer in einem Hause der fünften Schicht, das in
der älteren Zeit im Zentrum auch; einen gepflasterten Hof
mit wahrscheinlich drei oder vier anliegenden Hallen ge-
habt haben muß. — Die Funde aus den Ausgrabungen in
der Stadt bestehen aus 1555 Inventarnummern, wozu auch