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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Maas, Max: Archäologische Nachlese, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0084

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Archäologische Nachlese

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noch aus Olbia stammende Ankaufsgegenstände kommen.
Als besonders merkwürdig führt Pharmakowsky auf: 7 Vasen,
4 Terrakotten, phönikisches Olas, verschiedene Oold-,
Bronze- und Bleigegenstände, darunter ein Doppelgefäß
aus Blei mit zwei Henkeln in Tierform. —

In Tanais wurden die Ausgrabungen von A A. Miller
fortgesetzt. Eine panathenäische Preisamphore ist mit
einem musischen Agon geschmückt und wird in die zweite
Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr. datiert, womit die von Brau-
chitsch gegebene Gruppierung der panathenäischen Am-
phoren abgelehnt ist. Man muß also glauben, daß im
5. Jahrh. die Amphoren mit heiligem Öl auch als Preis in
den musischen Agonen gegeben wurden. Auch wird an-
genommen, daß die Fabrikation der panathenäischen Preis-
amphoren auch in der Zeit nach Kleisthenes gleichförmig-
fortgesetzt wurde.

Die Grabhügel in dem Steppenteil des Taurischen Gou-
vernements wurden wiederum von Prof. N. J. Wesselowsky
untersucht. Die Gräber sind in runder Form mit einer
Kuppeldecke in dem gewachsenen Boden eingegraben,
aber vollständig ausgeraubt. Nur ein Pferdegrab wurde
in einem Grabhügel, dem sog. »Lemeschowa Mogila« ge-
funden, in dem drei Pferde mit den Köpfen nach Osten
gerichtet lagen. Da die Pferde zweifellos getötet waren,
bevor sie bestattet wurden, so ist die Annahme zurück-
zuweisen, daß man lebende Pferde ins Grab hineintrieb,
die daraus hervorzuspringen strebten. Verschiedener Pferde-
schmuck wurde mit gefunden. — In Podolien wurden von
Gamtschenko ganz analoge Funde wie im Vorjahre ge-
macht, u. a. ein schönes Bruchstück einer altmilesischen
Vase. — Graf A. A. Bobrinskoy leitete im Jahre 1911 die
Ausgrabung im südlichen Teil des Kiewschen Gouverne-
ments, wo einige der eneolithischen Epoche angehörende
Grabhügel untersucht wurden. Bobrinskoy nimmt Halb-
verbrennung der Leichen vor dem Begräbnis und Einhüllung
in Pelz oder haarige Stoffe an. Zwei ausführlich beschrie-
bene Bronzegegenstände erinnern an spätere chirurgische
Instrumente (Spatula und Lancette). —

Wir kommen nun zu dem von A. Schulten (Erlangen)
in der üblichen gewissenhaften Weise abgefaßten Bericht
über Nordafrika, wofür ebenfalls die bereits erschienene
wissenschaftliche Literatur die Grundlage abgibt. Schulten
beginnt mit einem würdigen Nachruf für den am 5. Dezem-
ber 1911 in Rom durch Selbstmord verstorbenen Paul
Gauckler, dessen Wirksamkeit für Nordafrika sowohl durch
Ausgrabungen, wie durch Gründlichkeit und Gelehrsamkeit
ausgezeichnete Publikationen, wie die über die Mosaiken,
eine unvergeßliche sein wird. — Er wendet sich dann zu
der Schrift von Thieling »Der Hellenismus in Kleinafrika*,
die eine fast durchaus maßgebende Publikation über die
griechischen Elemente des Gebietes inklusive der Tripolitana
ist, wo in Gigthis noch zur Zeit des Septimius Severus
mehr griechisch als lateinisch gesprochen wurde. Obenan
für Griechisches steht natürlich Karthago. Die Publikation
von Thieling beweist an den zahlreich vorkommenden
griechischen Defixionen (Verwünschungstafeln), daß der
Ursprung dieses Unwesens Griechenland ist Der wich-
tigste Teil des Buches bezieht sich auf die Zusammen-
stellung und Analyse der in Nordafrika vorkommenden
griechischen Wörter und Eigennamen. Von letzteren bieten
Karthago, Cirta, Caesarea die meisten, namentlich auch bei
den Sklaven und Liberten. Bei den Unterbeamten des
Prokonsuls haben die Hälfte griechische Namen und die
einheimische Bevölkerung tritt in dieser Sphäre ganz zurück.
— Aus dem Buch von St. Osell über das Klima Nord-
afrikas im Altertum (Revue Af ricaine 1911) erwähnt
Schulten, daß die Sahara, wie aus den, Elefanten und
Büffel darstellenden, zum Teil neolithischen Felsbildern der

Wüste hervorgeht, damals größere Wassermengen noch
besessen haben muß. Gegenüber Gsell, der an nur ge-
ringe Klimaänderung glaubt, möchte aber Schulten fest-
stellen, daß die zahlreichen römischen Siedelungen am
Nordrande der Sahara darauf hindeuten, daß die vom Atlas
kommenden Flüsse damals doch noch mehr Wasser hatten
als heute und daß das Klima sich noch mehr im Sinne
größerer Trockenheit verändert hat als Gsell annimmt.

Aus Tunis berichtet Schulten über eine libysche Nekro-
pole im Roccagebirge nördlich der Grenzstation Grardimau,
wo an dreißig Grabstelen nur lybische Inschriften und
das Symbol des Halbmondes (nicht des modernen türki-
schen) tragen. Die Zeit der Nekropole ist noch nicht be-
stimmt. — Auf dem Boden von Karthago stieß General
Pistor beim Pflanzen von Bäumen auf einen aus großen
Tuffquadern bestehenden Kai, welcher wahrscheinlich die
westliche Einfahrt der Häfen des alten Karthago begleitete.
— Bei den Ausgrabungen auf der Admiralsinsel sind sehr
merkwürdige lateinische Ostraka mit Abrechnungen über
öffentliche Leistungen gefunden worden. — In Hadrumet
hat Kanonikus Leynaud punische Votivstelen gefunden. —
Gemäß den Monuments Piot wird über neue Funde aus
dem bei Mahedia versunkenen Schiff berichtet. Dre
groteske Bronzefiguren bilden offenbar eine Gruppe; es
sind zwei Tänzerinnen und ein kastagnettenschlagender
phallischer Possenreißer. Auch ein laufender Satyr und
ein leierspielender Eros sind Werke von außerordentlichem
Leben. Dann wurden mehrere kleinere Bronzen gefunden,
ein sitzender Komiker, ein tanzender geflügelter Eros, ein
tanzender Satyr und ein stehender ithyphallischer Schau-
spieler. (Memoires de la Soc. nat. d. Antiqu. de France
1911.) An Marmorwerken wurden u. a. ein Niobekopf,
ferner zwei andere, vielleicht als Niobiden anzusehende
Köpfe und der Torso eines Epheben gehoben. Das Mittel-
deck des gefundenen Schiffes war mit 65 Säulen beladen
gewesen und mußte mindestens 10 m breit und wohl
40 m lang gewesen sein. Die Kunstwerke sind im Zwischen-
deck aufgestapelt gewesen. Das Schiff kam gemäß den
mitgeführten athenischen Inschriften aus Athen und ist
zwischen 150—50 v. Chr. gesunken. Es ist also wahr-
scheinlich, daß es mit Beute von der Eroberung Athens
durch Sulla im Jahr 86 v. Chr. beladen war. Das beste
Datierungsmittel, die auf dem Schiff verladene Keramik,
ist leider noch nicht geprüft worden. Die beiden, ebenfalls
von dem versunkenen Schiff gekommenen, ein Paar bilden-
den Bronzen, Ariadne und Dionysos, werden jetzt wegen
ihrer Form (Balkenabschlüsse) als Kopf der das Schiff
gegen Beschädigung durch Anprall schützenden Leisten
von athenischen Staatstrieren angesehen. — Der prächtige
Panzer aus Unteritalien (Kunstchronik 1911/12, Sp. 127)
wird jetzt in Abbildung im Archäologischen Anzeiger vor-
geführt. — In Bulla Regia hat Dr. Carton außer einem
Saal der Thermen ein wohlerhaltenes Haus mit Peristyl
und schönen Mosaiken, von denen eines Perseus und
Andromeda darstellt, aufgedeckt. — Ein in dem Amphi-
theater von El Dschem gefundenes Fragment eines Glas-
bechers trägt die Darstellung von Zirkusspielen. — Eine
Inschrift aus der Gegend von Birbu-Rekba zeigt, daß
Augustus wegen seiner Verdienste um das afrikanische
Städtewesen schon bei Lebzeiten in Afrika als Gott ver-
ehrt wurde. Eine bis jetzt unbekannte Ortschaft Thinissut
wird neben dem »Augustus Deus« genannt. — Die sog.
Centuriensteine gehören zu einer großen, die ganze pro-
konsularische Provinz durchziehenden, zu Katasterzwecken
angelegten Centuriation. Diese Centuriation (Barthel in
den »Bonner Jahrbüchern« 1911) dehnte sich über die ganze
Africa vetus aus und geht auf Cajus Gracchus zurück. —
Unter zahlreichen Arbeiten des Archäologen J. Renault, der
 
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