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Forschungen
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Bostoner Sammlung das beste Feld für Entwicklung ab-
geben könne. Man hat daher das Auge auf Herrn Fitz
Roy Carrington geworfen, der während der letzten 15 Jahre
Teilhaber einer, großen New Yorker Kunsthandlung ge-
wesen ist und Carrington hat sich dazu verstanden, seine
geschäftlichen Beziehungen aufzugeben und sich der großen
Unternehmung, der Entwicklung der Bostoner Kupferstich-
sammlung, zu widmen. Man hat nicht allein in Boston,
sondern auch in anderen amerikanischen Städten für diesen
Zweck Sammlungen eröffnet, um Carrington als Kurator
des Print Departments des Museums neben Richter an-
stellen zu können. Carrington soll außerdem im Auftrag
des Fine Arts Department der Harvard-Universität jährlich
einen Kursus von Vorlesungen über graphische Kunst ab-
halten. Die Redaktion des »Print Collector's Quarterly«
wird er beibehalten, und ein Garantiefonds wird es ge-
statten, daß das Museum selbst als Herausgeber dieser
Zeitschrift auftritt. Man hofft auch, daß eine amerikanische
Gesellschaft von Kupferstichsammlern sich bilden wird,
um die Entwicklung einer großen nationalen Kupferstich-
sammlung zu fördern. — Die amerikanische Zeitschrift
»The Nation« knüpft daran in einem größeren Artikel
einige Bemerkungen über die Entstehung von Kupferstich-
sammlungen in amerikanischen öffentlichen Anstalten.
Diese Sammlungen sind meistens durch Geschenke Privater
gebildet worden. So ist ihr Wachstum mehr oder weniger
von Betrachtungen persönlichen Geschmacks geleitet wor-
den und sie konnten daher selten Repräsentanten der
graphischen Künste als Ganzes sein. Die Zeit scheint nun
wirklich gekommen zu sein, daß die Museen den Aufbau
ihrer Sammlungen nach einem ausgedehnteren Maßstabe
vornehmen als bisher, so daß sie durch Vollständigkeit dem
ernsten Studium dienen können. Gewiß wird es nicht
immer nötig sein, von jeder Radierung oder von jedem
Kupferstich den besten Abdruck zu schaffen; aber von den
wichtigsten Platten sollte doch soviel als möglich ein guter
Abdruck beigebracht werden. Die Studierenden müssen
jeden Meister, der in den Handbüchern genannt ist, voll
und in guten Exemplaren zu benützen instand gesetzt
werden. Die amerikanische Wochenschrift sieht jedoch
keinen Grund ein, warum die Bostoner Unternehmung,
welcher durch die Vereinigung von Museums- und Uni-
versitäts-Arbeit eine sichere Zukunft blüht, andere Städte
von einer ähnlichen Ausdehnung ihrer graphischen Institute
abhalten soll, da es noch andere amerikanische Städte gibt,
welche so glücklich sind, eine Universität mit Kunstbe-
strebungen und den Kern einer graphischen Sammlung
zu besitzen. m.
Die Sammlung Camondo wird nicht vor dem
nächsten Sommer im Louvre aufgestellt werden können.
Die zur Einrichtung der Säle erforderliche Summe ist so-
eben vom Senat bewilligt worden, wird aber erst nach
Hebung einiger finanzieller Schwierigkeiten flüssig gemacht
werden. Ebenso wird die Aufstellung der aus arabischen
und persischen Kunstsachen bestehenden Sammlung Delort
de Gleon eine Verzögerung erleiden, weil die Museums-
leiter mit den Erben einen Prozeß führen, die zur Ein-
richtung der Säle und Aufstellung der (Kunstwerke nötige
Summe anlangend, die nach dem Testamente de Gleons
nicht mit aller Bestimmtheit den Erben zur Last gelegt
werden kann, so daß die Gerichte entscheiden müssen.
FORSCHUNGEN
Frank Buchser*). Wer auf der Durchreise in Basel
dem dortigen Kunstmuseum einen Besuch abstattet, um
*) Coulin, Der Maler Frank Buchser. Basel, Helbing
und Lichtenhahn, 1912.
Böcklin und Holbein seine Reverenz zu erweisen, wird
mit Erstaunen finden, daß neben diesen bekannten Größen
dort noch ungehobene Schätze schlummern. Es gibt Leute,
die für die Kunstentwickelung des 19. Jahrhunderts viel
aufrichtiges Interesse haben und die erst im Basler Museum
die Bekanntschaft Buchsers gemacht haben. Und doch
wäre gerade Buchser eine Persönlichkeit, die ihrem «Ent-
decker« (wie sich heute die Propagandisten von noch nicht
breitgetretenen Künstlern gerne nennen lassen) alle Ehre
machen würde.
J. Widmer in Zürich war der erste, der eine mono-
graphische Skizze von Buchser veröffentlicht hat (Neu-
jahrsblatt der Züricher Kunstgesellschaft auf das Jahr
1912), nun folgt die als Dokument ungleich wichtigere
biographische Studie von J. Coulin. In der Behandlung
scheint sie mir geradezu vorbildlich: Eine streng kritische
Sammlung und Sichtung der äußeren Tatsachen, eine sorg-
fältige und reichlich von Belegen unterstützte Festlegung
der inneren künstlerischen Entwickelung; kein ästhetisches
Geschwätz oder eine billige Verherrlichung.
Buchser ist 1828 in Feldbrunnen bei Solothurn geboren.
Bis zu seinem Aufenthalt in Spanien 1852 zeigt seine Ent-
wickelung nichts Außerordentliches. Nun aber ergreift er die
Initiative: Als erster entdeckte er das Lichtproblem in der
Kunst Velazquez' und Riberas, 8 Jahre vor jener Pariser Aus-
stellung, die dem Impressionismus den Weg wies! Neben
dem schnellen und packenden Hinsetzen von Stierkampf-
szenen, die an Goya erinnern, wohlabgewogene Kompo-
sitionsbilder, Helldunkelstudien, die Vallottons Holzschneide-
kunst vorausahnen. Und bei allem ein eifriges Studium
der alten Kunst. Fast jedes Jahr trifft Buchser an einem
andern Ort. Bald ist er in Paris, bald in der Heimat!
Holland, England, Italien, Spanien, Marokko, Deutschland,
Amerika, Dalmatien und Griechenland bereist er in nie
ermüdendem Wechsel. Überall entstehen Skizzen und
Bilder in immer neuer, überraschender Auffassung. Bald
pastos hingemalt, mit kräftig verteiltem Licht und Schatten
('857—58), bald fein abgestimmte Farbenskalen von im-
pressionistischer Auffassung (1863 — 66), dann sonnendurch-
flutete Freilichtbilder (1875—80), endlich scharfe, blendende
Mittelmeerstudien (1883—84). Aber trotz alles Impressio-
nistischen bleibt Buchser stets auf das Bildmäßige, auf
die Komposition bedacht. Im Jahre 1890 ist Buchser in
seiner Heimat gestorben.
Rein persönlich interessieren seine Beziehungen zu
Gottfried Keller, der ihn stets hochschätzte. Ein Porträt
Kellers von Buchser ist in einer guten Reproduktion der
Coulinschen Studie beigegeben, wie überhaupt eine An-
zahl für das Kunstschaffen Buchsers charakteristischer
Bilder und Skizzen so gut reproduziert sind, als bei der
Beschränkung der leuchtenden Buchserschen Farben auf
Schwarz-Weiß möglich ist. Für den Forscher ist das Ver-
zeichnis des Nachlasses, der im Basler Museum aufbewahrt
wird, von Wichtigkeit. (Es sind dort über 1000 Studien
und 117 Skizzenbücher.)
Die Monographie verzichtet darauf, Buchser eine
Stellung in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts an-
zuweisen. Sie enthält aber alles Material, das als Kom-
mentar zur Einschätzung seiner Bilder notwendig ist. Sie
bildet die Basis für eine umfassende Publikation des
Buchserschen Werkes, die hoffentlich nicht mehr allzulange
auf sich warten läßt; denn der Maler verdient es, nach-
dem er jahrzehntelang der Gegenstand größter Bewunderung
von wenigen gewesen ist, allen denjenigen zugänglich ge-
macht zu werden, die sich für die Geschichte der modernen
Malerei interessieren. Bemouiu.
Das fünfte Heft der »Revue de l'art chr£tien« 1912
(September-Oktober) bringt einen geistvollen Aufsatz von
Forschungen
180
Bostoner Sammlung das beste Feld für Entwicklung ab-
geben könne. Man hat daher das Auge auf Herrn Fitz
Roy Carrington geworfen, der während der letzten 15 Jahre
Teilhaber einer, großen New Yorker Kunsthandlung ge-
wesen ist und Carrington hat sich dazu verstanden, seine
geschäftlichen Beziehungen aufzugeben und sich der großen
Unternehmung, der Entwicklung der Bostoner Kupferstich-
sammlung, zu widmen. Man hat nicht allein in Boston,
sondern auch in anderen amerikanischen Städten für diesen
Zweck Sammlungen eröffnet, um Carrington als Kurator
des Print Departments des Museums neben Richter an-
stellen zu können. Carrington soll außerdem im Auftrag
des Fine Arts Department der Harvard-Universität jährlich
einen Kursus von Vorlesungen über graphische Kunst ab-
halten. Die Redaktion des »Print Collector's Quarterly«
wird er beibehalten, und ein Garantiefonds wird es ge-
statten, daß das Museum selbst als Herausgeber dieser
Zeitschrift auftritt. Man hofft auch, daß eine amerikanische
Gesellschaft von Kupferstichsammlern sich bilden wird,
um die Entwicklung einer großen nationalen Kupferstich-
sammlung zu fördern. — Die amerikanische Zeitschrift
»The Nation« knüpft daran in einem größeren Artikel
einige Bemerkungen über die Entstehung von Kupferstich-
sammlungen in amerikanischen öffentlichen Anstalten.
Diese Sammlungen sind meistens durch Geschenke Privater
gebildet worden. So ist ihr Wachstum mehr oder weniger
von Betrachtungen persönlichen Geschmacks geleitet wor-
den und sie konnten daher selten Repräsentanten der
graphischen Künste als Ganzes sein. Die Zeit scheint nun
wirklich gekommen zu sein, daß die Museen den Aufbau
ihrer Sammlungen nach einem ausgedehnteren Maßstabe
vornehmen als bisher, so daß sie durch Vollständigkeit dem
ernsten Studium dienen können. Gewiß wird es nicht
immer nötig sein, von jeder Radierung oder von jedem
Kupferstich den besten Abdruck zu schaffen; aber von den
wichtigsten Platten sollte doch soviel als möglich ein guter
Abdruck beigebracht werden. Die Studierenden müssen
jeden Meister, der in den Handbüchern genannt ist, voll
und in guten Exemplaren zu benützen instand gesetzt
werden. Die amerikanische Wochenschrift sieht jedoch
keinen Grund ein, warum die Bostoner Unternehmung,
welcher durch die Vereinigung von Museums- und Uni-
versitäts-Arbeit eine sichere Zukunft blüht, andere Städte
von einer ähnlichen Ausdehnung ihrer graphischen Institute
abhalten soll, da es noch andere amerikanische Städte gibt,
welche so glücklich sind, eine Universität mit Kunstbe-
strebungen und den Kern einer graphischen Sammlung
zu besitzen. m.
Die Sammlung Camondo wird nicht vor dem
nächsten Sommer im Louvre aufgestellt werden können.
Die zur Einrichtung der Säle erforderliche Summe ist so-
eben vom Senat bewilligt worden, wird aber erst nach
Hebung einiger finanzieller Schwierigkeiten flüssig gemacht
werden. Ebenso wird die Aufstellung der aus arabischen
und persischen Kunstsachen bestehenden Sammlung Delort
de Gleon eine Verzögerung erleiden, weil die Museums-
leiter mit den Erben einen Prozeß führen, die zur Ein-
richtung der Säle und Aufstellung der (Kunstwerke nötige
Summe anlangend, die nach dem Testamente de Gleons
nicht mit aller Bestimmtheit den Erben zur Last gelegt
werden kann, so daß die Gerichte entscheiden müssen.
FORSCHUNGEN
Frank Buchser*). Wer auf der Durchreise in Basel
dem dortigen Kunstmuseum einen Besuch abstattet, um
*) Coulin, Der Maler Frank Buchser. Basel, Helbing
und Lichtenhahn, 1912.
Böcklin und Holbein seine Reverenz zu erweisen, wird
mit Erstaunen finden, daß neben diesen bekannten Größen
dort noch ungehobene Schätze schlummern. Es gibt Leute,
die für die Kunstentwickelung des 19. Jahrhunderts viel
aufrichtiges Interesse haben und die erst im Basler Museum
die Bekanntschaft Buchsers gemacht haben. Und doch
wäre gerade Buchser eine Persönlichkeit, die ihrem «Ent-
decker« (wie sich heute die Propagandisten von noch nicht
breitgetretenen Künstlern gerne nennen lassen) alle Ehre
machen würde.
J. Widmer in Zürich war der erste, der eine mono-
graphische Skizze von Buchser veröffentlicht hat (Neu-
jahrsblatt der Züricher Kunstgesellschaft auf das Jahr
1912), nun folgt die als Dokument ungleich wichtigere
biographische Studie von J. Coulin. In der Behandlung
scheint sie mir geradezu vorbildlich: Eine streng kritische
Sammlung und Sichtung der äußeren Tatsachen, eine sorg-
fältige und reichlich von Belegen unterstützte Festlegung
der inneren künstlerischen Entwickelung; kein ästhetisches
Geschwätz oder eine billige Verherrlichung.
Buchser ist 1828 in Feldbrunnen bei Solothurn geboren.
Bis zu seinem Aufenthalt in Spanien 1852 zeigt seine Ent-
wickelung nichts Außerordentliches. Nun aber ergreift er die
Initiative: Als erster entdeckte er das Lichtproblem in der
Kunst Velazquez' und Riberas, 8 Jahre vor jener Pariser Aus-
stellung, die dem Impressionismus den Weg wies! Neben
dem schnellen und packenden Hinsetzen von Stierkampf-
szenen, die an Goya erinnern, wohlabgewogene Kompo-
sitionsbilder, Helldunkelstudien, die Vallottons Holzschneide-
kunst vorausahnen. Und bei allem ein eifriges Studium
der alten Kunst. Fast jedes Jahr trifft Buchser an einem
andern Ort. Bald ist er in Paris, bald in der Heimat!
Holland, England, Italien, Spanien, Marokko, Deutschland,
Amerika, Dalmatien und Griechenland bereist er in nie
ermüdendem Wechsel. Überall entstehen Skizzen und
Bilder in immer neuer, überraschender Auffassung. Bald
pastos hingemalt, mit kräftig verteiltem Licht und Schatten
('857—58), bald fein abgestimmte Farbenskalen von im-
pressionistischer Auffassung (1863 — 66), dann sonnendurch-
flutete Freilichtbilder (1875—80), endlich scharfe, blendende
Mittelmeerstudien (1883—84). Aber trotz alles Impressio-
nistischen bleibt Buchser stets auf das Bildmäßige, auf
die Komposition bedacht. Im Jahre 1890 ist Buchser in
seiner Heimat gestorben.
Rein persönlich interessieren seine Beziehungen zu
Gottfried Keller, der ihn stets hochschätzte. Ein Porträt
Kellers von Buchser ist in einer guten Reproduktion der
Coulinschen Studie beigegeben, wie überhaupt eine An-
zahl für das Kunstschaffen Buchsers charakteristischer
Bilder und Skizzen so gut reproduziert sind, als bei der
Beschränkung der leuchtenden Buchserschen Farben auf
Schwarz-Weiß möglich ist. Für den Forscher ist das Ver-
zeichnis des Nachlasses, der im Basler Museum aufbewahrt
wird, von Wichtigkeit. (Es sind dort über 1000 Studien
und 117 Skizzenbücher.)
Die Monographie verzichtet darauf, Buchser eine
Stellung in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts an-
zuweisen. Sie enthält aber alles Material, das als Kom-
mentar zur Einschätzung seiner Bilder notwendig ist. Sie
bildet die Basis für eine umfassende Publikation des
Buchserschen Werkes, die hoffentlich nicht mehr allzulange
auf sich warten läßt; denn der Maler verdient es, nach-
dem er jahrzehntelang der Gegenstand größter Bewunderung
von wenigen gewesen ist, allen denjenigen zugänglich ge-
macht zu werden, die sich für die Geschichte der modernen
Malerei interessieren. Bemouiu.
Das fünfte Heft der »Revue de l'art chr£tien« 1912
(September-Oktober) bringt einen geistvollen Aufsatz von